laut.de-Kritik
Richtig gute Hintergrundmusik.
Review von Timm LechlerDer US-Shooting Star Khalid aus El Paso, Texas, veröffentlicht sein zweites Studio-Album mitsamt gleichnamigem Spielfilm. "Free Spirit" folgt auf die "Suncity EP" und siedelt sich musikalisch irgendwo zwischen einer R'n'B lastigen Lo-Fi Mischung und 80er-Jahre-Synthi-Soul an. Allerdings wurde hier nicht das volle Potential ausgeschöpft.
Bereits im klassisch orchestralen "Intro" überrascht die schöne Stimme und der variantenreichen Gesang des 21-Jährigen sicherlich so manchen Ersthörer, allerdings ist dabei leider eine doch etwas zu bedeutungsschwangere Einleitung herumgekommen. "Bad Luck" verkörpert von vorne herein eines der wichtigsten Themen der Platte und richtet sich mit einem Augenrollen an die erfolgsgeilen Freunde und Fans: “Niemand meint es ernst, wenn er dir alles Gute wünscht / ich habe niemanden den ich anrufen kann, niemanden / und Leute lieben dich nur, wenn sie deinen Reichtum brauchen.”
In "Better" schmachtet Khalid der Leidenschaft einer geheimen Affäre hinterher: "Halte mich einfach im Dunkeln / Niemand muss wissen, was wir tun." Das vordere Drittel der Platte, das fast komplett aus im Vorfeld überzeugenden Singles besteht, zeigt Diversität und wenige Schwächen. Hier wurden auf kreative Weise verschiedenste Stimmungen und Texte leichtfüßig mit den variierenden Melodien verwoben. Die musikalische Untermalung ist abwechslungsreich und bedient sich verschiedenster Genres wie R'n'B, Soul, Hip Hop, Elektro und Pop. Die Midtempo-Rhythmen sind nah am Zeitgeist, erinnern jedoch auch stetig an emotionalen 80s-R'n'B. Noch mehr war das allerdings bei Khalids Erstlingswerk "American Teen" der Fall.
Die Hightlights des Albums sind insgesamt die Art von Songs, in denen Khalid sich weg von den stereotypischen Themen bewegt. Besonders gut verpackt er hier die "Hype and Fame sucks"-Hymnen wie "Hundred": "Jeder will einen Gefallen, jeder braucht mich / Aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, alle meine Dämonen abzuwehren." Im letzten Viertel geht der Texaner auf besonders tiefe und dunkle Seelenängste ein. Die Songs "Heaven" und "Alive" spiegeln die Gedanken wieder, die durch Selbstzweifel und durch Sehnsucht nach Führung entstehen. Der 21-Jährige weiß hier vor allem auf die Belange junger Fans einzugehen. "Saturday Nights" berichtet so z.B. von einem Mädchen aus schwierigem Hause und mit einem Job, den sie hasst.
Insgesamt ist die Musik eine Kreuzung aus Frank Ocean, John Legend und einer Brise Drake. Allerdings hat man irgendwie das Gefühl, dass durch Mitarbeiter und Produzenten hier der Diamant doch zu lange und zu gründlich geschliffen wurde, sodass manche Titel nur zum gleichgültigen Achselzucken einladen. Wirklich viel hängen bleibt hier nicht. Das Album hätte konkreter, weniger generisch oder schlichtweg außergewöhnlicher werden können. So ist es leider doch ein wenig inspirationsloser und risikoscheuer als im Vorfeld erwartet. Böse Geister würden es möglicherweise sogar langweilig schimpfen. Ich nenne es wirklich gut produzierte, mit wundervoller Stimme gesungene, aber auch durchdachte und geplante Hintergrundmusik. Mehr Qualität statt Quantität hätte hier möglicherweise ebenfalls geholfen. Drei bis fünf Songs weniger und das wäre ein durchaus rundes Konzeptalbum geworden.
Alles in Allem ein solider Nachfolger des Debüts, aber irgendwie sticht hier nichts wirklich heraus. Bei diesen Produktionen mit einer Reihe von Profis wäre es möglich gewesen Khalids coolen und frischen Style besonderer und einzigartiger herauszuarbeiten. Denn das Potential wäre nach Singles wie "Talk", "My Bad" und "Better" da gewesen. Bleibt die Frage, was für kreative Rückstände auf den Festplatten im Studio verstauben. Vielleicht hören wir die ja nächstes Mal.
2 Kommentare
Nicht meine Welt, aber dieser Sound könnte bei all den Vapor- und Retro-Kids die dergleichen gern downslowen um es melancholischer klingen zu lassen gut ankommen. Gerade wegen des Instrumentals.
bad aller