laut.de-Kritik
Stonertum mit musikalischer Schnöselei.
Review von Maximilian Fritz"1995" – solange gammelte das just erschienene, erste und einzige echte Kruder & Dorfmeister-Album auf dem Dachboden, ehe die beiden Wiener die Zeit gekommen sahen, es zu veröffentlichen. Nötig hatte das Duo die Aufmerksamkeit damals nicht. Mit ihrer EP "G-Stoned" von 1993 waren sie ohnehin in aller Munde, ihr schwülstiger, raumgreifender Sound über alle Maßen gefragt. 1996 erschien dann die legendäre DJ-Kicks, die als Visitenkarte für Welttourneen und globalen Ruhm vollumfänglich genügte.
Die 15 Tracks, die im engeren Kreis und in freilich stark limitierter Fassung bereits seit etwa einem Vierteljahrhundert kursieren, klingen so, wie man sie sich erwartet und wahrscheinlich auch erhofft hat: zuvorderst von Marihuana katalysiert, fein säuberlich aus Samples zusammengeflickt, wie aus der Zeit gefallen und vor etwaigen Moden gefeit.
Die langsamen, tapsigen Beats dienen dabei als Steigbügelhalter für grazile wie mächtige Basslines, die hin und wieder die Nebelschwaden unterm Türschlitz durchpusten. Stimmungsvoll bleibts immer, egal ob etwas melancholischer ("White Widow") oder für die hiesigen Verhältnisse beinahe hyperaktiv ("King Size"). Das Gespür für das richtige Sample zur richtigen Zeit zeichnet das Duo dabei nach wie vor aus.
"1995" ist nicht bloß funktionaler Stoner-Sound, der den Lockdown begleitend untermalt. Tracks wie die schmierige Slow-Sex-Nummer "In Bed With K&D" oder "Ambiente", das Free-Jazz die Fesseln des ewig währenden, monotonen Loops anlegt, haben höhere Ambitionen, ohne diese zu affektiert vor sich herzutragen. Das ist wohl die wichtigste Säule des Mythos Kruder & Dorfmeister: Die totale Freiheit in der Musikproduktion und -rezeption.
Dem Album wohnt mit seiner Nonchalance einerseits etwas Radikales inne. Provokant und subversiv war es damals sicherlich mehr als heute, sich im Studio zu verbarrikadieren und nach extern induzierter Inspiration tagelang vor sich hinzujammen, Bausteine der Tracks zu verändern, nur um am Ende mit einem weiteren schlurfenden Trip-Hop-Stück ans Tageslicht zu treten.
Andererseits benötigt diese Musik überhaupt keine kulturelle Signifikanz, mit der man sie aufladen müsste. Das 13-minütige Herzstück von "1995", "One Break", illustriert diesen Gegensatz sehr präzise. Kruder & Dorfmeister bauen den Track minutiös auf, Samples konkretisieren sich, Elemente fügen sich in den Mix. Darunter rumort eine Bassline, die gleichzeitig jede*n zufriedenstellt, mindestens aber bei der Stange hält, der*die es auf die funktionale Ebene dieser Musik abgesehen hat. Stilistische Varianz ist trotzdem gegeben, Drum'n'Bass-Kapriolen schleichen sich auf den letzten Metern ein.
"1995" ist damit zuvorderst ein Album, das Gegensätze auflöst und behutsam miteinander versöhnt. Die lange zurückliegende Vergangenheit, in der es entstand, mit der trüben Gegenwart. Langatmiges Stonertum mit musikalischer Schnöselei. Zurückhaltung und aufreizende Lässigkeit. Auch eine Definition von Zeitlosigkeit.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Rezension und Bewertung passen meiner Meinung nach nicht zusammen. Vom Fazit her leuchtet mir die 3/5 nicht ein.
Bin auf jeden Fall gespannt und höre mir das Album an. Die DJ Kicks mag ich immer noch sehr. War und ist Musik zum Chillen - nüchtern wie auch stoned.
Weed ist doch voll 2002...Heute trinkt man codeinhaltigen Hustensaft in Verbindung mit abgelaufenem Gorgonzola und aufgekochten Frauenschlüppern aus dem Darknet. Dann flasht man auch auf Moneyboy oder trappigen K-Pop.
Soll heißen: Werde auch mal reinhören, wenn sich die Pflanze bietet.
Album macht Spaß. Reicht nicht an die DJ Kicks heran (HALLO MEILENSTEIN ?!), muss es aber auch nicht. Die Rezension bringt es ganz gut auf den Punkt -"ein zeitloses Album, zurückhaltend und aufreizend lässig". Kann nur den Veröffentlichungszeitpunkt nicht ganz nachvollziehen - für mich ein Album für den Sommer. Chillen auf dem Balkon, der Terrasse, den Beach-Club etc. Solide 4/5
Signed, wegen DJ-Kicks-Meilenstein ebenso wie bzgl. VÖ-Zeitpunkt dieser Scheibe hier. Läuft im beheizten Wohnzimmer/Homeoffice bei herbstlich vernebelten 3°Außentemperatur spärlichst mal die gesamte Spielzeit.