laut.de-Kritik
Die Schweiz bläst zum Angriff auf den Soul-Markt.
Review von Sven Kabelitz"I grew up in a little town, playing on the streets / My brother tought me what i needed to know about rhymes and beats / Daddy collected Rhythm and Blues / Mama gave me her dancing shoes." Die ersten Worte auf Ira Mays "The Spell" geben die Richtung nur all zu deutlich an. Ihre Familie hat ganze Arbeit geleistet. Was die Schweizerin auf ihrem Debüt liefert, hat durchaus Hand, Herz und den ein oder anderen wippenden, manchmal gar tanzenden Fuß.
Mit der Hilfe des deutschen Produzenten Shuko, der sich sonst um Fler, Sido, Cro oder den Brüllaffen Tony D kümmert, gelingt ein Gemisch aus Soul, Pop und Off-Beat. "The Spell" bietet alle typische und wohlbekannten Zutaten, die wir im letzten Jahrzehnt aus der englischen Soul-Szene kennen. Die aufbrausenden Bläser, grantelnden Bässe, vibrierenden Hammondorgeln und zuckersüßen Streicher-Arragements. Über all dies gebietet Mays temperamentvolle Stimme.
Aus ihrem größten Geschenk, ihrem eindringlichen Timbre, erwächst aber auch ihr größter Schwachpunkt, denn immer wieder kämpfen sich Vergleiche zu anderen Sängerinnen des Genres in den Vordergrund. Mal klingt sie wie Adele, sehr häufig wie Amy Winehouse ("Talking Again", "No Doubt"), zum Glück nie wie Duffy.
So kommt "The Spell" einem Kassensturz gleich. Ein Soul-Best Of der vergangenen Jahre. Meist findet man in Ira May eine andere Person, zu unscharf bleibt ihre eigene Silhouette. Auf der anderen Seite gibt es Schlimmeres, als wie eine Ansammlung einiger der besten Sängerinnen des letzten Jahrzehnts zu klingen.
Ganz auf sich alleine gestellt bleibt Ira May auf ihrem Erstling nicht. Im fluffigen und voll blendendem Sonnenschein gepackten Rocksteady-Track "No Doubt" steht ihr der britische Rapper Ty zur Seite. Für die Album-Fassung von "Lonely" kam R.A. The Rugged Man leider zu spät. Sein Feature findet sich jedoch auf der Single des Songs. Macht euch schnell auf die Suche nach diesem kleinen Leckerbissen.
Das eigentliche Highlight bietet jedoch der Titeltrack "The Spell". Ein verrauchtes Schlagzeug und verruchte Streicher bündeln sich mitsamt Mays einnehmender Stimme zu einer undurchdringlichen und nächtlichen Atmosphäre voller Herzschmerz. "Talking Again" lässt erfolgreich den Geist der alter Motown-Scheiben aufleben.
Die beiden abschließenden Balladen "Love Me" und "One Day", nur unterbrochen von der antreibenden Uptempo-Nummer "Little Princess", unterstreichen noch einmal Mays Stimmgewalt. Beide verfügen über alle Ingredienzien für die ganz große Ballade, jedoch geht ihnen leider auf halben Weg die Luft aus.
Grundsätzlich machen May und Shuko bei ihrem Startschuss alles richtig. Manchmal basteln sie ihre Legosteinchen zu sehr zu einem vorgegebenen Bild zusammen, anstatt eigene Wege zu gehen. Aber Obacht: Die neutrale Schweiz ruft mit "The Spell" zu den Waffen und zum Angriff auf den weltweiten Soul-Markt auf.
3 Kommentare
Sollte man sich wohl mal anhören.
Das Plattencover ist jedenfalls schon mal unglaublich schön.
Hab noch nicht reingehört, Review auch nur überflogen, aber:
Muss es denn immer wieder Motown sein? Langsam ödet es mich echt an.. es wagt heute kaum noch einer Experimente im Soulbereich.
Das Cover ist im Baroness-Stil, aber zur Hölle falsche Musikrichtung.