laut.de-Kritik
Zurück auf den Trap-Thron - mit voller Wucht.
Review von David MaurerJeder, ja wirklich jeder macht jetzt Trap - auch Typen, die diese Trap kaum beschreiben können, geschweige denn selbst mal drin gesteckt sind. So hat sich im Laufe der Jahre aus einem Begriff für Herkunft und Lebensstil ein Art Subgenre entwickelt, das nun mit monströsen Basslines und 808-Kicks die Staaten überflutet. Ein Dorn im Auge jedes backpackenden Realkeepers, der meint, die dröhnenden Hustle-Stories klängen seit Jahren immer gleich. Und so viel vorweg: Jeezy macht mit "Seen It All" kaum etwas anders als die Konkurrenz. Er macht es einfach nur besser.
Irgendwie passend also, dass der Atlanta-MC das Young in seinem Namen fallen gelassen hat. Wie ein weiser Großvater thront Jizzle auf seinem siebten Studioalbum über der Szene und bringt den trappenden Bengeln die Kunst des Spiels bei. Dabei schweift er keineswegs in alte Kriegsgeschichten ab, sondern weiß immer noch ziemlich genau, wie der Hase läuft.
Wie es sich für einen 'Trap Star' gehört, steckt Jeezy in der Single "Me OK" gleich mal sein Terrain ab und macht unmissverständlich klar, wer das Game einst startete: "First to tell you motherfuckers 'trap or die', that's me OK?". Keine Frage, die Trap existierte schon vor Young Jeezy. Dass der damals 28-Jährige im Jahr 2005 mit seinem Album "Let's Get It: Thug Motivation 101" entscheidend half, den Sound populär zu machen, der heute die US-Rap-Charts bestimmt, lässt sich aber ebenso wenig abstreiten.
Derart mächtig wie "Me OK" dröhnten in letzter Zeit nur wenige Tracks ähnlichen Stils aus dem Soundsystem. Die düstere und aggressive Untermalung zum wahnsinnig arroganten Big Boss-Gehabe gelingt Produzent Drumma Boy perfekt. Dass man dabei kaum Neuland betritt, darf natürlich niemanden überraschen, schließlich wird der Innovationsgrad des Inhaltes dem Albumtitel über weite Strecken durchaus gerecht.
Die Aussage "Seen It All" erhält aber vor allem im Titeltrack eine weitere Bedeutung. So real wie Jeezy konnten nur die wenigsten ihre eigenen Texte erleben. Seine Vergangenheit als Dealer ist bekannt, meterhoch gestapelte Kokain-Päckchen hat der "Snowman" genauso oft gesehen wie Leichen und Geldscheine in allen Farben. Diese Realness-Bekundung verpackt er in einen eigenartig stimmigen Mix aus idyllischen japanischen Samples, einem grundsoliden Jigga-Vortrag und charakteristischen Kicks und Hi-Hats.
Die großen Highlights "Seen It All", "Me OK", "1/4 Block" und "What You Say" werden jedoch von einem Track in den Schatten gestellt: "Holy Ghost", eines der ruhigeren Stücke der Platte, rechnet auf elegante Weise mit Verrätern und undankbaren Weggefährten ab, ohne aggressive Vorwürfe zu streuen.
Stattdessen verzeiht Jeezy ehemaligen Homies wie Freddie Gibbs ("I lost my dawg to the fame, I charge it all to the game ") und macht in der großartigen Hook den Thug-Lifestyle für alle Verfehlungen verantwortlich: "Please Lord forgive him, you know he got that thug in him / We lust for alcohol and we love women / And ain't nobody gave us nothin', so we drug dealin'."
Was "Holy Ghost" andeutet, setzt sich an anderer Stelle fort: "Seen It All" besteht keineswegs nur aus wuchtigem Trap-Geballer. Die nicht ganz ernst gemeinte, ebenso melodische wie materialistische Hymne "Beautiful" mit The Game und Rick Ross bietet willkommene Erholung. Das trifft auch auf den interessanten Beat von "Been Getting Money" zu. Letzteres gerät textlich zwar so vorhersehbar, wie es der Titel vermuten lässt, verkraftet die kaum zeitgemäße Akon-Hook aber erstaunlich gut.
Auch 08/15-Parts von August Alsina ("F**k The World"), das kitschige "Beez Like" und eine Future-Kollabo ("No Tears") sollen verständlicherweise für ein wenig Pop-Appeal sorgen und stören in ihrer Funktion nicht weiter. Zu sehr überzeugen die vielen Banger mit ihren typischen Snowman-Adlibs, die auch 2014 immer noch nicht so wirklich nerven wollen: "Daaaammmmnnnn!"
Irgendwie erstaunlich, aber Jeezy ist stets am Puls der Zeit geblieben, ohne sich musikalisch wirklich zu verändern. Noch immer rappt er von grünen Lamborghinis und weißem Kokain und lässt niemanden in seinen Studio, der eine 808 nicht blind bedienen kann. Solange er nichts anders, aber einfach vieles besser macht als die Konkurrenz, wird der weise Großvater des Trap auch in den nächsten Jahren noch zu den Großen im Spiel gehören.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Gute Review zu einem sehr guten Album. Jeezy bleibt einfach der Trap-König, da kann kommen wer will....
ergänzend soll noch der RMX von "Holy Ghost" mit einem unfassbar starken K-Dot erwähnt werden! Reinhören, Jungs und Mädels!
Nee...ich mag kein Trap! Plastikdrums kotzen mich an.
Wird nun gehört. Meinung kommt später.
Aufjedenfall ein gutes Album, mich stört auch der Jay-Z Part nicht. Bei ein paar Tracks bin ich mir noch nicht sicher, ob ich sie beim nächsten Durchlauf skippen werde, sehe das aber ähnlich wie der Rezensent, gerade "Beez Like" ist solala, erfüllt allerdings eine Funktion und das nicht schlecht. So wie die anderen Tracks auch. Kann man sich ohne Probleme am Stück geben.
Würde solide 3,5/5 verteilen, kann die 4 Punkte daher voll und ganz verstehen.
Hab's auf die Review hin mal durchgehört. Klingt für mich genau wie der restliche Trap Einheitsbrei, der seit vier Jahren in Amerika produziert wird. Jeezys Rap Skills sind dann doch nicht so ausgeprägt das ich mir das Ding ein zweites mal geben müsste.
Vielleicht noch ein Nachtrag, damit ich nicht wie ein Realkeeper rüberkomm: Trap Lord und Run The Jewels waren beides No.1 Alben