7. Mai 2015

"Wenn man sich einfach mal an einen Tisch setzen würde!"

Interview geführt von

Untereinander sind sie sich immer noch nicht grün, doch Isar ist cool mit allen. Deswegen klappt das auch, mit der Bassboxxx-Reunion. Außerdem erzählt er über Rapper wie Sand am Meer, die Rückkehr der alten Hasen, die Abkehr vom Gangstarap und Frankenstein-Projekte.

Am 15. Mai veröffentlicht Isar nach längerer Pause "Streifzug". Darauf enthalten: ein gemeinsamer Track der Bassboxxx-Crew, deren Wege sich vor Jahren nicht gerade friedlich trennten. Uns interessiert natürlich brennend, wie es der "Berliner Bär" geschafft hat, die teils gründlich zerstrittenen Beteiligten ausreichend friedlich im Studio zu versammeln. Bei der Gelegenheit fragen wir auch gleich, wie es ihm in der Zwischenzeit sonst so ergangen ist und natürlich, was das neue Album verspricht. Immer vorausgesetzt, Isar hat schon Betriebstemperatur erreicht.

14 Uhr. Hoffentlich ist dir der Termin nicht zu früh. "Jeden Morgen schlechte Laune", heißt es in "Dis Is Der Lifestyle". Bist du ein Morgenmuffel?

Ja, ein ganz, ganz mieser Morgenmuffel. Ich bin komischerweise wirklich schlecht gelaunt, morgens. Da geht einfach gar nichts. Ich brauch' auch, das ist kein Witz, das hab' ich im Text auch erwähnt: "Espresso, sechs davon, für die Nerven." Ich knall' mir wirklich jeden Morgen einen sechsfachen Espresso. Mega-ungesund, aber lecker. Und gut für die Nerven! (Lacht)

Du bist demnach eher nachtaktiv?

Ich bin auch nicht wirklich nachtaktiv. Ich brauch' nur lange, um in den Tag zu starten. Ich bin halt so ein Schlafmensch, weißte? Wenn ich nicht geschlafen hab' ... Ich brauch' immer viel Schlaf. Unter sieben Stunden geht bei mir überhaupt nichts, dann kannste mich in die Ecke stellen. Wenn ich dann wach bin, kann ich auch nichts essen, morgens. Ich brauch' einfach 'n Kaffee und zwei Stunden, damit ich wirklich am Start bin.

An anderer Stelle sagst du: "Am Ende der Dämmerung wartet die Kreativität auf mich." Heißt das, du schreibst nachts?

Ich schreib' nur nachts. Definitiv. Am Tag geht bei mir nichts. Ich kann nur schreiben, wenn ich zur Ruhe gekommen bin, wenn die Termine vom Tag erledigt sind. Das ist dann einfach meistens nachts. Ich hab' unter der Woche auch sehr, sehr viel zu tun. Natürlich schreib' ich auch unter der Woche. Aber hauptsächlich, sagen wir mal so zu achtzig Prozent, schreib' ich am Wochenende, und dann nachts.

Auch, weil man da weniger abgelenkt wird?

Ja, ganz genau. Die ganzen Außengeräusche, das ist alles durch. Alle Leute schlafen. Keiner stresst dich mehr. Kein Telefon, das mehr klingelt. Das ist halt auch so 'ne Sache, weißte? Wenn du gerade einen Text schreibst und du musst aber trotzdem irgendwie erreichbar sein. Dein Telefon klingelt. Dann telefonierst du zwei Minuten ... Ich bin eh jemand, der sich schwer konzentrieren kann, über 'ne lange Dauer: Dann bin ich wieder aus dem Fluss. Ich brauch' das. Mittlerweile, wenn ich Texte schreib', stell' ich mein Handy auf stumm. Und dann beschweren sich auch immer irgendwie alle. Aber ich kanns ja nicht allen recht machen. Ich muss ja gucken, dass das Ding fertig wird.

Ich gehör' zu diesen alten Leuten, die sich an die seligen Bassboxxx-Tage noch erinnern können. Als ich die erste Ankündigung für dieses "Bassboxxx Clique"-Video gesehen habe, hab' ich mir zweierlei gedacht. Erstmal: Bitte?! Ich hab' echt nicht damit gerechnet, dass da nochmal irgendwas kommt. Dann: Bittebitte, lass' es gut sein. Ich wollte es einfach nicht nur aus Nostalgiegründen mögen müssen.

Ja.

Eure Wege haben sich damals nicht ganz ohne böses Blut getrennt. Wie hast du geschafft, die alle wieder auf eine Linie zu bringen?

Ich bin cool mit allen. Ich glaub', das ist der Hauptgrund. Eigentlich ist das der ausschlaggebende Grund: dass ich wirklich entspannt mit jedem aus der Crew bin. Ich hatte keinen Beef. Ich hatte noch nie Beef mit irgendjemandem von denen. Ich weiß es, ehrlich gesagt, gar nicht so ganz richtig, aber ich bin, glaub' ich, als zehntes Mitglied, und somit als einer der letzten zu Bassboxxx gekommen. Ich war immer cool mit allen, und das war eben eine Sache, die kommt von mir, weißte? Es war natürlich so, dass einige aus der Bassboxxx gesagt haben: 'Nee, eigentlich ungerne, weil der ist mit dabei.' Dann meinte ich halt: 'Ey, guck' mal, aber du machst es für mich, nicht für ihn. Nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen, dann kann das was werden.' Dann haben sich wirklich alle zusammengerauft, haben gesagt: 'Cool, für dich gerne', und dann ist ein Bombending dabei entstanden, auf das ich wirklich sehr stolz bin.

Du warst in diese ganzen zwischenmenschlichen Querelen damals also gar nicht so stark involviert?

Na, ja. Ich war involviert. Natürlich war ich involviert. Aber ich hab' mich da rausgenommen. Ich hab' einfach nicht mitgemacht. Ich hab' keine Stellung bezogen, hab' mich auf keine Partei eingelassen. Ich hab' nicht gesagt: 'Ich steh' jetzt hinter ihm oder hinter ihm.' Ich hab' einfach immer gesagt: 'Ey, guck' mal, ich kann dich leiden, und ich kann dich leiden. Was ihr beide miteinander habt, das tut mir leid, aber da hab' ich nix mit zu tun.' Ein gutes Beispiel ist auch das "Fick M.O.R."-Album: Da hab' ich halt auch gesagt: 'Ey, guck' mal, ich kann Savas leiden!' Warum soll ich mich meiner Crew anschließen, obwohl das meine Crew ist, wenn ich den Gegner gar nicht ... hasse, sag' ich jetzt mal. Oder nicht nicht mag. Da hab' ich mich dann auch rausgenommen, aus der ganzen Geschichte. Ich glaube, das war auch ein Grund dafür, dass Savas dann später einen Track mit mir für "Berliner Bär" gemacht hat.

Möglich. Mit denen, die einem ans Bein gepisst haben, arbeitet man ja nicht so gerne.

Nö, eher nicht, ne? Würd' ich auch sagen. Ganz ehrlich, Alter? Ich pinkel' dir auch ans Bein, wenn du Faxen mit mir machst. Aber ich pinkel' dir sehr, sehr, sehr ungerne ans Bein, wenn alles cool ist. Ich bin nicht so dieser Beef-Typ. Ich hab' darauf gar keinen Bock.

Beef als sportliche Angelegenheit kommt für dich nicht in die Tüte?

Nee, das ist für mich echt schwer. Wenn Beef ist, dann ist wirklich Beef. Ich kann das nicht wirklich trennen. Ich kann das nicht, mit diesem 'privat' und 'sportlich gesehen' und so weiter ... Wenn mich einer beleidigt, Alter, dann ... am liebsten würd' ich dem aufs Maul hauen! Das einfach textlich zu klären ... Natürlich macht man das dann. Weil das ist natürlich die Art von Hip Hop: sich zu battlen. Aber zum Glück hat mich noch niemand gedisst. Ich hoffe, das wird nicht passieren. Ich möchte mir auch nicht durch Dissereien oder irgendsoeinen Scheiß einen Namen machen oder mich hochziehen, an irgendjemandem. Deswegen ist bisher alles ganz gut gelaufen.

Es klingt an mehreren Stellen durch: Das Streben nach Ruhm scheint ja ohnehin nicht unbedingt deinen Hauptantrieb darzustellen.

Nee, überhaupt nicht. Gar nicht. Ich mach' diese ganze Musik-Sache natürlich definitiv auch für die Hörer, aber nicht aus Geldgründen oder irgendwie sowas. Ich möcht' einfach Musik machen.

Nochmal zurück zu dem Bassboxxx-Ding. Was du erzählt hast, klingt, als sei das Verhältnis untereinander immer noch nicht ganz entspannt.

Es ist nicht ganz entspannt, nee. Es gibt mit Sicherheit Reibereien zwischen einigen. Aber das ist jetzt auch nicht schlimm oder so. Ich glaube, wenn man sich einfach mal zusammen an einen Tisch setzen würde ... Das Schwierige daran wäre, sich zusammen an den Tisch zu setzen. (Lacht) Wenn man das dann schaffen würde, könnte man, glaub' ich, auch direkt die Probleme aus dem Weg räumen.

Wenn die erst alle sitzen würden, würde es gehen?

(Seufzt) Ich glaube schon. Ich weiß es natürlich auch nicht zu hundert Prozent. Aber ich würde mal davon ausgehen.

Sind ja auch alle älter und reifer geworden ...

Ich kann ja als Schlichter fungieren. (Lacht) Ich setz' mich dann in die Mitte und sag': 'Sooo, wie denkst du denn jetzt über die Sache?' 'Und wie denkst du über die Sache? Was hast du von dem mitgenommen, das er dir gesagt hat?' (Lacht) Sowas.

Bitte filmen. Das würde ich angucken.

Ja, das glaub' ich. Aber ich glaube, das zu filmen, wäre kontraproduktiv. Weil die Leute sich immer gleich anders geben, wenn sie gefilmt werden. Weißte?

Logo. Was ihr tatsächlich gefilmt habt: Ich hab' mir gerade noch das Making-Of zu dem Bassboxxx-Video angeschaut und mich echt weggeschmissen. Sieht aus, als hättet ihr beim Dreh mächtig Spaß gehabt.

Ey, das war einfach un-fass-bar schön. Hier gleich auch bittebitte nochmal ganz fette Grüße an Vers, der das Video produziert und geschnitten hat und die ganze Zeit hinter mir steht.

Schade, dass es so kurz war. Besteht die Chance auf einen zweiten Making-Of-Teil?

Ich weiß nicht. Ich glaube, das waren schon die geilsten Ausschnitte, auf jeden Fall. Wenn man Bock auf das Making-Of hat, kann man sich ja gerne auch nochmal die ganzen Bassboxxx-Trailer angucken. Ich glaube, es waren acht. Da sind natürlich auch einige Brüller dabei. Wenn man sich mal den Trailer von Bogy anguckt … dann weiß jeder Bescheid, auf jeden Fall.

"Immer noch ist einer von uns deine persönliche Eins", rappst du da in deinem Part. Bist du beleidigt, wenn ich dir sage, dass das bei mir immer irgendwie Basstard oder Mach One waren?

Nee. Das freut mich voll! Ganz ehrlich, das ist total gut! Ich bin ja auch ein Mach One- und ein Basstard-Fan. Ich hab' die beiden gern. Es ist doch schön, wenn wirklich einer von uns für dich die Nummer eins ist. Das freut mich doch!

Nachdem ich "Streifzug" gehört hab', bin ich mir gar nicht mehr so sicher, warum ich dich nie so richtig auf dem Schirm hatte. "Ich platz' mal wieder rein, dachte, ich dropp' ein paar Lines." Das ist schön. Aber warum gerade jetzt?

Weil die Zeit gekommen ist. Weil ich dachte: Gut, Album is' fertig. Hauen wir mal raus, jetzt. (Lacht)

Okay, dann anders gefragt: Wieso hat das so lange gedauert?

Ja, ich war echt viel beschäftigt. Ich hatte viel zu tun mit meinem Beruf, mit meiner Arbeit, meiner Ausbildung. Ich hab' natürlich Musik gemacht, konnte mich aber nicht wirklich zu hundert Prozent darauf fokussieren, ein Album rauszubringen.

Man kann den Text von "Schuldig" - zumindest, was die Ausbildungsgeschichte betrifft - also als einigermaßen autobiografisch betrachten?

"Schuldig" ist 'ne absolute Autobiografie, ja.

Ehrlich gesagt, weiß ich überhaupt nicht, womit du dein Geld verdienst.

Ich bin Erzieher.

Ach, was. Noch einer!

Wer denn noch? Ich weiß es von Laas Unltd.

Oder Hammer & Zirkel. Ich hab' das Gefühl, alle, die nicht Koch sind, sind Erzieher. Aber im Deutschrap-Kindergarten werden die ja dringend gebraucht.

Auf jeden Fall. Mehr als dringend.

"Basstard, ich liebe dich!"

Interessiert dich denn, was im Sandkasten der deutschen Rap-Szene so abgeht?

Das interessiert mich mega. Ich bin absoluter Deutschrap-Fan, vor allem auch, wenn es um diese ganzen Interviews geht. Ich hör' natürlich auch gerne Musik, selbstverständlich. Aber ich muss ehrlich sagen, ich setz' mich lieber an den Rechner und guck' mir ein Interview an.

Will meinen, dich interessiert neben der Musik schon auch der ganze zwischenmenschliche Hickhack?

Ja, voll! Jetzt nicht unbedingt dieses ganze Beef-Gedönse, aber definitiv schon. Guck' mal, für mich ist das so: Ich möchte den Menschen kennenlernen, weißte? Wenn ich mir jetzt beispielsweise ein Video von Xatar angucke, also jetzt kein Musikvideo, sondern ein Interview, beispielsweise das, wo er noch im Knast war, mit dieser Frau, die ihn da interviewt hat: Seit diesem Interview feier' ich Xatar! Einfach, weil ich weiß, dass er garantiert ein megakorrekter Typ ist. Vorher wusste ich das einfach nicht. Das ist für mich einfach wichtig: Wenn ich Musik höre und weiß: Ey, der Typ ist korrekt, dann hör' ich die Musik auch wirklich voll gerne. Wenn ich aber weiß: Eigentlich ist der Typ 'n Arsch, dann kann ich das nicht wirklich trennen. Ich hör' dann auch die Musik nicht, obwohl sie mir bestimmt gefallen würde, wenn ich jetzt nur darauf achte, was der so für Lines droppt und wie seine Vergleiche sind, seine Reimstruktur oder was weiß ich was. Wenn ich weiß: Der ist ein Penner, dann hör' ichs nicht.

Mir gehts halt oft so, dass ich mir denke: Mann, der und der, das ist so ein Übersympath - und die Musik find' ich halt trotzdem nur so mittel.

Ja, ja, klar, ich weiß. Das kanns natürlich auch geben. Aber dann kannst du dich eben hinsetzen und diesen Künstler unterstützen, indem du beispielsweise seine Videos guckst. Seine Interviews oder so. Wenn dir die Mucke nicht gefällt. Da hat der trotzdem was davon, wenn du seine Interviews klickst.

Du bist also voll auf dem Laufenden, was gerade so geht?

Ich glaube, ja. Ich weiß es nicht so ganz genau. Aber ich glaube. Es gibt natürlich immer wieder Situationen, wo mir jemand sagt: 'Hast du das und das gehört?', und ich dann: 'Hä?' Also nicht nur, dass ich das und das nicht gehört habe. Ich hab' noch niemals von dem Künstler gehört! (Lacht) Das ist immer sehr komisch, weil ich schon denke, dass ich auf dem Stand bin.

Es gibt aber auch so viele. Nur normal, dass man ständig welche verpasst. Man hat ja nebenbei auch noch ein Leben zu führen.

Das ist definitiv wahr. Es gibt unfassbar viele Rapper. Wie Sand am Meer, wirklich. Bestimmt sechzig, siebzig Prozent mehr, als es damals zu "Berliner Bär"-Zeiten gab.

"Es gibt tausend Rapper, aber keinen mehr wie mich." Fühlst du dich als Vertreter einer aussterbenden Art?

Äh ... nee, nicht unbedingt. Ich glaub' nicht, dass das 'ne aussterbende Art ist. Ich glaube eher, dass Rap sich in den nächsten Jahren noch stärker etablieren wird. Was ja jetzt auch schon der Fall ist. Damals war ja Berlin sehr groß. Jetzt kommen beispielsweise die Frankfurter. Oder die Hamburger. Hamburg hatte ja mal seine Zeit, dann wars Berlin. Jetzt sind es natürlich sehr viele: Rap bestimmt immer mehr. Ich glaube nicht, dass Rapper 'ne aussterbende Art sind. Ich glaube aber, dass ich ein Vertreter bin.

Zur Zeit kriechen eh die ganzen uralten Hasen wieder aus der Versenkung.

Ja.

Hast du 'ne Erklärung dafür?

Nö. (Allgemeines Gelächter) Ich weiß wirklich nicht. Ich glaube, irgendjemand hat damit angefangen. Keine Ahnung wer. Vielleicht wars Fler. Vielleicht wars Bushido. Vielleicht wars Curse. Ich weiß gar nicht, wer von denen als erster gekommen ist.

Na, Fler war ja nie weg. Von dem kommt doch gefühlt mindestens alle sechs Monate ein Album.

Ja, ich meine jetzt aber was anderes: Bushido hat jetzt beispielsweise sein "CCN"-Ding rausgebracht, das sehr nach damals geklungen hat. Fler hat sein "Frank White"-Ding rausgebracht, das auch sehr nach damals geklungen hat. Curse hat sich nach einer Ewigkeit wieder. Das sind ja so die alten Haudegen.

Curse hat aber gar nicht geklungen wie damals. Leider.

Nee, Curse nicht. Aber Curse hat, glaub' ich, auch gar nicht versucht, es so klingen zu lassen wie früher. Nur: Wenn Curse kommt, dann denkt man: 'Ach, da war ja mal was, früher.' So ist das zumindest für mich gewesen. Die ganzen alten Hasen kommen jetzt auf jeden Fall wieder aus ihren Löchern gekrochen. Die Hälfte von denen macht jetzt halt so auf Ich-dropp'-jetzt-Mucke-wie-früher, weil es funktioniert wohl gerade ganz gut. Bei mir war das jetzt nicht unbedingt ein Plan der Promo. Diese Bassboxxx-Geschichte war für mich auf jeden Fall volle Kanne 'ne Herzensangelegenheit, die ich einfach mit draufhaben musste. Wie du vielleicht gemerkt hast, kommt der Bassboxxx-Song auch nach dem Outro, weil er einfach nicht so hundertprozentig aufs Album passt, thematisch. Ich weiß nicht! Vielleicht hat irgendjemand damit angefangen, mit diesem So-klingen-wie-früher-Modus, und die anderen haben sich angeschlossen. Läuft ja ganz gut.

Basstard bringt im Juni jetzt endlich auch wieder ein Album. Auch wieder so ein Ding, von dem ich inständig hoffe, dass es gut wird.

Ich durfte schon reinhören. Ich find' es unfassbar gut. "Meister Der Zeremonie", auch richtig geiles Video. Wirklich ganz, ganz krassen Respekt und Hut ab vor Basstard! Basstard, wenn du das hörst: Ich liebe dich, Bruder!

Er wird es lesen müssen.

Achso, richtig, ja: Wenn du das liest! (Lacht) Ich freu' mich wirklich sehr auf das neue Basstard-Album. Ich hoffe ganz, ganz, ganz, ganz doll, dass das Ding endlich mal wirklichen Anklang findet, also nicht nur hier so 'Basstard hat mal wieder war gemacht', und in seiner stinknormalen Fanbase - er hat ja schon 'ne Fanbase! - kaufen das alle. Sondern ich hoffe, dass das endlich mal darüber hinaus auch wirklich groß wird. Genauso bei Bogy.

Das hoff' ich auch für dich, übrigens. In einem Interview, das auch so aus "Berliner Bär"-Zeiten stammen dürfte, hast du gesagt, du findest, der deutsche Hip Hop gleiche sich immer mehr dem amerikanischen an. Würdest du das heute immer noch unterschreiben?

(Überlegt) Ich weiß es nicht mehr so ganz genau. Ich muss dazu sagen: Ich bin zwar schon auf dem Stand, aber nicht, was jetzt so ganz viele Künstler anbelangt. Ich weiß gerade von ein paar Namen, von sieben, acht, neun, zehn Rappern, die die Musik machen, wie so deren Beats klingen und wie sich das alles so anhört. Da ist das schon auf jeden Fall so, dass sich das schon nach Ami-Mucke anhört. Was ich jetzt aber auch nicht schlecht finde. Ich meine: Wir wissen ja, wo der ganze Hip Hop-Kram herkommt. Warum nicht versuchen, so zu klingen wie die? Die machen das ja echt geil. Im Auto hör' ich zwar auch Deutschrap, aber hauptsächlich Ami-Mucke. Dann denk ich mir auch: Alter! Wie kriegen die so 'ne Beats hin? Ist doch unnormal! Wenn dann irgendein Produzent um die Ecke kommt und sagt: 'Ey, guck' mal, ich kann das auch!', dann nehm' ich den mit Handkuss.

Bei "Berliner Bär" hast du damals nichts selbst produziert. Du hast vielmehr gesagt, Beats-Bauen hätte dich nie beschäftigt. Wie sah das jetzt bei "Streifzug" aus?

Ich hab' nichts selbst produziert, nee. "Streifzug" wurde produziert von Kevin, Kev Beats. Fünf Beats sind von B-Lash, einer ist von Djorkaeff. Bei zwei Beats, die Kevin produziert hat, hat Nico von K.I.Z. mitgewirkt, bei dem einen mehr, bei dem anderen 'n bisschen weniger. Bei "Dis Is Der Lifestyle" hat Nico mitgemacht. Bei "Wettschein", dem Feature mit K.I.Z., hat er sogar sehr viel am Beat gemacht. Bei achtzig Prozent der Beats von Kev hab' ich natürlich auch mit dabei gesessen und wir haben das Ding schon so halbwegs gemeinsam gemacht. Er haut einen Sound raus, ich mein': 'Ey, die Melodie is' Bombe, aber nimm' mal vielleicht 'n anderen Ton oder irgendwie sowas', weißte? So hat das immer sehr gut funktioniert. Wir waren gut aufeinander eingespielt. So macht das natürlich auch total Spaß. Es ist natürlich was anderes, als wenn du 'nen fertigen Beat bekommst. Wobei ich auch wieder sagen muss: B-Lash hat mir einen Beat gegeben, einfach so, innerhalb von ein paar Tagen, der schlicht alles zerstört hat. Ich hatte gar nichts dazu gesagt, dann hab' ich den bekommen und dachte, ich fall' aus allen Wolken, irgendwie. Aber es ist ein anderer Prozess, wenn du im Studio mit dabei bist und den Beat wirklich so schneidern kannst, wie du ihn haben möchtest.

Hast du zuerst die Texte fertig? Du hast eine Idee, wo es inhaltlich hingehen soll, und ihr bastelt dann den Beat dazu? Oder kann auch passieren, dass du irgendein Brett kriegst, von dem du dir denkst: Dazu muss ich mir jetzt was einfallen lassen?

Beides. Es kann passieren, dass ich ein Brett kriege und sage: Alter Schalter! Ich muss jetzt sofort irgendwas dazu schreiben, sonst war mein Tag umsonst! Da kommen auf jeden Fall immer richtig geile Dinger dabei raus. Hauptsächlich aber, sagen wir mal so zu siebzig Prozent ungefähr, schreib' ich auf amerikanische Beats. Die ganzen Ami-Rapper bringen ja alle, wie die Deutschen jetzt auch, Instrumental-CDs raus. Ich hör' viel Ami-Mucke. Dann find' ich einen Beat ganz geil. Dann check' ich ab, ob es ein Instrumental davon gibt. Darauf schreib' ich dann meinen Song und lass' dann später einen Beat drum-produzieren. Das nennt man wohl Frankenstein-Projekt.

Auch 'ne Strategie.

Du kannst dich voll auslassen. Es ist ja selbstverständlich, dass man nur schreiben kann, wenn einen der Beat inspiriert. Es ist einfach immer schwer, zum Produzenten zu gehen und zu sagen: 'Ey, Digger, gib mal dreißig Beats, bitte! Ich pick' mir mal irgendwie drei.' Da hör' ich mir einfach ein Ami-Album an und sag': 'Alter, der Beat ist einfach krass.' Dann schreib' ich was auf diesen Beat. Da wissen die Produzenten auch immer sofort, wie die Atmosphäre von dem Song ist, was da für Gefühle transportiert werden, und können sich dann natürlich immer sehr gut an mein Lied anpassen und dann halt einen Beat drumbasteln, der jetzt nicht so klingt wie der Ami-Beat, aber der schon die Gefühle transportiert und die Atmosphäre beibehält. Das ist ganz wichtig.

"Ich geb' Vollgas"

Wenn man jetzt mal von den Beats auf die Texte schwenkt: Das ganze Album wirkt von der Grundstimmung her unglaublich aufgeräumt. Du klingst zufrieden, aber trotzdem nicht satt.

Ja. Ja! Das hast du wirklich gut beschrieben: Ich bin zu einhundert Prozent zufrieden mit meinem Leben, mit meinem Lifestyle, meinem Gefühl, meinem Umfeld und allem Drum und Dran. Allerdings bin ich absolut nicht satt. Ich hab' gerade wirklich erst das Gefühl: Jetzt gehts einfach nochmal komplett von vorne los, und ich geb' Vollgas.

"Gangstarap ist für mich vorbei. Ich sprech' über mein Leben." Das ist jetzt aber nicht neu. Über dein Leben hast du ja vorher auch schon erzählt.

Ja, auf jeden Fall. Aber ich hab' mir damals auch mal "Berliner Bär" angehört und ich könnte jeden verstehen, der mir sagt: 'Das ist ein Gangstarap-Album.' Es ist halt sehr hart gewesen, sehr auf-die-Fresse, sehr ich-bin-der-Allerkrasseste-und-fick'-alle-anderen. Davon ist auf "Streifzug" nicht mehr viel zu hören. Ab und zu, gerade am Anfang, noch ein bisschen, aber dann merkt man, glaub' ich, dass ich mich sehr auf mich besinne und versuche, den Leuten zu erzählen, wer ich eigentlich wirklich bin.

"Hör' doch mal, wie einfach das klingt." Ist es tatsächlich das ganze Geheimnis, sich nicht verbiegen zu lassen?

(Überlegt) Bestimmt auch. Ich glaub', das Geheimnis ist einfach, die Mucke zu machen, auf die du Bock hast. Dich von diesem ganzen Das-muss-danach-und-danach-klingen loszulösen. Was heißt "verbiegen"? Wenn du Musik machst, die dir gefällt, dann ist das natürlich kein Verbiegen. Wenn dir jemand sagt: 'Ey, guck' mal, lass' das mal ein bisschen mehr nach dem und dem klingen' oder 'Das hört sich ein bisschen zu sehr danach und danach an, mach' doch mal lieber ein bisschen mehr so und so': Wenn man das dann umsetzt, ist das auch nicht wirklich ein Verbiegen. Das ist Kritik, die auch gebraucht wird. Ich brauch' die definitiv. Wahre Freunde - also jetzt nicht irgendwelche Pfosten von der Straße, sondern wirklich Leute, die man lange kennt: Wenn die dir sagen - ich nehm' jetzt mal ein behindertes Beispiel, natürlich rede ich eigentlich eher von meinen Texten und vom Vibe der Musik. Aber wenn die dir sagen: 'Ey, die Snare knallt nicht', dann bastelt man halt 'ne andere Snare rein und merkt: Hey, es funktioniert mit der einfach besser. Das ist dann für mich auch nicht so ein richtiges Verbiegen. Wenn ich mich jetzt, keine Ahnung, textlich ein bisschen umstrukturiere oder versuche, mehr auf die breite Masse zu gehen, bin ich dann ja immer noch ich und mach' immer noch die Musik, die ich machen möchte. Ich glaube, nur so kann die ganze Sache funktionieren. Weil wenn du dich wirklich verbiegen lässt, in dem Sinne, dass dir ein Major vorgibt, wie dein Album zu klingen hat, was du dann sagen darfst und was nicht, dann kann die ganze Chose nur nach hinten losgehen. Beziehungsweise: Vielleicht funktioniert es für Leute da draußen, die das hören möchten, aber es funktioniert nicht mehr für dich selbst. Und wenn meine Musik nicht mehr für mich funktioniert, dann hör' ich auf, Musik zu machen.

Auch, wenn man damit vielleicht Geld machen könnte. Aber Geld, das hatten wir bereits, ist nicht dein Hauptantrieb. "Ich bin nicht auf der Suche nach Ruhm." Wonach dann?

Geld ist nicht mein Hauptantrieb. Aber es ist natürlich ein Faktor, der nicht ausgeschlossen werden kann, da diese ganze Scheiße nur mit Geld funktioniert. Das bedeutet: Wenn du kein Geld hast, kannst du keine Musik machen. Du kannst die Produzenten nicht bezahlen. Du kannst das Artwork nicht bezahlen. Du kannst das Mastering nicht bezahlen. Was auch immer: Du kannst es nicht bezahlen. Mein Wunsch ist es eigentlich nur, dass die Leute meine Musik hören. Das ist mein Wunsch. Ich sags jetzt mal ganz blöde, ehrlich: Ob die das jetzt kaufen oder runterladen: Sie hören es! Natürlich sollen sie es lieber kaufen als runterladen. Aber ich möchte, dass die Leute meine Musik hören. Dazu braucht man auch Geld. Aber mir reicht es, wenn ich meine Kosten decken kann. Das ist so mein Ding. Wenn ich sage: 'Okay, ich hab' so und so viel in das Album gebuttert, das möchte ich dann auch wieder raushaben, damit ich das Gleiche ins nächste Album buttern kann', dann mach' ich das. Andere würden wahrscheinlich sagen: 'Nee, da hab' ich keinen Bock drauf, weil ich verdien' ja damit nix, krieg' kein Plus raus, kann mir davon kein dickes Auto kaufen und die ganze Energie und Zeit und alles, das ich da reingesteckt habe, war ja umsonst.' Ich seh' das anders. Wenn ich bei Null bin, ist alles cool. Und ich weiß, dass die Leute meine Musik hören und feiern. Die Resonanzen zu den ersten Liedern, die jetzt rausgekommen sind, sind unfassbar. Ich freu' mich voll, dass das so Anklang findet.

Topp. In dem Fall wünsch' ich dir, dass du deine Kosten gedeckt kriegst.

(Lacht) Dankesehr.

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