laut.de-Kritik

Kein Blatt vor dem Mund und den Mittelfinger in der Luft.

Review von

Etwas seltsam ist es schon: Das neue Kate Nash-Album wurde sehnlichst erwartet - aber nicht, weil "Foundations" vom Debüt mit etwas Verspätung doch noch zum Tanzflächenfüller der Indie-Disko wurde. Auch nicht, weil die Engländerin live so charmant war.

Nein, es brauchte schon die Teilnehmerin einer deutschen Castingshow, die Nashs Songs vor einem Massenpublikum interpretierte - und damit die Verkaufszahlen von "Made Of Bricks" drei Jahre nach dem Release noch einmal ankurbelte.

"Schreibt Lena denn nicht ihre eigenen Songs?", zitierte der Spiegel die überraschte Engländerin. Dieses Zitat zeigt wunderbar, wie authentisch Nash ist, weil sie mit Castingshows eben nichts zu tun hat. Weil sie eigentlich das Gegenteil einer Castingshow-Kandidatin verkörpert: Ihre eigenen Stücke lud sie 2006 bei MySpace hoch, wurde erst von Lily Allen, kurz darauf von Fiction Records entdeckt.

Ihre Lieder erzählen vier Jahre später immer noch Geschichten, die direkt aus dem Alltag einer jungen Frau aus North Harrow, London gegriffen sind. Die Art, diese Geschichten zu erzählen, ist immer noch großartig: kein Blatt vor dem Mund und den Mittelfinger in der Luft.

"I wanna be fucked and then rolled over / 'Cause I'm an independent woman of the twentyfirst century / No time for knits, I want sex and debauchery", lässt die Sängerin ihrem Ärger über Groupies auf einem Festival Luft.

Etwas harmloser ist da "Kiss That Grrrl", eine adrette 60s Pop-Nummer mit Retro-Gitarren, Streichern und Schlagzeug-Solo: der perfekte Titelsong zum nächsten Tarantino-Film. Zu dem würde auch die erste Single "Do-Wah-Doo" passen, in der sich Nash über die Damenwahl ihres besten Freundes auslässt: "Everyone thinks that girl's a lady - but I don't / I think that girl's shady." Tolle Songs – auch wenn die Arrangements etwas sparsamer hätten ausfallen dürfen.

"Don't You Want To Share That Guilt" bewegt sich in denselben Twee Pop-Gefilden, in denen auch schon Belle And Sebastian und Hello Saferide unterwegs waren - nur klingt Nash eben immer noch wie das weibliche Pendant zu Jamie T. und Mike Skinner.

So weit, so absehbar. Doch Nash hat kein zweites "Made Of Bricks" aufgenommen. Man bekommt den Eindruck, das möchte sie möglichst eindrücklich beweisen.

"I Just Love You More" beginnt mit kreischender Rückkopplung und gibt sich auch sonst experimentell: dreckige Akkorde, dazwischen Gitarren-Frickeleien. Nash haucht anfangs nur ein verhalltes "I Just Love You More" ins Mikro, verliert sich zum Ende des Songs in dieser Zeile; sie kreischt, faucht und stöhnt. Es gibt eben nicht nur nette, augenzwinkernde Popsongs auf "My Best Friend Is You".

Klingt nach einer großen Palette musikalischer Vielfalt, die uns die Engländerin da auftischt. Eines ist "My Best Friend Is You" sicher nicht geworden: homogen. Das kann, wenn man das Album am Stück hört, durchaus etwas anstrengend sein. Doch es beweist auch, was für eine großartige Songwriterin an Kate Nash verloren gegangen wäre, hätte sie sich für die einst angestrebte Schauspielerkarriere entschieden.

So bleibt ein tolles Album - und ein großer Schritt aus dem ewigen Schatten Lily Allens.

Trackliste

  1. 1. Paris
  2. 2. Kiss That Grrrl
  3. 3. Don't You Want To Share The Guilt?
  4. 4. I Just Love You More
  5. 5. Do-Wah-Doo
  6. 6. Take Me To A Higher Plane
  7. 7. I've Got A Secret
  8. 8. Mansion Song
  9. 9. Early Christmas Present
  10. 10. Later On
  11. 11. Pickpocket
  12. 12. You Were So Far Away
  13. 13. I Hate Seagulls

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9 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    @Sancho (« Da das Album zu komplex ist und ich es noch ein paar mal hören muss kann ich noch keine genaue Rezession geben sondern sage erstmal: es ist gelungen und alle die das erste Album mochten werden auf keinen Fall enttäuscht. »):

    ich finde es auch sehr schwierig, der typ von Suede hätte glaub eher die Pfoten weg lassen sollen , da klingt sie nicht , die balladen sind vom sound her langweilig.

  • Vor 13 Jahren

    Gehört bereits auf meine Best Of 2010 Liste :) Wirklich ein sehr vielseitiges Album mit tollen Songs.

  • Vor 13 Jahren

    Ich habe so lange auf das neue Album gewartet, und es gewinnt definitiv mit mehrmaligem hören.
    Was mich aber wirklich sehr irritiert, ist "Mansion Song". Der ist irgendwie..... unheimlich.