laut.de-Kritik

Selbst der Papst liebt den Baby-Yoda-Swag.

Review von

"Realness ist nicht existent", erklärte LGoony jüngst gegenüber Puls, womit er die Axt an eines der Rap-Dogmen anlegte: "Warum dann nicht direkt All In gehen und alles machen dürfen? In meiner Musik kann ich fliegen und bin der reichste Mensch der Welt. Warum nicht?" Bereits mit "Grape Tape" verfolgte er vor fünf Jahren diesen Ansatz. Eine geballte Portion Nonsens über monetäre Errungenschaften, die musikalisch unwahrscheinlich gut funktionierte. Als vielleicht einziger deutscher Rapper verleiht er seitdem Autotune einen regelrecht stilvollen Glanz.

"Bis hierhin war das alles Demo. Ich bau' was auf, als wär' es Lego", legt er einleitend das Fundament aus, zu dem er mit seinem eingängigen Cloud Rap einen luftigen Abstand hält. Produzent SOTT webt lockere Steel Drums in das eröffnende "Demo" ein. "Audemars", ein Titel, der in den Tracklisten anderer Rapper zum skippen einlädt, gleitet unter produktioneller Aufsicht von Mary mit geschmackvoll dezenter Pianobegleitung dahin. Und mit dem "Dripolympics"-Teilnehmer Young Kira hebt er weiter ab, um in "Highlife" "auf die Skyline" herabzublicken.

"Ich bin im täglichen Kontakt mit der Bevölkerung vom Mars. Wohn' im Nachbarhaus von Drake, doch sag' ihm niemals 'guten Tag'." Ganz neue Sphären erreicht das vergnügliche Aufbauschen des eigenen Ruhmes in "1x1". "Selbst der Papst rappt die Texte alle mit", weiß der Kölner zu berichten. Kein Wunder, denn "acht Milliarden Menschen kennen meinen Namen." So geschickt wie LGoony bewegt sich der eingeladene Juicy Gay nicht durch das viskose Medium von Prosp3ct. Wirklich negativ fällt der Meme-Rapper aber ebenso wenig auf wie sein Kollege MoneyBoy auf "Broke".

LGoony schwebt aber nicht nur über den Dingen. In "Allein Gegen Alle" steigt er hinab, um dem Hörer überraschend konkret seine Sicht auf die Musikindustrie zu verklickern. Netzwerken, Hypehuberei, Anbetung der Algorithmen? Lachhaft. Medien, Kollegen, Kritiker? Können sich in Autoerotik üben. "Ich sagte 'nein' zu Universal, redete nicht mit Division", grenzt er sich von den großen Spielern ab, um sich selbst als Überzeugungstäter herauszustellen: "Ich mach' die Scheiße ohne Manager, Label oder A&R, weil kein Mensch mir sagen darf, wie meine Kunst zu klingen hat."

Die ernsthafte Haltung fällt vor allem deshalb für den Gesamteindruck ins Gewicht, weil sein Geld-Gerede schon immer mehr als eine Spur der Parodie anhaftete. Dieser Eindruck verstärkt sich mit Blick auf seine Videos, die förmlich 'Persiflage' ausrufen. Wenn er als vierzehnjähriger Kandidat bei "Deutschland sucht den Superstar" aufschlägt, um "Rihanna" nachzueifern und anschließend den Neureichen gibt, der in Interviews grinsend die Bedeutung innerer Werte betont, ist das äußerst unterhaltsamer Blödsinn, der dem zugrundeliegenden Song nichts von seinem Hit-Appeal nimmt.

AsadJohn unterlegt die Vorab-Single mit einem träumerischen Instrumental, zu dem sich vortrefflich der diesjährige Sommerurlaub imaginieren lässt. Dazu lässt LGoony Referenzen auf "Umbrella", "Work" und "Diamonds" sowie einen Seitenhieb auf Mark Forster einfließen, den er auch auf seinem höchst amüsanten Twitter-Account gerne ins Visier nimmt. Mit dem selbstproduzierten "Juni" erreicht er fast schon idyllischen Trap-Schlager mit nachdenklichem Unterbau, das folgende Hook bereithält: "Fühlt sich an wie Juni, Jacke ist von Gucci, ride mit der Uzi quer durch die Stadt."

Mit "Frost Forever" gelingt LGoony erneut eine bemerkenswert einprägsame musikalische Melange. Während sich Nachfolger wie Negatiiv OG bis ins kleinste Detail an den US-amerikanischen Trap-Vorbildern orientieren und daraus sogar eine Verpflichtung ableiten, einen bestimmten Lebensstil privat zu pflegen, genießt der Kölner in seiner eigenständigen, mehrschichtigen Persönlichkeit alle Freiheiten und zieht als kaum durchschaubares und zugleich völlig einleuchtendes Gesamtkunstwerk die Herzen auf sich: "Young as fuck und alle lieben mich. Ich habe den Baby-Yoda-Swag."

Trackliste

  1. 1. Demo
  2. 2. Allein Gegen Alle
  3. 3. Rihanna
  4. 4. Audemars
  5. 5. Broke (mit Money Boy)
  6. 6. Juni
  7. 7. Highlife (mit Young Kira)
  8. 8. 1x1 (mit Juicy Gay)
  9. 9. All In

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT LGoony

"Deutscher Rap, ich bin empört. Alles hab' ich schon vierzig Mal gehört. Bevor ich mir eure Tracks auch nur zieh', höre ich lieber nie wieder Musik." …

6 Kommentare mit 2 Antworten