laut.de-Kritik
Das Konzept verstehe, wer will.
Review von Laura Sprenger"So ist es wohl kein Zufall, dass es ein Grieche ist, der heute [...] mit seiner eigenen Geschichte daran erinnern wird, welcher Pfad der rechte ist, und welcher der unrechte. Welcher der ehrenhafte, und welcher der unehrenhafte." So ertönt die Stimme im "Intro", die Vielen aus Eko Freshs "1000 Bars" und als Synchronisation von Schauspielgrößen wie Jean-Claude Van Damme und Vin Diesel bekannt sein dürfte. Diesmal jedoch spielt Jaysus die Hauptrolle. Er veröffentlicht mit "Gott Liebt Die Geduldigen" sein fünftes Soloalbum.
Betonte Jaysus auf dem Ende November erschienenen Longplayer noch, Frieden mit der Vergangenheit rund um Kay One und Chablife geschlossen zu haben, veröffentlichte der Friedrichshafener vor wenigen Tagen seinen gut zehnminütigen Disstrack "Tag Des Dümmsten Gesichts", auf dem er mit seinem ehemaligen Weggefährten abrechnet. Doch nicht nur diese Tatsache hinterlässt den Hörer stirnrunzelnd: Die im "Intro" fast lächerlich hochgesteckten Erwartungen erfüllt Jaysus leider nicht.
Der Macht Rap-Gründer verlangt viel von sich selbst, will der "König im Süden" sein und eine "Invasion" starten. Trotz einwandfreier Technik und erkennbaren Storytelling-Skills geht der Schuss nach hinten los. Zu widersprüchlich gestalten sich die Aussagen, zu belanglos die Themen, zu wenig eindringlich die Lyrics, die trotz simpler Wortwahl einfach nicht hängen bleiben wollen. Nur die eine oder andere Hook geistert noch im Kopf herum, bezeugt allerdings nicht unbedingt deren hohe Qualität ("Herz & Kopf", "Ziemlich Beste Freunde").
"Ich schreibe keine Zeilen, ich zitiere das Leben", lässt Jaysus seine Hörer wissen. An seiner Authentizität bestehen keine Zweifel: "Fenster Zum Hof" zeichnet den Weg von der ersten Wohnung in Deutschland, vom ersten Joint über erste Rap-Versuche bis in die Gegenwart anschaulich nach. Dennoch berührt der Vortrag erstaunlich wenig. Einen wichtigen Teil seines Lebens stellt offenbar "Kanacke Sein" dar. Jaysus kann der alten Leier von den Schwierigkeiten der Migration aber nichts Nennenswertes hinzufügen und präsentiert sich auf "Was Ich Will" obendrauf als unflexibler Sturkopf.
Zwischen Selbstgefälligkeit und Selbstzweifeln kann Jay sich scheinbar auch nicht entscheiden: Nervt "Ich Sage Nein" noch mit aufgesetzt wirkender Arroganz-Attitude, hält der Rapper anschließend einen vor Selbstmitleid triefenden "Monolog" voller Zweifel und Klagen, das Glück habe ihn bestohlen. Für Jaysus anscheinend ein Grund zum "Grundlos Feiern", bei dem die immer wieder eingestreuten "Heeey"-Rufe besonders penetrant ertönen. Ebenso irritierend folgt darauf der Track "Nicht Klagen", auf dem er sich wiederum demütig und dankbar gibt. "Wann kommt der Durchbruch? Aber ich habe was zu essen und muss dankbar sein." Das Konzept verstehe, wer will.
Ein aggressiver Flow steht dem Griechen weitaus besser zu Gesicht, auch wenn ihm PA Sports auf "Sin City" in Sachen Streetrap-Jargon den Rang abläuft. Überhaupt präsentiert sich ein Großteil der Features als wahrer Gewinn, mal abgesehen von Toon, dessen weichgespülte Hook von "Hasst Du Mich Lieb?" sich bestens in den Fahrstuhl-Sound einfügt, der auch "Mein Weg 2" vollkommen belanglos erscheinen lässt. Positiv sticht vor allem Tua heraus, der sich zusammen mit Jaysus in Melancholie und Träumereien verliert.
MoTrip macht seine Sache ebenso souverän: "Wenn Du Nicht Mehr Weißt" erinnert daran, warum die beiden "diese Mukke" so lieben. An Leidenschaft mangelt es Jaysus also nicht, ebenso wenig an gescheiten Beats, guter Technik und durchaus abwechslungsreichem Flow. Dennoch kratzt "Gott Liebt Die Geduldigen" höchstens an der Oberfläche, hinterlässt Fragezeichen, macht selten wirklich Spaß, und im Endeffekt lässt sich leider nur sagen: "Ich, ich, ich steh' vor dem Nichts, Nichts, Nichts."
1 Kommentar mit 5 Antworten
sein diss gegen kay haut glaub ich niemanden aus dem stuhl, man kann ihm die technik sicherlich nicht absprechen, aber meins ist es nicht.
Aber bester Tracktitel des Jahres auf jeden Fall, 'Tag des duemmsten Gesichts'.
"der erste rapper, der mit einem disstrack seine eigene karriere beendet hat" farid bang x.12.14 sinngemäß
böhmermann hat den vor ihm gebracht
https://www.youtube.com/watch?v=ELdpOOHR-eU
Und fettes Brot habens erfunden (oder zumindest das erste Mal gereimt).