laut.de-Kritik
Rauheit und Zärtlichkeit gehen ungezwungen Hand in Hand.
Review von Martin LeuteMit dem Booking Management Four Artists und dem Distributor Rough Trade an der Hand scheint es eine Frage der Zeit, wann sich der kommerzielle Erfolg dieser Singer/Songwriterin einstellt. Erreicht hat die Sängerin, Pianistin und Violinistin schon jetzt viel, nachdem sie über das Internet-Portal Sellaband mit ihrer Musik derart viele Hörer überzeugt hat, die ihr mit finanziellen Zuwendungen die Aufnahme und professionelle Produktion dieser Platte ermöglicht haben.
Sie selbst bezeichnet ihre Lieder als "classical punk songs" und bewegt sich mit ihren weitgehend kammermusikalisch instrumentierten Kompositionen atmosphärisch im Pop-Dunstkreis von Regina Spektor, Amanda Palmer, Tori Amos und Kate Nash. Sie erweist sich zudem als leidenschaftliche Erzählerin und ausgezeichnete Arrangeurin, die besonders die variabel gespielten Streicher dramaturgisch wirkungsvoll setzt.
Dass sie ihre künstlerischen Vorstellungen trotz der Fremdfinanzierung konsequent umsetzen durfte, beweist "Put Your Headphones On", das halbminütige Intro und die akustische Entsprechung des Aktes des Aufsetzens eines Kopfhörers. Das äußert sich in Stille, die dann fulminant vom hart geschlagenen Pianolauf in "Outer Space" durchbrochen wird, das von ihrer Begegnung mit einem Außerirdischen erzählt. Ein Hauch von Theatralik schwingt in der gewundenen Melodie mit, die Julia mit vielseitigem Gesang mal kraftvoll in die Höhe hebt oder flüsternd intoniert.
In "The Story" lässt sie sich von rhythmisch gezupften Violinen und dramatischen Streichern begleiten, die das Entfliehen der Protagonistin aus der häuslichen und familiären Einsamkeit trefflich ausmalen. Immer wieder wechselt sie gekonnt das Tempo, um der erzählten Geschichte die entsprechend emotionale Färbung zu verleihen. Da kommt das Pathos und das zuerst perlende Klavier in "Married To Life" fast zum Erliegen, analog zum Verwelken der Liebe.
Hat sie bisher auf den Einsatz eines Schlagwerks verzichtet, setzt sie in dynamischen Stücken wie "Billy Elliot" ebenso auf Drums und großartige Backgroundchöre wie in der von der geschlagenen Violine und Bläsern begleiteten Hymne "Night Of The Living Dead" und "Sixteen, Ten Years Later". Das wunderbare "Side Effects Of Growing Up" erhält seine Spannung durch Handclaps und zur Melodie gegenläufig gesetzten Sprechgesang, "Carousel" dreht sich mit geschmeidigen Philipp Glass-Klavierharmonien behände im Kreis.
Julia Marcell überzeugt mit ihrem ausgezeichnet inszenierten und behutsam produziertem Piano/Streicher-Pop auf allen Ebenen, Lebendigkeit, Rauheit und Zärtlichkeit gehen bei ihr ungezwungen Hand in Hand. Für die Einspielung ihres nächsten Albums wird diese Musikerin zweifellos nicht mehr auf die Unterstützung der Sellaband-Investoren angewiesen sein.
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