laut.de-Kritik
Eko, Taktloss u.a. zu Gast beim notgeilen Rapterminator.
Review von Philipp GässleinZuerst mal eine gute Nachricht: Jack Orsen hält sich nicht mehr für einen Roboter und behauptet nicht, vom Autofriedhof zu stammen. Der neue Herkunftsort seines Vertrauens ist das Berliner Ghetto, genauer gesagt "Little Antalya" Kreuzberg. Nicht nur, weil es gerade Mode ist, aus dem Ghetto zu kommen, sondern auch, weil seine Gegend noch viel härter ist als Sidos Block.
Zumindest hat man nach Genuss des gleichnamigen Tracks in etwa dieses Gefühl. "Meine Gegend ist die Überschrift, die wir in den Zeitungen lesen. Ich lad dich ein in meinen Hof, du kannst dich gern' mal umsehen. Was du siehst sind Menschen, die kämpfen um zu überleben. Doch du würdest nicht einen Tag in meiner Gegend bestehen." Mit tristem Beat wirkt der Track viel ehrlicher als ähnliche Stücke vom Aggro-Label.
Schon beim ersten Song, "Gangsta Leben", gefällt mir das neue Image deutlich besser als das des ehemaligen apokalyptischen Blechhaufens. Er zitiert aus "Password Swordfish" und betrachtet das Dasein eines Berliner Gangsterrappers durchaus mit einem zwinkernden Auge. Dabei wird relativ klar, dass Orsen seine Skillz im Gegensatz zu M.O.R.s "NLP" gnadenlos verbessern konnte. Dazu liefert Justus eine klasse Hookline, und Taktloss zeigt sich mit Reimen wie "... es gibt zwei Gründe, warum ich dich nicht ernst nehmen kann: 1. Du bist ein Hurensohn und 2. ... deine Mutter ist eine Hure. Du bist das Produkt von zweieinhalb Jahren Inzucht" in Bestform.
Ein witziger Skit, in dem Orsen allen Autogrammjägern die klare Ansage "Ich spiel' kein Fußball, ich spiel' höchstens mit Bitches" vor den Latz knallt. Mit "Milliardär" einen witzigen Übertrack im Stil von "Ich Bin Reich" von den Ärzten. Die teils sehr überzeugenden Beats von Big Bennay und Ronald Mack Donald tun ihr übriges, dass die erste Hälfte des Albums einen sehr positiven Eindruck hinterlässt. Für "Verrückt" konnte er Eko Fresh einen der besten Parts entlocken, die der Most Hated je vom Stapel ließ. "Ich bin crazy, verdammt, wie Busta Rhymes und Slim Shady zusamm'n. Ich renn gegen die Wand. Mein Anwalt ist weg, das letzte, was er mir gesagt hatte, ist, ich gehör' in ne Anstalt gesteckt. Mich langweilte Rap, dann war ich bedrückt, der Arzt erklärte mich ganz klar für verrückt."
Danach rutscht das Niveau der Platte allerdings in eine sprichwörtliche Spalte. Obwohl die Nachwuchsrapper von Chablife und Justus als Featuringpartner noch ein recht passables Bild abliefern, präsentiert sich Jack Orsen im folgenden als nervtötend notgeiler Sack. Den "Casanova"-Skit dürften selbst eingeschworene Savas-Fans widerlich finden, und über "Ficktonic" muss wohl kein weiteres Wort verloren werden, der Titel ist Programm. Mit Ausnahme des Nelly-mäßigen "Mummy", das von Chablife-Mitglied Jaysus produziert wurde, bewegen sich auch die Beats auf äußerst mittelmäßigem Niveau.
Die letzten zwei Tracks der Platte haben, auch wegen eines recht guten Parts vom Beatfabrikler Smexer, wieder das Prädikat wertvoll verdient. Ein Hidden Track verherrlicht gemeinsam mit Taktloss noch den FC Bayern. 14 Tracks, 2 Skits und der von Orsen produzierte Kurzfilm "Ghetto Boys" als Bonus, doch das reicht nicht aus, um die Platte aus der Masse mittelmäßiger Hip Hop-Veröffentlichungen zu reißen. Jack Orsen hat sich stark verbessert, doch den meisten seiner Featuringpartner kann er noch nicht das Wasser reichen. Und das mit seiner krankhaften Sexualität sollte er bis zu seinem nächsten Album auch in den Griff bekommen.
Noch keine Kommentare