laut.de-Kritik
Nie wieder Howie, manchmal (k)ein Grund zum Heulen.
Review von Stefan JohannesbergNie wieder Howie. Ein Grund zum Heulen? Mitnichten. Seien wir doch mal ehrlich, nur Die-Hard-Fans kennen seine neuen Stücke diesseits der Achtziger. Gleiches gilt für Carpendales Konzerte. Die meisten wurden doch im Zuge des Schlagerrevivals Ende der Neunziger durch seine Aussage abgeschreckt, auf Tourneen ausschließlich aktuelles Material zu spielen.
Erst die Ankündigung seines unwiderruflichen Abschieds traf die "Hello Again"-affinen Musikhörer im pathetischen Herzen. Zum letzten Mal "Ti Amo"? Das wollte keiner verpassen, und so wurden Tour und dieses endgültige Best Of-Doppelalbum zum größten Erfolg seit Jahren.
Okay, die schmachtenden Chanson-Hymnen "Ti Amo" und "Hello Again" kennt jeder, ob er will oder nicht. Doch Howards Liebe zu Elvis Presley und zu handfestem Rock eines Bob Seegers sind weitgehendst unbekannt. Dabei dringen sie auf seinen bekannten, aber nicht auswendig gelernten B-Liga-Hits aus den 70er- und 80ern immer wieder durch.
Themen wie Freiheit ("Du fängst den Wind niemals ein", "Wie frei willst du sein"), Einsamkeit ("Samstag Nacht") und ehrlichen Gefühlen ("Fremde oder Freunde", "Nachts, wenn alles schläft") interpretiert der in Kapstadt geborene Carpendale als melancholische Midtempo-Tunes, die mit live eingespielten Instrumenten stets straight nach vorne preschen.
Die Rockwelt könnte für den harten Kerl in Spe so schön sein, einzig und allein seine softig warme Komm-Ins-Bett-Stimme mit dem lieblichen Akzent zwingt die Songs wieder auf Roland Kaiser-Schmusekurs. Davor ist auch das 2001er an Pur erinnernde Ronan Keating-Cover "Ruf mich an" ("Life Is A Rollercoaster") nicht geschützt. Ein kleiner Kuschelfaktor schadet ja auch nicht. Außer, wenn er Überhand nimmt wie im schwül schwulstigen "Deine Spuren Im Sand".
Ein Stück, das allerdings selbst Carpendale nicht vor nervtötender Rock-Anbiederung retten kann, ist und bleibt das Smokie-Cover "Tür an Tür mit Alice". Jener Klassiker aller fetzigen Friseusenfeten langweilt möchtegerngroovend und hinkt so stocksteif wie Alexanders Gesangsdarbietung beim World Idol. Doch das ist nicht der einzige Ausfall des Albums. "Das schöne Mädchen von Seite 1" mag im Original noch klar gehen, mit seiner unsäglichen Rap-Einlage am Anfang macht sich die neue Version mehr als lächerlich.
Gar nicht lächerlich, aber mit unüberhörbaren Schwächen in der Umsetzung leiden die engagierten, sozialkritischen Lieder wie "Jede Farbe ist schön" oder "Der Junge aus Soweto" unter dem schlager-typischen, weinerlichen Lichterketten-Vibe, dem auch Udo Jürgens mit platt naiven Texten zum selbstgewählten Opfer fiel. Frei nach den Hamburger Punks But Alive: Das Gegenteil von 'Gut' ist 'Gut gemeint'.
Richtig schlecht und uninspiriert lahmen dagegen die brandneuen Tracks "Together Forever" und "Heute Nacht" durchs Dorffest. Klebrige Schlager mit billigem 80er Computersound gereichen Howard nun wirklich nicht zur Ehre. Diese Ausfälle würden gar sein Karriereende trüben, wäre da nicht das traurig schöne "Lucy", das wieder großen "Du bist so gemein, aber ich komm nicht los von dir"-Sport bietet. Nie wieder Howie, manchmal (k)ein Grund zum Heulen.
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