laut.de-Kritik

Frischer Fahrtwind für Wunderkerzenmenschen.

Review von

Will man es als Frau in der deutschen Popmusik zu etwas bringen, setzt man am besten auf einen etwas kindlichen Vornamen, der Unschuld suggeriert: Nena und Lena haben es vorgemacht, und LEA ist ja quasi ein Destillat beider Namen.

Als Nena wurde Gabriele Susanne Kerner zu einer der erfolgreichsten Künstlern in der deutschen Musikgeschichte, und Lena machte irgendwann den bösen Fehler, ihren Nachnamen Meyer-Landrut zu promoten. Aber Lea-Marie Becker, seit ihrem 15. Lebensjahr durch die Marketing-Maschine YouTube gedrillt, wird dies sicherlich nicht passieren. Das sieht man schon daran, dass sie LEA in markigen Großbuchstaben in die Welt hinausschreit.

Auf ihr Debüt-Album "Vakuum" aus dem Jahr 2016 folgt nun das Zweitwerk "Zwischen Meinen Zeilen", und gleich auf dem ersten Lied "Landebahn" erinnert ihr gehauchter Gesang an Nena und deren Hit "Leuchtturm". Beides Liebeslieder, in denen der Partner als Anker besungen wird. So weit, so unfeministisch und harmlos, denn während Nena zumindest am Anfang ihrer Karriere noch melodiestarke Songs veröffentlichte, plätschert hier alles leise und möglichst nicht störend vor sich hin.

Ein Album wie ein Tchibo-Regal, einerseits pragmatisch, andererseits kitschig: Zum einen bedient "Zwischen meinen Zeilen" aktuelle Pop-Radiohörgewohnheiten perfekt. Zum anderen schielt es auch in Richtung neuer Schlager à la Helene Fischer und Vanessa Mai mit Liedern, die allen Ernstes "Wunderkerzenmenschen" heißen. Im Verlauf des Albums leert LEA ihren "Rucksack voller Sorgen" aus, verbrennt alle "Zweifel" und tanzt dazu im Wunderkerzenmeer. Metaphern aus der Hölle, Musik aus der Retortenfabrik.

Einzig der reduzierte Track "Lieber allein" sticht ein bisschen aus dem glatt gebügelten Einheitskommerz heraus. Im Titelsong "Zwischen Meinen Zeilen" schraubt sich schließlich LEAs Gesang in Höhen, die wohl Sensibilität beweisen sollen, während ein Pianolauf-Rührstück das Lied begleitet, in dem sie fordert: "Weniger Vergangenheit, mehr Utopie". Utopisch daran ist jedoch nur der Anspruch, auf dem Album etwas Neues zu wagen.

Vielmehr bewegt sich LEA sicher in den Gewässern der so genannten neuen deutschen Pop-Poeten wie Mark Forster und Wincent Weiss (An dieser Stelle fragt man sich als Frau, warum diese sich nicht einfach Mark oder Wincent nennen...). Mit Ersterem entstand übrigens die Single "Zu Dir" und mit Letzterem singt LEA den Abschlusssong "Blicke". Durchkalkuliert bis zum bitteren Ende.

Trackliste

  1. 1. Landebahn
  2. 2. Zu dir
  3. 3. Halb so viel
  4. 4. Zwischen meinen Zeilen
  5. 5. Heimweh nach wir
  6. 6. Lieber allein
  7. 7. Fahrtwind
  8. 8. Wunderkerzenmenschen
  9. 9. Leiser
  10. 10. Applaus
  11. 11. Klavier
  12. 12. Immer wenn wir uns sehn
  13. 13. Blicke

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