laut.de-Kritik

Kein Anfang, kein Ende und immer in Bewegung.

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Obwohl Blue Note Records längst zur Untersparte der Firma EMI verkommen ist, umweht das Label immer noch ein ewiges Versprechen des Jazz. Wenn nun ein Sänger nach einer drei Alben währenden Pilgerfahrt endlich in Mekka ankommt, sollte man andächtiges Umrunden der Kaaba erwarten. Stattdessen verkündet José James ketzerisch: "Ich habe mich entschlossen, dass ich nicht mehr bloß als Jazz-Sänger gesehen werden will." Ein komischer Zeitpunkt für diese Einsicht.

Der nackte Jazz des glanzvollen Vorgängers "For All We Now", eine Zusammenarbeit mit Pianist Jef Neve, ruht folglich auf "No Beginning No End". Auch die elektronischen Elemente von "BlackMagic" verstecken sich nach dem Abschied von DJ-Guru Gilles Peterson im Hintergrund. Mehr als zuvor stellt James R'n'B und Neo-Soul in den Vordergrund, ohne dabei seine Wurzeln zu verraten. Zur Seite stehen ihm diesmal Bassist und Produzent Pino Palladino und Pianist Robert Glasper.

Die Abkehr manifestiert sich im federleichten, von Emily King geschriebenen, "Come To My Door". Wer sich kurzeitig von seinem Genre-Scheuklappenblick trennen kann, den belohnt ein eleganter Soul-Pop-Song, wie man ihn von James nicht erwartet hätte. Später überlässt der Musikus, ganz Herr der alten Schule, der Sängerin in einer akustischen Version das Rampenlicht.

Gerade in der ersten Hälfte von "No Beginning No End" macht James alles richtig. Voodoo-Bläser, ein tiefer Bass und hallende Dub-Effekte unterlegen seinen anziehenden Bariton in "It's All Over Your Body". In "Trouble" gibt der Jermaine Jones-Look-Alike den Sly Stone, während die Band mit Bill Withers flirtet. Gemeinsam mit der französisch-marokkanischen Sängerin Hindi Zahra folgt er in "Sword + Gun" zwischen nordafrikanische Percussions, träufelndem Gitarren-Picking und hypnotischer Bassline den Spuren von Fela Kuti.

Leider hält die zweite Hälfte mit dem furiosen Beginn nicht ganz mit. Nachdem der US-Amerikaner kein Jazz-Sänger mehr sein mag, verweigert er sich plötzlich auch der Dynamik. Das Duett "Heaven On The Ground", eine weitere Zusammenarbeit mit Emily King, kratzt haarscharf an der Lionel Richie-Kuschelrock-Marke. Der Gospel von "Do You Feel" bietet zwar das beeindruckende Pianospiel von Kris Bowers, versumpft ansonsten aber in Belanglosigkeit. Doch bleiben dies nur zwei kurze Ausrutscher, die das Gesamtbild höchstens minimal trüben.

Die Aussöhnung lässt nicht lange auf sich warten. Der hinreißende "Bird Of Space" versetzt uns mit den Schwingen eines Marvin Gaye in Trance: ein acht Minuten dauernder Loop, der sich sinnlich und intim aus Bass, Drums und Gitarre zusammen setzt. James lullt uns ein, schickt uns in die Nacht. Die zuckersüß-melancholische Ballade "Tomorrow", in der sich um ein von Amp Fiddler eingespieltes Klavier zarte Streicher wickeln, bildet den krönenden Abschluss.

José James nimmt sich mit "No Beginning No End" die Freiheit, musikalische Grenzen zu ignorieren. Ein Sänger auf der Suche nach der eigenen Definition, zwischen verschiedenen Stilen schwankend. Dabei erscheint er spannender als viele Kollegen, die sich ihrer selbst bereits viel zu sicher sind. Er kennt keinen Anfang, kein Ende und bleibt immer in Bewegung. Somit ist er bei Blue Note Records doch bestens aufgehoben. Denn genau das ist Jazz.

Trackliste

  1. 1. It's All Over Your Body
  2. 2. Sword + Gun feat. Hindi Zahra
  3. 3. Trouble
  4. 4. Vanguard
  5. 5. Come To My Door
  6. 6. Heaven On The Ground feat. Emily King
  7. 7. Do You Feel
  8. 8. Make It Right
  9. 9. Bird Of Space
  10. 10. No Beginning No End
  11. 11. Tomorrow
  12. 12. Come To My Door (Acoustic Version)

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