laut.de-Kritik
Glanzlichter aus der Dunkelkammer.
Review von Sven Kabelitz"We're running out of time." Deutlicher könnte es Rønnenfelt, Sänger der dänischen Punk-Band Iceage, in "Awake" nicht darlegen. Wie um dies zu untermauern braucht "You're Nothing", das zweite Album der Dänen, gerade mal achtundzwanzig Minuten für zwölf Lieder. Über eine Vesper braucht auf diesem Trip der Zerstörung, dieser Kakophonie, gar nicht erst nachgedacht zu werden. Die Käsestulle bleibt zu Hause. Wir haben doch keine Zeit!
Mit "New Brigade" haben sich Iceage noch nicht abreagiert. Ganz im Gegenteil. Kalt und herzlos rasen die Bengel, alle Anfang zwanzig, durch die Songs ihres selbst produzierten Zweitlings. Die Kompromisslosigkeit, mit der sie auf "You're Nothing" zu Werke gehen, flößt Respekt ein. Authentische Glanzlichter aus der Dunkelkammer, stilistisch von Black Flag, Dead Kennedys und Joy Division touchiert. Selbsthass bildet das zentrale Thema. Jähzorn und Pein stehen ihm zur Seite.
"But bliss is momentary anyhow / yet worth living for." Bitter und ironisch, fast schon melodisch bricht "Ecstasy" durch eine Mauer aus Gitarren, Schlagzeugchaos und ständigen Tempowechseln. Bis zum Refrain könnte der Track als schmirgelpapierraues Shoegazing durchgehen, doch dann bricht dieser in einer Mischung aus Angst und Terror aus. "Pressure, pressure / oh God no / I can’t take this pressure!"
"Morals", zum Teil basierend auf dem alten Gassenhauer "L'Utima Occasione" der italienischen Sängerin Mina, kommt wohl den Vorstellungen einer Iceage-Ballade am nächsten. Ein monotoner, stechender Schmerz, dessen elegisches Klavier Marschrhythmen unterstützen. "If I could leave my body then I would / bleed into a lake / dashing away / disappear." Der Aufruhr des Anti-Chorus bläst jeglichen Funken Hoffnung abrupt aus und zersetzt sämtliche Möglichkeiten auf Trost. Wir stinken allesamt wie die Pest. "Where's your moral?"
Ohne Rücksicht auf Verluste preschen Iceage auf wütenden Riffs durch "In Haze". "This is the speed of youth." Ja, ich kann mich dunkel entsinnen. Ihre Direktheit und der unterschwellige Wahnsinn erinnert an die Metal Circus-Ära von Hüsker Dü. Auf den Spuren von Fugazi reitet "Burning Hand" in den bevorstehenden Abgrund. In "Rodfaestet" singt Rønnenfelt erstmals dänisch, was bei seinem ansonsten stark ausgeprägten Akzent, der "You're Nothing" nur noch spröder wirken lässt, kaum auffällt.
Im Gegensatz zum oft noch leicht zerfahrenen "New Brigade", klingen Iceage mit dem Nachfolger in sich stimmiger und abgeschlossen. Längst haben sie sich in ihrer nasskalten Welt des Scheiterns, der Ohnmacht und der Resignation heimelig eingerichtet und gleichzeitig das Tempo forciert. So gelingt der zweite Gang der dänischen Delikatessen noch schmackhafter. Wir danken wie besessen für dieses tolle Fressen.
3 Kommentare
What Killed The Dinosaurs? The Ice Age
http://youtu.be/qQRWfxkCdU4
Yeah! Mies gespielte, großartige Musik.
Das bringst du gut auf den Punkt. So was Schräges hört man nicht alle Tage. Aber interessant.