laut.de-Kritik
Ein zuckersüßer Pfirsich mit ein wenig Schimmel.
Review von Jasmin LützSie ist und bleibt ein reifer, zuckersüßer Pfirsich, der hier und da mal ein wenig Schimmel ansetzt. Aber der wirre LoFi-Cocktail von Kimya Dawson bleibt genießbar. Inzwischen dürfte jeder Liebhaber der New Yorker Singer/Songwriter-Rebellin wissen, wer diese charmante Punklady ist. "Remember That I Love You" betitelt sie ihre mittlerweile fünfte "Scheitern als Chance"-Poesie und sorgt wieder mal für rotzfreches und warmherziges Liedgut, das sich auch hier und da mit politischen Aspekten befasst.
Vergessen wir mal Adam Green, Moldy Peaches und die gemeinsamen, wilden Zeiten. Kimya bleibt ihrem schrulligen Rock'n'Roll-Temperament treu. Während sich andere für Aufmerksamkeit und Medienpräsenz regelrecht prostituieren, bevorzugt sie nach wie vor die kleineren Clubs und den direkten Kontakt zu ihrem Publikum. Ein Konzerterlebnis mit Kimya und ihren Freunden bringt jedem Gast ein Lächeln aufs Gesicht. Für eine zärtliche Umarmung und ein privates Gespräch findet die Grande Dame des Antifolk anschließend immer Zeit.
"Do It Yourself" bleibt das Motto ihrer Provokation. "Remember That I Love You" lädt erneut ein in die Intimsphäre einer Künstlerin, voller Naivität und Zynismus. Auf der "Insel der Menschlichkeit" bewegte sie sich bereits 2004 mit ihrem Album "Hidden Vagenda" herausragend. Nun folgt "Music That Touches The Heart", Part II. Wie immer hat es eine Fortsetzung nicht leicht, an die Beliebtheit des ersten Teils anzuknüpfen. Die Regisseurin Kimya macht hier ja nichts Neues. Man vermisst ein wenig die mitreißenden Songs, die bei der letzten Platte sofort zum Mitsingen animierten ("I Will Never Forget").
Dennoch sprechen mir ihre neuen Hymnen für Loser mal wieder sofort aus der Seele. Die gewohnt unschuldige Melodik schrammelt auf der Akustikgitarre, dazu gesellen sich Glockenspiel, Melodika, Harmonium und Flöte. Ihr Wohnzimmer dient als Spielwiese, auf der sich zahlreiche Freunde aus aller Welt versammeln, um mit ihr gemeinsam geheimnisvolle, verbotene, leidvolle und ganz private Gedanken aufzunehmen.
Allein die Covergestaltung vom ebenfalls netten Rebellen Jeffrey Lewis und die ersten sanften Takte des Openers "Tire Swing" lassen einen erahnen, was einen erwartet. "Rockmusik muss nicht immer hart und laut sein", sagte schon einst Jonathan Richman, und nicht umsonst dient seine naive Popfaszination als glorreiche Vorbildfunktion für alle New Yorker Antistars. Die Stimme der werdenden Mutter bekommt hin und wieder Unterstützung aus verschiedenen Kehlen.
Mama Dawson nimmt nach wie vor kein Blatt vor den Mund und spricht frei aus ihrem Tagebuch des Lebens. Eine große Klappe, die auch gerne Schwäche zulässt. "Die Welt ist schlecht, aber denk immer daran, da ist jemand, der dich liebt."
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