laut.de-Kritik

Wenn es ein paar hippe Rapper zu viel auf einmal sein sollen.

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Im Grunde hatte KayCyy bis ins vergangene Jahr kaum mehr vorzuweisen, als dass er in irgendeiner Form an Kanye Wests "Donda" mitgearbeitet hat. Nicht mal so richtig bei Features, er wirkte am Songwriting mit und trug ab und an Neuigkeiten über den mythischen Album-Prozess nach außen. Und er hatte überhaupt keine Scham, dies auszuschlachten. Promo ohne Ende, eine starke Kollabo-EP mit EDM-Produzent Gesaffelstein und ein eigener Kult um die Farbe Orange, dazu jetzt eine Nennung in der XXL Freshman Class. "Get Used To It", fordert seine erste Arbeitsprobe in dieser neuen Ära. Und auch, wenn er ästhetisch Rosinen aus den Sounds seiner Kollegen pickt, gelingt ihm mit dem ersten Mixtape doch nur ein Teilerfolg.

Dabei zeugt das Sound-Design doch erst mal von einer gesunden Ambition: Viele Songs sind minutiös ausproduziert und geizen nicht mit Pomp. Allein, wie das Intro "Look What I Found" mit opulentem Sample und langsamem Synth-Build-Up einsetzt, sollte jedes Rap-Hipster-Herz höher schlagen lassen. Man spürt, dass da Mike Dean im Raum saß, wenn die sanften Synth-Pads schließlich cineastische Grundlage für KayCyys Einstieg bieten.

Und der legt dann auch ziemlich beeindruckende Melodien vor, schönes Layering, ein bisschen Travis Scott, nur eben mit höherer Stimme. Dann droppt der Beat in ein drängenden Trap-Bounce und Lancey Foux darf ein paar Bars kicken. Abgesehen davon wiederholt sich das Muster von hier ab: Wir bekommen hochwertige Produktionen, solide Build-Ups, kreativ zusammengesetzte Songs und markante Sounds. Aber immer, wenn KayCyy dann tatsächlich auftritt, fällt es schwer, nicht an einen anderen MC zu denken.

Natürlich muss man vor allem Playboi Carti nennen, dessen Leak-Phase zwischen "Whole Lotta Red" und "Die Lit" sicherlich eine solide Portion der Vocals auf diesem Projekt beeinflusst hat. Abgesehen davon, dass KayCyy ohnehin eine relativ ähnliche Stimmfarbe mitbringt. Allein ein Song wie "Replay": Die seltsamen Synth-Harmonien, der sperrige Trap-Groove, die repetitiven Vocals. Das ist einfach "Die Lit"-Carti, ziemlich schamlos reproduziert.

Dies sind dann die Momente, in denen man KayCyy doch kurz für Schall und Rauch halten möchte. Der Mann scheint besessen davon, sich die Details eines interessanten Künstlers anzueignen und besitzt zwar genügend Ressourcen dank des Kanye-Cosign. Aber trotzdem schafft er es auf "Get Used To It" noch nicht so recht, eine wirkliche musikalische Identität herauszukristallisieren. Er wirkt eher wie der unausgegorene Tagtraum eines Rap-Nerds, wie der supercoole, zeitgeistige Fashionista-Rapper der Stunde klingen könnte.

Der würde Trap machen, aber Rage-inspiriert, dabei aber trotzdem ein bisschen Kanye-Soul mitbringen, Harmonien wie Travis oder Baby Keem, dazu würde ein wenig Neo-Soul reinfließen, ein bisschen organische Produktion wie bei Tyler oder Frank Ocean. Und die Features kommen natürlich auch nur von richtig coolen Untergrund-Kids, etwa 070 Shake und von Lancey Foux. Das Ding ist: Die alte Musik von KayCyy ist noch da draußen und klingt mehr oder weniger nach generischem Atlanta-Trap. Ein bisschen kriegt er also das Gefühl der Label-induzierten Neuerfindung nicht abgeschüttelt. Vielleicht auch, weil er einfach ein paar hippe Rapper zu viel auf einmal sein möchte.

Aber bevor man das ganze Tape als ein geistloses Plagiat abstempelt, lohnt es sich doch, genauer hinzuhören. Denn auch, wenn er noch kein stimmiges Manifest des KayCyy-Sounds vorlegen kann, muss man ihm doch lassen, dass viele Songs verdammt noch mal stimmen. Er hat ein beeindruckendes Gefühl für die richtigen Loops und die richtigen Flows, Songs wie "Shoutouts" und "Borrow" sind eingängig und klingen kein bisschen generisch. Der organische, fast ein bisschen psychedelische Vibe auf "Hold You Up" zeigt sein Gefühl für Stimmungen und sein Talent für Vocals.

"Get Used To It" ist so ein bisschen frustrierend. Denn es ist nicht das große Statement, dass es verdienen würde, ihn als das neue große Ding auf die Karte zu setzen. Es wirkt eher wie ein Talent, das die aktuellen Szene studiert, um zu gucken, wie diese Sounds mit dem eigenen interagieren. Aber er zeigt dabei schon zu viel Gutes, um ihn zu ignorieren.

Trackliste

  1. 1. Look What I Found (feat. Lancey Foux)
  2. 2. Replay
  3. 3. Shoutouts
  4. 4. Howwww
  5. 5. Hold You Up (feat. Annahstasia & Steven Bamidele)
  6. 6. Rain (feat. 070 Shake)
  7. 7. Borrow
  8. 8. New Rules
  9. 9. Needed For Something

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