laut.de-Kritik
Mit Doris Day-Lipgloss und 50s-Vibes.
Review von Kai ButterweckHochgesteckte Dutt-Frisur, Doris Day-Lipgloss und eine feine Garderobe, die an Zeiten erinnert, in denen die Männer hierzulande noch mit der Zündapp zum Zigarettenholen fuhren. Die Kanadierin Jill Barber ist die nächste Crooner-Verehrerin, die versucht, sich einen amtlichen Happen vom derzeit allgegenwärtigen Retro-Jazz-Pop-Kuchen zu sichern.
Im Gegensatz zu vielen anderen unerfahrenen Sternchen, die sich momentan vor verchromten Vintage-Mikros positionieren, stehen die Chancen bei Jill Barber auf Erhalt eines saftigen Mittelstücks des besagten Backwerks ziemlich gut. Denn die Sängerin aus Ontario hat bereits reichlich Erfahrung im Umgang mit Big-Band-Sounds und 50s-Vibes sammeln können.
In ihrer Heimat ist die blonde Songwriterin längst keine Unbekannte mehr. Ihr neues Album "Mischievous Moon" ist bereits ihr fünftes Studiowerk; allerdings das erste, mit dem die Sängerin den Sprung über den großen Teich wagt. Zu Beginn ihrer Karriere noch dem klassischen Folk huldigend, gibt sich Barber mittlerweile komplett den Klängen der großen Damen des Gesangs hin. Trippelnde Piano-Themen ("Chances"), flüsternde Klarinetten-Sounds ("Be My Man"), schmachtende Streicher-Landschaften ("Mischievous Moon") und jazziges Fingergeschnipse ("Oh My My"): Jill Barber weiß genau mit welchen musikalischen Mitteln man Kerle wie Cary Grant oder James Garner vor sechzig Jahren um den Finger wickeln konnte.
Mit laszivem Organ verneigt sich die Ahorn-Lady vor den grenzenlosen Themenzweigen der Zweisamkeit. Wahlweise beschwingt und auffordernd ("Took Me By Surprise", "A Wish Under My Pillow") oder zart und zerbrechlich ("If It Weren't For Loving You") labt sich die Sängerin an den ganz großen Gefühlen, während im Hintergrund der Drum-Besen rotiert und sich Bläser, Streicher und Tasten-Verantwortliche lächelnd in den Armen liegen.
Was der Kanadierin allerdings fehlt, ist das Gespür für nachhaltige Momente. Aufwühlende Dynamik-Spiele oder Harmonieläufe, die einem nicht mehr aus dem Gedächtnis wollen, sucht man auf "Mischievous Moon" leider vergebens. Sollte die Sängerin dieses Manko in Zukunft beheben können, stünde einer erfolgreichen und vielversprechenden internationalen Karriere nichts mehr im Wege.
2 Kommentare
Bissl kräftig gebaut, aber eine tolle Ausstrahlung:
http://dlnqnt.com/storage/Pg-13_Jill_Barbe…
Chances und Old Flame gefallen mir sehr gut, wobei letzteres mich doch stark an das schöne alte "Blue" von LeAnn Rimes erinnert.