laut.de-Biographie
John Prine
Bei einem seiner ersten Konzerte in New York schleicht sich 1971 ein Fan auf die Bühne und packt seine Mundharmonika aus. Nicht weiter bemerkenswert, wenn es sich dabei nicht um Bob Dylan handelte.
Kein schlechter Einstand für den kleinen Mann aus Chicago, der schon zuvor viel Lob und Wertschätzung von Kollegen erfahren hat. 1946 im Vorort Maywood geboren, wächst John Prine an einem viel befahrenen, vierspurigen Highway auf. Seine Eltern stammen aus Kentucky und sind auf der Suche nach Arbeit gen Norden gezogen.
Themen – das Leben auf dem Land, in der Stadt und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der unteren Bevölkerungsschichten – die sich in Prines Werk wiederfinden. Mit 16 lernt er Gitarre, später verdingt er sich als Briefträger. Während er die Post austeilt, hat er Zeit, sich Texte auszudenken und zurecht zu legen.
Nach einem zweijährigen Wehrdienst in Deutschland beginnt er, seine Lieder bei Open Mic-Veranstaltungen in Chicago vorzutragen. Bald ist er so erfolgreich, dass er davon leben kann. 1970 verhilft ihm Kris Kristofferson zu einem Plattenvertrag bei Atlantic. "Der Typ ist so gut, dass man ihm die Daumen brechen müsste", lautet das Urteil des Country-Stars.
"John Prine" (1971) enthält einige der bekanntesten Stücke des Singer/Songwriters. "There's a hole in daddy's arm where all the money goes/Jesus Christ died for nothin' I suppose", besingt er in "Sam Stone" einen Vietnam-Veteran, der am Leben nach dem Krieg - und am Heroin - zugrunde geht. "If dreams were thunder/Lightning was desire/This old house woulda burnt down/A long time ago", bescheibt er in "Angel From Montgomery" eine gescheiterte Beziehung.
Ein kommerzieller Durchbruch gelingt Prine nicht wirklich, ebenso wenig mit seinen Folgealben. 1978 wechselt er zu Asylum, 1984 trifft er die damals noch unübliche Entscheidung, sein eigenes Label zu gründen. Seitdem erscheinen die meisten seiner Alben auf Oh Boy Records.
1998 erkrankt Prine an einem Krebs am Hals. Die Operation hinterlässt deutliche Spuren und betrifft auch seine Stimmbänder. Nach der Heilung begibt er sich, nun mit etwas rauerem Organ, jedoch wieder unbekümmert auf Tour.
2005 erhält er für sein Album "Fair & Square" den Grammy für das beste traditionelle Folk-Album. Es ist bereits sein zweiter, nach dem für "The Missing Years" (1991). 2016 erhält er zudem eine Auszeichnung des PEN New England, gemeinsam mit Tom Waits/Kathleen Brennan. Zu den Entscheidungsträgern zählen Paul Simon, Elvis Costello und Salman Rushdie.
2013 erkrankt Prine erneut an Krebs, diesmal an der Lunge. Wieder gelingt die Genesung, erneut begibt er sich ins Studio und auf die Bühne. 2016 erscheint mit "For Better, Or Worse" eine Sammlung mit Duetten, 2018 folgt ein Album mit neuem Material, "The Tree Of Forgiveness".
Nach wie vor genießt Prine unter Kollegen ein hohes Ansehen. Dylan lobt ihn in einem Interview 2009, das größte Kompliment macht ihm aber wahrscheinlich Roger Waters: "I don't really listen to Radiohead. I listened to the albums and they just didn't move me in the way, say, John Prine does. His is just extraordinarily eloquent music — and he lives on that plane with Neil Young and Lennon", erklärt der ehemalige Bassist und Sänger von Pink Floyd.
Im April 2020 stirbt John Prine in einer Klinik in Nashville an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus. Er wurde 73 Jahre alt.
1 Kommentar
So long, alter Mann.
Wahrscheinlich hättest du über die Ironie geschmunzelt, daß einer, der auch über Isolation und ihre Folgen gesungen hat, in Zeiten der Isolation das Mikro aus der Hand legen muß. Oder sogar ein Lied draus gemacht. Ich hätt's gern gehört.
Gruß
Skywise