laut.de-Kritik

100 Prozent Liebe für ein bisschen Respekt? Fairer Deal!

Review von

"Neun Leute, fünftes Jahr, zweites Album, erste Wahl" - der Countdown kündet gleich im Intro von den hohen Ansprüchen, die man bei I-Fire an sich selbst stellt. "Bigger Better Hotter" wollen sie sein. Im Vergleich zum Erstling: Mission voll erfüllt.

Die drei Vokalisten haben die einst bemängelte nordische Blässe verloren: Mit unikaten Stimmen, üppigem Wortschatz, Witz und unverhohlener Begeisterung für ihre Sache schrauben sich Rawbird, Free und Dub-Ill-You durch ihr Repertoire.

An Free, der sich nicht - wie seine beiden Kollegen - auf ein Reibeisen in der Kehle verlassen kann, ist ein tauglicher Rapper verloren gegangen. Seine flüssigen Zeilen haben sich im gebotenen Reggae- und Dancehall-Umfeld bestens akklimatisiert, verleihen dem Ganzen eine stimmige Hip Hop-Note.

Thematisch bewegen sich I-Fire im bekannt-bewährten Bereich zwischen Weltverbesserungs-Lyrik und Partysound. Sozial- und Konsumkritik, wie sie in "Zu Viel Von Zu Viel" aufgefahren wird, folgt hemmungslos dem Dicke-Hose-Gebaren der "Rudeboykings".

Ein derber Dancehall-Tune des Kalibers "Brennt Ihn Ab" ("den Dance", bevor jemand auf dumme Gedanken kommt) passt prima hinter ein Endzeit-Ölkrisen-Szenario, wie es in "Gib Gas" entworfen wird.

Schelte in Richtung der großen Hure Babylon wirkt zwar in etwa so innovativ wie "No War"-Parolen. I-Fire aber anzukreiden, dass sie für die Probleme der Welt keine Lösung parat hätten, führte zu weit. Immerhin: Die Hamburger propagieren eine Politik der kleinen Schritte.

Das Auto stehen lassen, der NPD keine Stimme geben, einfach mal nett zueinander sein: banal erscheinende Ratschläge, die die Welt bei konsequenter Anwendung tatsächlich zu einem besseren Platz machen würden.

"Jetzt fragt ihr uns ernsthaft nach 'ner Botschaft? / Stoppt den globalen Terror, der nur Leid und Not schafft. / So simpel und plakativ, ich glaub' an dich, das schaffst du. / Doch frag' mich nochmal nach 'ner Message, und sie lautet: 'Fuck you!'" Recht haben sie.

Die Verschiedenheit der Sänger birgt Potenzial, das allerdings wiederholt überstrapaziert wird. Die Tunes kranken regelmäßig an ihrer Überlänge. Vielleicht hätte wenigstens man das eine oder andere Mal aufhören können, nachdem alles gesagt wurde - und nicht erst, nachdem es jeder gesagt hat.

In den (leider wenigen) Fällen, in denen die Jungs statt einzeln eine Strophe nach der anderen abzuliefern im Dialog agieren, wirkt die Angelegenheit sofort dynamischer, weil weniger zäh und redundant.

Die musizierenden Kollegen machen dagegen diesmal wirklich alles richtig. Insbesondere die Bläser-Abteilung hat sich immens gemausert, setzt punktgenaue Akzente und haucht ... ach, was! ... trompetet dem Sound Leben ein.

Satte Bässe tragen traditionelle Reggae-Grooves, die sofort angenehm vertraut wirken, obwohl sie immer wieder mit modernen Elementen spielen. Dazwischen gehämmerte Dancehall-Bretter lassen Fahrt aufnehmen, ein eingeflochtener Dub-Part bringt dann wieder zurück auf den Teppich.

An handwerklichem Können lässt "Bigger Better Hotter" so wenig zu wünschen übrig wie an überbordender Spielfreude. "Ich hab' hundert Prozent Liebe zu geben, dafür will ich nur ein bisschen Respekt", heißt es in "100%". Klingt nach einem fairen Deal.

Trackliste

  1. 1. Erste Wahl (Intro)
  2. 2. Bigger Better Hotter
  3. 3. Rudeboykings
  4. 4. Zu Viel Von Zu Viel
  5. 5. 100%
  6. 6. Wir Werden Nicht Verstummen
  7. 7. Fantastisch
  8. 8. Champions
  9. 9. Gib Gas
  10. 10. Brennt Ihn Ab
  11. 11. Schau Dir Die Welt An
  12. 12. Spassverderber
  13. 13. No War
  14. 14. Gangsta
  15. 15. Conqueror
  16. 16. Smooth Smooth
  17. 17. Na Und

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