laut.de-Kritik
Kitsch? Nein! Romantik? Absolut!
Review von Ulf KubankeWenn das ungleiche Duo Campbell und Lanegan zum musikalischen Dinner lädt, jubeln die Freunde gehobener Singer-Songwriterkunst jedes Mal wie Schneekönige. Spätestens mit dem inzwischen dritten Album sind Isobel und Mark nicht länger nur prägnante Fußnoten im Genre, sondern eine Institution. Doch ist Skepsis geboten. Überall lauert die Gefahr der künstlerischen Routine, der musikalischen Langeweile. Nicht so bei der Schottin und dem Amerikaner. Mit dem neuen Opus "Hawk" ziehen sie einmal mehr alle Roots-Register von staubig bis betörend.
Weitreichende musikalische Veränderungen darf man indes nicht erwarten. Immer noch pendelt alles zwischen Americana und Chanson; zwischen grob und empfindsam. Sicher ist das letzten Endes eine recht enge künstlerische Schublade. Doch diese richten sich beide mit jeder neuen Platte immer perfekter ein. Wer aufmerksam lauscht, findet den Teufel nicht nur in der Stimme des ehemaligen Screaming Trees Fronters, sondern auch im Detail.
So hat die Fee aus Glasgow erneut für 13 Songs ihren Golem gerufen. Der kam wie immer bereitwillig, ihr sein kehliges Organ zu schenken. Mit "Snake Song" und "No Place To Fall" wagen sich beide erstmalig an zwei Werke der gebeutelten Ikone Townes Van Zandt. Der räudige Liebreiz des Schlangenliedes und die schuhlöchrige Hobo-Seligkeit der Tramperhymne ist dem Vorbild durchaus ebenbürtig. Van Zandt hätte den beiden dafür sicherlich einen Drink spendiert.
Neu ist auch die Prise Soul. "Come Undone" ist vielleicht sogar der allerbeste Song der beiden bis jetzt. Der nur halb gezähmte Unhold löst sich darin - entgegen dem Titel - dann doch nicht gänzlich auf. Ein Funke Wildheit glimmt noch immer gefährlich entzündbar in seinem Schlund. Großartig! Mit "Time Of The Season" gibt es sogar ein waschechtes Weihnachtslied. Während Lanegan wie Lee Marvin ("Wanderin' Star") vor sich hin croont, balsamiert Campbell die Melodie mit einem Gesang wie ätherisches Öl. Kitsch? Nein! Romantik? Absolut!
Doch es geht auch ein wenig rockiger. Das zweideutige Titelstück ist noisig rockender Blues-Swing. "You Won't Let Me Down Again" riecht förmlich nach gegerbtem Leder und Whiskydunst. Das wunderschöne, leicht an Nick Cave und Blixa Bargeld gemahnende, Juwel "Sunrise" rundet das Bild trefflich ab.
Everything changes; nothing changes! Damit machen sie alles richtig. Sie ist endgültig zur Elfe mutiert; er ist vollends bei Waits und dessen Mule Variations angekommen. Es darf gerne das große Drama sein. Pathetisch wird es zum Glück nie. Auch die Lyrics überschreiten die Grenze zwischen Sensibilität und Sentimentalität nicht. In dieser Erkenntnis liegt die ganze künstlerische Kraft des Gespanns. Jeder weiß intuitiv, wieviel Raum der Partner zur stimmlichen Entfaltung braucht. In dieser bestechenden Form wünscht man sich noch viele weitere Kollaborationen. We die and see beauty reign!. Ersteres bitte noch lange nicht!
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