laut.de-Kritik

Gut gemeinte Tipps vom ehemaligen Traffic-Mitglied.

Review von

Das Rezept ist bekannt: Man nehme einen Haufen verblasster Stars mit hochrangigen Namen, gehe ins Studio mit einem Packen Lieder, die im Nachttisch sehr gut aufgehoben waren, schaut für's Booklet grimmig in die Kamera und schon ist sie fertig, die Platte für die alten Fans.

So weit, so gut. Auch das ehemalige Traffic-Mitglied Jim Capaldi darf die Möglichkeit haben, sich musikalisch auszudrücken. Seit seiner letzten Veröffentlichung ist ja auch einige Zeit vergangen. Dass sich da einiges angestaut hat, enthüllt schon der erste Blick ins Booklet: "You take snoop daddy and puffy dog as well / They don't like John Lee Hooker /But they'll sample him to hell / ... / I'd give them all a million dollars / For an original thought." Die Botschaft ist klar: es geht Capaldi um nichts weniger als um die Richtigstellung musikalischer Hierarchien, um die Rettung der guten "alten" Musik im Gegensatz zur beschissenen "neuen".

Als welterfahrener und weitgereister Mensch hat Capaldi auch einige Beobachtungen und Ratschläge mitzuteilen bzw. zu vergeben. Schon die ersten Zeilen des titelgebenden Openers stellen klar, dass es im menschlichen Dasein Schattenseiten gibt: "Creepin down the alley, searchin through the trash / You used to own a chalet, before the market crashed." Die schockierende Botschaft: Das wahre Leben ist ganz anders als die "virtual reality" des "Internet" oder die Kommunikation über's "mobile phone," wie es noch im gleichen Lied heißt. Was tun? "You should know that in this world / you get what you deserve / So when your back's against the wall / You better not loose your nerve," heißt es ein Lied später. Nett, dass sich mal jemand Gedanken über so heikle Themen macht. Das gilt auch für die Feststellung, dass Zeit vergeht ("Time Passes") und für den Hinweis, dass die in den 60er Jahren geöffneten Türen der Liebe wieder zu sind und deshalb Hass gedeiht ("Riding The Storm"). Da ist es ja ein Trost, dass wir immer die selben bleiben, obwohl sich die Welt verändert ("We're Not Alone"), letztlich bleibt das Hauptproblem aber immer das Gleiche, denn gute Liebe ist schwer zu finden ("Good Lovin").

Ist wahrscheinlich alles gut gemeint, doch gibt es wohl kaum etwas Nervigeres als Musiker, die einem mitteilen wollen, wie man sich verhalten soll und einem dazu noch gute Tipps mit auf den Weg geben. Verschlimmernd kommt bei dieser Platte hinzu, dass die Musik weder Snoop Daddy (sehr lustig...) noch John Lee Hooker ist, sondern ein solch billiger Pop-Rock-Abklatsch aus den 80er Jahren, dass nicht mal George Harrison, Gary Moore oder Ex-Kollege Stevie Winwood das Niveau heben können. So besticht "Standing In My Light" nicht nur durch seine Lyrics, sondern auch durch 08-15 Krachakkorde, für die leider Paul Weller verantwortlich zeichnet. Die Ballade "Anna Julia" ist ein Wischiwaschi-Blues, "Time Passes" könnte auch von Pur stammen, "We're Not Alone" dagegen von Foreigner.

Soll das "echte" Musik sein? Zweifellos gab es in der Vergangenheit gute Musik, ebenso gibt es heutzutage Musiker aus der Zeit Capaldis, die immer noch meisterliche Werke abliefern, wie Bob Dylan mit "Love And Theft" vor kurzem bewiesen hat. "Jüngere" Musik aber pauschal zu verurteilen und ihr 80er Jahre Synthie-Rock-Schmock entgegenzusetzen ist mehr als ein schlechter Witz, es ist einfach lächerlich. Die im Booklet aufgeführte Idee mit dem Geld war gar nicht schlecht. Sinnvoller wäre es allerdings, wenn Snoop Dogg und Puff Daddy Herrn Capaldi eine Million Dollar überweisen würden. Mit der Bedingung, in Zukunft die Klappe zu halten.

Trackliste

  1. 1. Living On The Outside
  2. 2. Standing In My Light
  3. 3. Anna Julia
  4. 4. Time Passes
  5. 5. Riding The Storm
  6. 6. We're Not Alone
  7. 7. Heart Of Stone
  8. 8. Love You 'Til The Day I Die
  9. 9. One Man Mission
  10. 10. Good Lovin

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