laut.de-Kritik
Gleitgel-Gitarren und feuchte Hipsterhöschen.
Review von Manuel BergerWas ist denn da los? Statt Bärten blickt ein holdes Mädel vom Cover der neuen Kadavar-Scheibe. Und wie heißt das Ding? "Berlin"?! Retro und Hipster scheinen doch näher zusammenzuliegen als gedacht. Oder?
Nein, keine Sorge, Kadavar kann man auch 2015 noch ernst nehmen. Sogar als Kuttenträger. Mainstreamtauglicher ist die Band mit "Berlin" trotzdem geworden. Das beginnt beim Sound, der zwar von klinisch noch immer meilenweit entfernt ist, aber im Vergleich zu den Vorgängeralben doch um einiges moderner ausfällt. Was wohlgemerkt ausschließlich positiv zu vermerken ist.
Sabbath-Vibe transportieren die Hauptstadtmenschen selbstverständlich weiterhin. Riffs wie in "Thousand Miles Away From Home" könnten auch vom Meister Iommi selbst stammen. Ozzy sagt in "Last Living Dinosaur" hallo. Andrew Stockdale ist euch ebenfalls ein Begriff oder?
Über einen ähnlichen Pop-Appeal wie Wolfmother verfügen Kadavar mittlerweile sowieso. Dazu kommt mit Surf-/College-Faktor und Glockenrassel "Filthy Illusion" – Sommerhits kennt man von Sabbath-Jüngern sonst eher weniger, Kadavar haben auch das drauf. Die Gretchenfrage Stones oder Beatles beantworten die Jungs mit einem beherzten sowohl als auch: Jagger und Co. für Grundsound und Handwerk, Lennon/McCartney für die beschwingt-leichte Außenwirkung.
Absolut beeindruckend ist, wie die Band mit ihrer Trio-Besetzung umzugehen weiß. Eine zweite Gitarre vermisst man zu keiner Sekunde. Eher wünscht man sich, mehr Gruppen würden es hinbekommen, derart zueinander passende Bass- und Gitarrenspuren zu kreieren, wie sie beispielsweise in "Pale Blue Eyes" zu finden sind. Ganz zu schweigen von diesen herrlichen Gleitgel-Leads!
Deren Artverwandter zupft wohl in "Thousand Miles Away From Home" die Cleane. Weicher geht's kaum. Das später auftauchende Riff hatte ich ja bereits erwähnt. Und dann wäre da noch das Solo im letzten Teil, bei dem nicht so ganz klar ist, ob nun eigentlich die Bassline oder doch die sich in Sustain und Hall suhlende Klampfe die Höschen feuchter macht.
Es gäbe noch einige Songs mehr (im Grunde alle zwölf), über die man hier einen ganzen Abschnitt füllen könnte. Um es abzukürzen, sei jedoch nur noch der besonderste herausgegriffen: Bonus-Track "Reich Der Träume". Ja, ein Cover und ja, Lupus singt deutsch. Das tut er mindestens genauso schön und geheimnisvoll wie Nico. Während darüber schwere Synthesizer tropfen. Die Fuzzfraktion bleibt diesmal zuhause.
Es hat sich also definitiv etwas getan im Kadavar-Land. Vom Klischee okkultrockender Bartträger sind Tiger, Lupus und Dragon weiter entfernt als je zuvor. Dem Untergrund sind sie mit "Berlin" endgültig entstiegen. Das ist gut so. Denn frischer und selbstständiger klangen die Herren noch nie. Sie schwitzen ihre Vorbilder zwar noch immer kräftig aus, verpassen deren Sound jedoch einen gänzlich neuen Anstrich. Und der ist jutebeutelkompatibel, kuttentauglich und abgefuckt psychedelisch zugleich.
4 Kommentare mit 10 Antworten
Bei der Review könnte man fast denken, Metal-Eddy sei zurück. Ich weiß nicht, ob das so gut is.
Der Schwachpunkt ist mMn. der Gesang. Und das liegt nicht mal am Sänger selbst sondern an der Produktion. Man könnte meinen er hätte das in einem gefließten Badezimmer aufgenommen während er 1m vom Mikro weit weg steht.
Noice!
Wie oft habe ich mir gewünscht, dass es Black Sabbath nie gegeben hätte!? Allein schon deshalb, weil einem dann die gefühlt 200.000 Bands erspart geblieben wären, die alle gerne wie Black Sabbath klingen wollen.
So edgy.
Aber so ganz ohne Black Sabbath hätte es Black Sabbath nicht gegeben. Muss man auch bedenken.
Wie oft habe ich mir gewünscht, dass es LonBlackVeil nie gegeben hätte?! Allein schon deshalb, weil einem dann gefühlt 200.000 Kommentare über Bands erspart geblieben wären, die alle weder Hand noch Fuß haben.
Hat aber wenigstens ne naise Tuse im Profilbild.
Joa immerhin. Macht jetzt aber nicht allzuviel wett. So ich geh jetzt wieder Godspeed You! Black Emperor hören. Sind aber auch nur ne Band, die wie Mogvei klingen wollen.
Mogwei who?!
Ratatat waren live übrigens göttlich. Muss ich jetzt einfach mal gesagt haben.
Echt so gut? Damn... Die paar sachen die ich mir angesehen hab klangen live eher mäßig. Wie haben die denn ihre 50 verschiedenen Spuren hinbekommen?
Also erstmal war ich ziemlich besoffen und ab der zweiten hälfte auch noch mittelschwer stoned, aber ich glaub, die wären auch sonst geil gewesen.
Wurde natürlich viel gesampelt, aber wenn die Band aus zwei Leuten besteht, die zwischen Gitarre bzw. Bass und Synthies hin und her wechseln und loopen, kriegt man da schon n ordentliches Spektrum zusammen.
Tja... freut mich natürlich für dich. Schade drum, aber kann man nichts machen.
Klingt aber ansonsten recht vernünftig. Vielleicht haben die sich im Laufe der Jahre ja auch gesteigert. Hoffentlich schauen die nochmal vorbei und ich bin dann nicht pleite.