laut.de-Kritik

Wenn das Duracell-Häschen zur lahmen Schnecke wird.

Review von

Das Leben ist 'ne dumme Sau! Schicksalsschläge pflastern den eh schon holprigen Weg. Das, was die Gesellschaft ohnehin schon versaut hat, wird noch mit Füßen getreten. Eben noch auf dem roten Teppich - schwupps, sitzt man am nächsten Tag auf der Straße. Aber hey, jetzt erst recht. Hoch die Fäuste und mit Gleichgesinnten ordentlich abfeiern: Idles sind dein Freund und Helfer!

Über Ungerechtigkeiten haben die fünf Jungs aus Bristol so einiges zu berichten. "Brutalism" heißt ihr Album und trifft dich mitten in die Fresse. Klingt brutal? Das soll es auch, aber hier droht keiner mit Gewalt, sondern mit 13 knallharten Punkrock-Songs, die von Scheinheiligkeiten, Unwahrheiten und dem verdammten Brexit-Shit handeln! Unverkrampft und stets bereit für offensiven Körperkontakt.

Ob Punk, Postpunk oder Krawall-Shit, die volle Dröhnung Rotz'n'Roll beginnt gleich mit "Heel/Heal". Und ab da weiß man, was für ein Tempo Sänger Joe Talbott und seine Burschen an den Tag legen. Das Duracell-Häschen ist dagegen 'ne lahme Schnecke! Wutgewandte Worte und heftige Schläge ballern einem um die Ohren ("Date Night").

Talbot keift seinen Kummer aggressiv in die Ach-so-schöne-Welt da draußen. Und man nimmt ihm die Wut sofort ab. Auch seine Kumpels Adam Devonshire (Bass-Berserker), Mark Bowen und Lee Kirnan (Gitarren-Schweißbretter) und Jon Beavis (Trommel-Maschine) lassen ihre Instrumente sprechen und spielen, als würde sie der Teufel holen. Krachende Emotionen, die nicht nur der Queen schlaflose Nächte bereiten. Die britische Gesellschaft, der Untergang des nationalen Gesundheitssystems (NHS), Arbeitslosigkeit ... alles wird von Idles thematisiert und durch die Mangel gedreht ("Faith In The City").

Der Frust muss raus, und bevor man einem in die Fresse haut, kloppt man lieber derbe Töne raus. Idles schaffen das mit Wumms und Melodie. Songs, wie "Stendhal Syndrom" oder "Well Done" mutieren zu Rumpel-Hits. Refrains kann man gleich mitsingen: "I'd rather cut my nose off, to spite my face".

Ähnlich wie die Sleaford Mods („English Tapas“) bereichern Idles mit ihren Motz-Hymnen die Musikwelt. Genauso erobern Fat White Family das Genre mit Pulle und Stil für sich und setzen neue Akzente.

Eierkuchen hat dabei nichts verloren: Brexit, May und Hundekacke sind die Themen. Die Herren haben schon einige Scheiße mitgemacht. Der Tod ist da leider auch ein ständiger Begleiter. Talbotts Mutter hörte das fertige Album nicht mehr: Sie starb an Krebs. Auf dem Cover sieht man ihr Porträt. Das Bild hängt über einem selbstgebauten Altar und verdeutlicht die Konfrontation eines Künstlers mit der brutalen Realität des Lebens.

Idles erfinden den Punk nicht neu, bringen ihn aber voller Energie auf Platte und Bühne - zumindest erahnt man die Dynamik eines ihrer Livegigs. Ist man aber erst mal mittendrin, versteht man die Message der Band noch besser. Idles verschmelzen mit ihrem Publikum und werfen sich bevorzugt in die schweißnasse Menge. Vor allem Gitarrist Mark Bowen mischt sich von Anfang an ins Getümmel. Sollte man dabei einen Fuß abbekommen, ist das mit Sicherheit keine Ab,sicht sondern pures Adrenalin: Wir sind ein Teil von euch!

Merke: "Jeder der sich normal fühlt, ist ein Arschloch" (Guillermo del Toro). Also, sei kein Arschloch und hör mehr Idles und natürlich auch Pisse und Sleaford Mods, sowieso. Amen!

Trackliste

  1. 1. Heel/Heal
  2. 2. Well Done
  3. 3. Mother
  4. 4. Date Night
  5. 5. Faith In The City
  6. 6. 1049 Gotho
  7. 7. Divide And Conquer
  8. 8. Rachel Khoo
  9. 9. Stendhal Syndrome
  10. 10. Exeter
  11. 11. Benzocaine
  12. 12. White White Privilege
  13. 13. Slow Savage

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