laut.de-Kritik
Karriere-Rückblick im Leonard Cohen-Stil.
Review von Giuliano BenassiZeitlose Lieder hat Kris Kristofferson viele geschrieben. Doch ist er in seinem über 40-jährigen Schaffen eher der Songwriter als der Singer geblieben. Während Elvis Presley ("For The Good Times", "Help Me Make It Through The Night"), Johnny Cash ("Sunday Morning Coming Down"), Janis Joplin ("Me And Bobby McGee") und viele andere erfolgreich seine Songs coverten, erklomm er selbst nur selten die höheren Etagen der Charts.
Vielleicht lag es daran, dass sein Gitarrenspiel zu simpel ausfiel, und seine Stimme ein bisschen zu wenig eindringlich. Vielleicht auch daran, dass er eine erfolgreiche Karriere als Schauspieler einschlug, die bis heute anhält. Doch ist er gealtert wie ein guter Wein. Während seine Weggefährten längst gestorben sind, ist Kristofferson, Jahrgang 1936, immer noch in guter Verfassung. Seine letzten drei Alben hat er unter der Führung von Don Was aufgenommen. Regelmäßig geht er mit Akustikgitarre, Mundharmonika und seinem Repertoire auf Tour.
Am 26. September 2013 trat er in der kleinen, aber feinen Union Chapel in London auf. Zunächst macht er noch einen zugeknöpften Eindruck, das erste von zu vielen trockenen "Thank Yous" entfährt ihm schon, bevor er zum ersten Stück ansetzt. Staubtrocken wirkt auch seine Stimme, die manchmal in ein Krächzen übergeht. Seine Zupftechnik ist nach wie vor nicht die abwechslungsreichste, die Mundharmonika scheint er eher einzusetzen, um diesen Umstand zu übertünchen.
Doch spätestens beim dritten Song "Me & Bobby McGee" hat man dank der exzellenten Abmischung den Eindruck, auf einer Kirchenbank im Publikum zu sitzen. Wenn man die Augen schließt, sieht man gar die Gespenster von Joplin, Cash oder Elvis hinter ihm stehen und zustimmend nicken.
Die Stimmung hellt sich auf, als sich Kristofferson bei "Best Of All Possible Worlds" verhaspelt und meint, er habe das Stück vor einer langen Zeit geschrieben. Das Publikum ist amüsiert, zeigt seine Begeisterung zunächst aber nur höflich. Offenbar wissen die Zuschauer, wer vor ihnen steht, und wollen jeden Augenblick davon genießen. Zumal Kristofferson nicht die Eine-Stunde-plus-Zugabe-Nummer abzieht, sondern im Leonard Cohen-Style beeindruckende 34 Stücke aufführt und dabei sein gesamtes Oeuvre berücksichtigt.
Natürlich kommen die alten Stücke am besten an. Davon gibt es viele, allein neun stammen aus seinem ersten Album "Kristofferson" von 1970. Ein zehntes, "Come Sundown", schrieb er ebenfalls in jener Zeit. Fünf weitere sind seinem Zweitling "The Silver Tongued Devil And I" (1971) entliehen.
Nachdem er sich eingesungen hat, klingt seine Stimme eine Weile lang besser, bis sie irgendwann trotz wiederholten lauten Räusperns kaum mehr als ein Kratzen darstellt. Das Publikum und er werden trotzdem immer lockerer. Bei "Silver-Tongued Devil" schwelgt Kristofferson sogar kurz in Erinnerungen.
Den Schluss macht das einzige Lied, mit dem er die Spitze der Country-Charts schaffte, "Why Me". " Maybe Lord I can show someone else what I've been through myself ", sang er damals, 1973, in einer schwierigen Phase seines Lebens. Ein Wunsch, der spätestens bei diesem Auftritt in Erfüllung gegangen sein dürfte.
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