22. September 2004

Pferde, Liebe, Hass und fucking NME

Interview geführt von

Wir trafen Holly und ihren Labelmanager Ian Ballard (Damaged Goods) in einem Kölner Café. Die sympathische und kluge Frau plauderte gesellig und ausführlich bei zwei Tassen Kaffee und einigen Zigaretten über ihre Vorlieben, ihre Abneigungen, Pferde und natürlich die Musik. Hier nun die zusammen gefasste Version.

Was war deine erste große Liebe?

Pferde. Ich habe Pferde schon immer geliebt. Seit ich ein kleines Mädchen war, gehören sie zu meinem Leben dazu. Früher habe ich sie auch trainiert. Das war mein Beruf. Das war auch der Grund für mich, nach Amerika zu ziehen. Dort hatte ich eine Wohnung. Nach einem schlimmen Unfall, ich bin vom Pferd gestürzt, bin ich auf Krücken nach England zurück gekehrt. Ich musste aufgrund meiner Behinderung einige Sachen in Amerika lassen, u.a. meine geliebte Platten- und Schuhsammlung. Durch ein plötzliches Feuer habe ich alles verloren. Ich weiß bis heute nicht, warum es gebrannt hat.

Du warst dann also wieder in England?

Ja, auf einem Hausboot in Medway (Kent). Dort begann ich, ein neues Leben aufzubauen.

Wann hast du Thee Headcoatees getroffen?

Ich traf Kyra LaRubia, Ludella Black und 'Bongo' Debbie Anfang der 90er Jahre. Mit Thee Headcoatees konnte ich die Musik, die ich mag und gerne höre, musikalisch ausleben. Ich komme nicht aus einer Musikerfamilie. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Opa war ein Kohlearbeiter in Merthyr Tydfil in South Wales. Es gab ein Klavier zu Hause, aber ich hatte keine Lust, das zu lernen. Ich habe meine erste Gitarre gekauft und versucht, wie "The Damned" zu spielen. Natürlich konnte ich das nicht schaffen, weil ich nur über dieses Gitarrenbuch "If I were a hammer" gelernt hatte. (grinst) Später habe ich mir einen Verstärker gekauft, und dann klang die Gitarre schon sehr viel besser. (lacht)

Der NME ist auf Thee Headcoatees schnell aufmerksam geworden. Da gibt es doch diese tolle Geschichte mit Johnny Cigarettes, einem Journalisten der Musikzeitung. Ian, du kennst die Story doch sehr gut, willst du die nicht erzählen?

Ian (mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht): Johnny stand nicht auf der Gästeliste und musste den doch sehr geringen Eintrittspreis zahlen. Das machte ihn schon mal wütend und nahm ihm noch mehr die Lust, vor Ort zu bleiben. Nach dem er nur Billy Childishs Rock'n'Roll-Band gesehen hatte, die als Support für Thee Headcoatees spielten, verließ er den Laden sofort wieder. In seiner Konzertkritik konnte man später lesen, dass er sich wunderte, dass keine Frauen auf der Bühne standen (alle lachen) Tja, so dumm können Journalisten sein, und seitdem mögen wir den NME noch weniger. Die Kritik wurde dann später auf das Cover von Billy Childishs Single "I Hate The Fucking NME" gedruckt. Das war sehr schön.

Holly: Die englische Presse hat uns immer schon gehasst. Sie hat fast nie was über uns geschrieben. Und dann spiele ich als Gast auf einer Platte mit, und plötzlich steht im NME ein Foto von mir mit der Überschrift: Wer ist eigentlich Holly Golightly? (Ihren Gastauftritt hatte Holly mit dem Titel "It's True That We Love One Another" auf der Platte Elephant der Detroiter Rock'n'Roll-Geschwister White Stripes) Jetzt haben sie plötzlich mehr Interesse und schickten mir einen NME-Journalisten nach Hause, der mich doch tatsächlich fragt, ob ich mit Jack White geschlafen habe?! Was ist das bitte für eine Frage? Ich habe ihm natürlich keine Antwort gegeben. Es ist unglaublich. Ich habe eben noch den NME gelesen, und darin steht nur Scheiße. Sie schreiben nur über Backstage Parties und was da Langweiliges passiert, und es steht überhaupt nichts über Musik darin?!

Wie hast du die White Stripes eigentlich kennen gelernt?

Wir waren gemeinsam im Toe Rag Studio, das ist bei mir um die Ecke, und versuchten ein paar Aufnahmen zu machen. Wir haben einen Song später aufgenommen, und es war nur so zum Spaß. Wir wussten nicht, dass es auf dem Album erscheinen wird. Die Geschichte von dem Song ist übrigens wahr. Ich hatte tatsächlich meinen Fuß gebrochen nach einem Pferdeunfall, aber Jack war daran nicht schuld.

Auf dem Cover deines neuen Albums "Slowly But Surely" sieht man einen Tanzmarathon im 30er Jahre-Stil und dich im Vordergrund als müde Tänzerin in den Armen deines Partners ...

Das ist ein altes Foto aus den 30er Jahren in Amerika. Es war schrecklich, was die Leute da machen mussten. Viele, die an diesen Wettbewerben teilgenommen haben, waren arm. Sie haben das nur wegen dem Geld gemacht. Und so lange sie da waren, hatten sie ein Dach über dem Kopf, Essen und zu Trinken. So ein Marathon konnte zwei bis drei Monate dauern. Das Unverschämte daran war allerdings, dass der Sieger einen Teil des Gewinns an die Veranstalter abgeben musste. Das Kleid, das ich da trage, ist übrigens von meiner Großmutter. Es ist ein ganz altes Kleid und wird mit Sicherheit bald kaputt gehen. Ich hatte schon Probleme während der Fotosession (grinst). An den Armen ist es ziemlich eng und schon sehr zerschlissen. Ich habe ein Lieblingsfoto von meiner Oma zu Hause, darauf trägt sie dieses Kleid. Es war ein Sepia-Foto mit etwas Farbe, und das inspirierte mich auch zu diesem Cover.

Hast du denn auch selber schon mal an einem Tanzmarathon teilgenommen?

Nein, in den 30er Jahren habe ich noch nicht gelebt. Ich war allerdings oft in Northern Soul Clubs in den 80ern. Der Unterschied zu den 30er Jahren besteht darin, dass sie damals keine Amphetamine hatten. Musikalisch mag ich diese Zeit sehr. Wenn man meine Musik hört, trägt der Bass die leitende Funktion. Ich nehme meinen Kontrabass, wenn ich eine neue Idee für einen Song habe. Dazu singe ich dann, obwohl ich gar nicht singen kann. Meine Lieder sind nicht mit der Gitarre geschrieben, und deshalb gibt es kein Gitarrensolo, obwohl die Gitarristen, die mit mir zusammen spielen, das schon mal dürfen (lacht).

Deine Soloalben hören sich sehr amerikanisch an, was für eine Beziehung hast du zu diesem Land?

Ich war mit einem Amerikaner verheiratet. Ich gehe auch oft auf Tournee in die USA, mindestens acht Mal. Die Leute in Amerika sind offener für meine Musik. Offener für Country- und Folkmusik. Die ist dort einfach beliebter als in Europa. Meine Platten verkaufen sich dort sehr viel besser. Jetzt bekomme ich allerdings durch den Song mit The White Stripes auch mehr Aufmerksamkeit in England.

Kann man dich denn bald auch wieder mal in Deutschland sehen und hören?

Ich will auf jeden Fall in Europa auf Tour gehen. Aber es ist ein Problem, eine Booking Agentur zu finden. Wenn es jemanden gibt, der uns buchen will: bitte schreib uns, und wir sind dabei.

Neben der Musik und deiner Liebe zu den Pferden arbeitest du noch in einem anderen Bereich?

Ich hatte wegen meiner Arbeit als Mitarbeiterin in einer Förderation nicht so viel Zeit, Musik zu machen. Ich helfe dabei Familien, die in sozialen Schwierigkeiten stecken und Probleme wegen ihrer Kinder haben. Ich bin oft mit den Familien und ihren Kindern vor Gericht. Aber ich bin keine Sozialarbeiterin. Ich hasse diese Bezeichnung.

Was für eine Platte hast du dir zuletzt gekauft?

Das war eine Platte von Otis Span. Er hat zusammen mit Muddy Waters gespielt. Die Platte ist wirklich großartig. Im Moment höre ich fast nur noch alte Blues-Platten. Das ist meine Inspiration.

Vielen herzlichen Dank für dieses Interview, hoffentlich sieht man sich bald in Deutschland auf Tour.

(Ein Hinweis für alle Booker da draußen. Engagiert diese Frau!)

Das Interview führte Jasmin Luetz

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