laut.de-Kritik
Ein melancholisches Andenken an das große Geschenk des Lebens.
Review von Toni HennigAm 26. April 2022 verstarb Elektronik-Pionier Klaus Schulze im Alter von 74 Jahren nach langer Krankheit. Für Sohn Maximilian Schulze und Frank Uhle, Manager der Plattenfirma SPV Schallplatten, kam der Tod trotzdem "plötzlich und unerwartet", wie sie auf Facebook mitteilten. Schulze sei ein "Überzeugungstäter" und "Ausnahmekünstler" gewesen, sagte Uhle. Laut Mitteilung war der Berliner "seiner Zeit stets voraus" gewesen. Mehr als fünfzig Jahre lang habe der von Anhängern "Maestro" genannte Musiker seine "gewaltigen Klangteppiche" ausgebreitet, seine berühmten Sequenzen gespielt und eine "einmalige Schulze-Atmosphäre" geschaffen. Nun erscheint mit "Deus Arrakis" posthum ein neues Studioalbum des Wegbereiters der Berliner Schule.
Das entstand laut Schulze "so spontan wie immer". Dennoch knüpft der Elektronik-Pionier konzeptionell an sein elftes Studioalbum "Dune" aus dem Jahre 1979 wieder an. Nachdem er mit Lisa Gerrard von Dead Can Dance und Komponist Hans Zimmer für Denis Villeneuves Neuverfilmung von "Dune" zusammenarbeitete, sei bei ihm wieder "das Wüstenfieber ausgebrochen". Danach begab er sich "ins Studio und fand dort noch eine Celloaufnahme seines Freundes Wolfgang Tiepold", der Parts an diesem Instrument für die 1979er-Platte beisteuerte und auch auf dieser Scheibe wieder mit von der Partie ist. Erst "am Ende" seiner "zweiten, wieder ganz persönlichen "Dune"-Reise" ist dem "Maestro" klar geworden, dass "Deus Arrakis" ein "nochmaliger Salut an Frank Herbert" und "das große Geschenk des Lebens" im "weiteren Sinne" ist.
Im Gegensatz zum gewöhnungsbedürftigen "Dune" besinnt sich Klaus Schulze wieder auf alle Versatzstücke, die ihn berühmt gemacht haben, wie schon das anfängliche "Osiris" beweist, wenn er einen melancholischen Klangteppich ausrollt, der stets auf- und abebbt, sich progressive Sequenzen dazwischenschieben und zirpende Elektroniksounds hypnotisierend durch den Track rotieren. Dabei muss man nicht das Buch Frank Herberts in- und auswendig können, um sich von der Musik an einem anderen Ort tragen zu lassen. Sie erfüllt auch bei einem Waldspaziergang oder beim Aufrufen nostalgischer Erinnerungen ihren Zweck.
Melancholisch bleibt es auch im weiteren Verlauf. Dennoch beginnt "Seth" mit bedrohlichen Soundscapes recht sperrig. Nach kurzer Zeit gesellen sich aber schummrige Ambient-Klänge und rhythmische Sequenzen hinzu, so dass wieder mehr die Schulze-typische Atmosphäre in den Vordergrund rückt. Kurz nach der zehnten Minute mischen sich dann Sitar- und Cello-Improvisationen in den Track, hier und da von verspielter Elektronik flankiert. Gegen Ende verlieren sich die rhythmischen Sequenzen in den unendlichen Weiten des Universums, so dass durch die ambienten Sounds Tiepolds Spiel am Cello besser zum Tragen kommt.
"Der Hauch Des Lebens" entfaltet schließlich zum Schluss mit tiefen Klangflächen sowie sorgsam in den Mix eingebauten Hauchgeräuschen Eva-Maria Hagermanns und Field Recodings eine mysteriöse Grundstimmung, hier und da von rotierender, vor sich hinblubbender Elektronik sowie ätherischen Gesangs- und Melodiefetzen abgelöst. Am Ende mündet die Nummer in einem dramatischen Finale, so dass die Platte einen würdigen Abschluss findet.
Hans Zimmer ehrte den Berliner im Dezember vorigen Jahres mit folgenden Worten: "Klaus Schulzes Musik war nie relevanter als heute. Mehr als je zuvor ist Klaus Schulzes Musik die perfekte Balance zwischen Seele und Technologie." Dass die Musik des Elektronik-Pioniers immer noch Seele besitzt, dafür liefert "Deus Arrakis" einen eindrücklichen Beweis. Innovationen und Neuerungen darf man von der Scheibe zwar nicht erwarten, aber dafür verdeutlicht der "Maestro", welch große Lücke er in der Musikwelt hinterlässt.
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