laut.de-Kritik
Der Gott aus Memphis trifft den 808-Nerv der Zeit.
Review von Mirco LeierJuicy J ist einer der letzten aktiven Künstler der goldenen Ära des Memphis-Rap, der den Sound und die Ästhetik dieses oft übersehenen Kleinods der Hip Hop-Geschichte am Leben erhält. Sicherlich brachten Künstler wie die $uicideBoy$, Lil Ugly Mane, oder 21 Savage in den vergangenen Jahren frischen Wind in die mörderischen Gefilde von Down South. Aber Juicy macht es sich seit seinem Durchbruch mit Three 6 Mafia zur Aufgabe, dem minimalistischen Originalrezept über weite Strecken seiner Karriere treu zu bleiben. Daran haben über die Jahre weder die Affiliation zu Wiz Khalifas Taylor Gang, noch ein Feature auf einem Katy Perry-Song etwas geändert.
So etwas kann verkappten Oldheads, denen zu tiefer Bass und rasselnde Hi-Hats auch 2020 noch den Angstschweiß auf die Stirn treiben, schnell peinlich werden. Da sich Juicy aber auf einen Sound bezieht, der den Grundstein für fast alles legte, was heute die Hip Hop-Charts dominiert, klingt "The Hustle Continues" zwar hier und da ein wenig anachronistisch, trifft aber dennoch den 808-lastigen Nerv der Zeit.
Ironischerweise sind es genau jene Momente, in denen sich das Album etwas zu sehr dem Status Quo anbiedert, die dem Flow der Tracklist im Weg stehen. "She Gon Pop It" wirkt mit Ty Dolla $ign-Hook und Mustard-eskem Beat vollkommen fehl am Platz. Daran kann selbst ein gewohnt guter Verse von Megan Thee Stallion nichts ändern. Auch "Gah Damn High" klingt, abgesehen vom "A Zip And A Double Cup"-Sample, mehr nach mittelmäßigem Taylor Gang-Output, als nach dem etablierten Memphis-Sound, dem sich der Rest der LP verschrieben hat.
Jedoch garantiert die Mischung aus hämmerndem Bass, John Carpenter-Synthies und Samples, die förmlich im Lean ertrinken, nicht automatisch einen Banger nach dem nächsten. Gerade im Mittelteil treten "That's The Way It Goes" und "Shopping Spree" ein wenig auf der Stelle. Die repetitiven Hooks, deren Catchiness Juicy im Laufe seiner Karriere nahezu perfektioniert hat, kommen nicht wirklich zur Geltung, wenn sie von mittelmäßigen Verses und schwachen Features umgeben sind.
Im Gegenzug klingen die Refrains von "Spend It", "Po Up" oder "Load It Up" umso unwiderstehlicher, weil die Energie der Songs eben nicht auf halbem Wege verloren geht. Dazu tragen auch Gäste wie Lil Baby, der einmal mehr beweist wie lyrisch versiert er ist, 2 Chainz und A$AP Rocky bei, die nicht nur mit Juicy Js Temperament am Mic mithalten können, sondern ihre jeweiligen Songs auch hinsichtlich Humor und lyrischer Finesse bereichern. Der Memphis-stämmige NLE Choppa setzt auf "Load It Up" sogar noch einen drauf und lässt mit dem unbändigen Hunger, mit dem er sich durch seinen Verse beißt, seinen Mentor im Staub zurück.
Eine gewisse Sonderstellung nehmen die Logic-assistierten "1995" und "Shawty Bad" ein. Nicht nur weil der immerzu gut gelaunte Rapper aus Maryland auf dem Papier überhaupt nicht in den düsteren Untergrund Juicy Js zu passen scheint, auch musikalisch tanzen sie aus der Reihe. "1995" sollte eigentlich auf Logics "No Pressure" landen, und klingt dementsprechend weniger nach North Memphis und mehr nach Sonntagsmesse in New York.
Folgerichtig beansprucht Bobby Tarantino einen Großteil des Songs für sich, was Juicy J zu einem Feature auf seinem eigenen Album reduziert. Und dennoch funktioniert der Song als Zusammentreffen zweier gegensätzlicher Welten großartig. Logic setzt den wiederentdeckten Esprit seines finalen Albums fort und bringt etwas Sonnenschein ins Klangbild, ehe uns Juicy J mit einem genial interpolierten "Chickenhead"-Sample wieder in den dreckigen Süden zurückholt.
"Shawty Bad" dreht den Spieß um: Logic muss sich auf einem klassischen Memphis-Beat behaupten, was zwar weniger glatt über die Bühne geht, aber dem Flow von "The Hustle Continues" keinen allzu großen Dämpfer verleiht. Das fehlende Charisma des 30-Jährigen macht das Three 6 Mafia-Gründungsmitglied an den Reglern mit Leichtigkeit wieder wett.
Obwohl ein Großteil der Gäste ihren Job gut bis grandios machen, freut man sich, wenn Songs wie "Best Group" oder der finale Stretch beweisen, dass Juicy J nicht auf diese angewiesen ist, um gute Musik zu machen. Im Gegenteil: Sein Flow auf dem Opener ist ebenso wie seine Kaltschnäuzigkeit auf "Datz What It Iz" ein absolutes Highlight. Auch "I Can't Stop" setzt einen memorablen Schlusspunkt. Sei es auch nur aufgrund der überzogenen Booty-Poesie die er dort zur Schau stellt.
Ein Album so zu beenden, ist typisch Juicy J. Und "The Hustle Continues" kommt nach dem etwas durchwachsenen "Rubba Band Business" auch endlich wieder als klassisches Juicy J-Album. Während in Übersee Memphis-Rap einen zweiten Frühling erfährt, bleibt der Südstaatler in seiner Heimat einer der letzten, der ihn so prominent im Mainstream platziert. Auch wenn er damit zuweilen ein wenig auf Stelle tritt, kann man ihm dafür eigentlich nur dankbar sein. "I'm a god in the south", rappt Juicy auf "Best Group". Irgendwo zurecht.
3 Kommentare
Ich find es richtig gut. Ich hab direkt beim Intro total Bock bekommen. Three 6 for life!
Aber mit den Logic Features konnte ich auch wenig anfangen. Logics Part auf 1995 ist wirklich schlimm. Dafür kommt Juice da ganz gut rüber.
Solides Album!