laut.de-Kritik

Zeig mir deine Narben, und ich sage dir, wer du bist.

Review von

Musik ist so ein wunderbares Medium, weil es ungefähr jede erdenkliche Emotion von jedem erdenklichen Typ Mensch authentisch wiedergeben kann. Schließlich fühlt man sich doch unweigerlich der Musik, oder universeller gesprochen dem Medium verbunden, das die eigene Persönlichkeit oder Stimmung in gewisser Weise widerspiegelt oder ergänzt.

Aber wieso hören wir dann eigentlich gerne traurige Musik? Um uns noch schlechter zu fühlen? Elend, Melancholie und Traurigkeit halten sich seit jeher hartnäckig in jeder Form der Kunst, dabei fühlt man sich ja nicht gerne schlecht, geschweige denn lässt man sich gerne freiwillig die gute Laune versauen. Studien belegen zwar, dass traurige Musik die eigene Stimmung durchaus verschlimmern kann, sie attestieren ihr aber ebenso sehr einen therapeutischen Effekt. Geteiltes Leid ist eben halbes Leid, auch wenn man es mit Menschen teilt, die man nur im Audioformat kennt.

La Disputes "Wildlife" ist dieses Konzept in seiner radikalsten Ausführung. Wo andere Alben, oder Filme den therapeutischen Zweck erfüllen, die Tränendrüsen mal wieder zu entleeren oder einem in seiner eigenen Niedergeschlagenheit Gesellschaft leisten, da fängt der emotionale Abgrund, in den die fünf aus Michigan mit ihrem zweiten Studio-Album abtauchen, gerade erst an. Die Tränendrüsen treten sie mit Stahlkappenschuhen kaputt, und Gesellschaft leisten sie höchstens in Form von Schocktherapie. La Disputes gemarterter Post-Hardcore ist keine stille und leise Anklage, sondern ein ohnmächtiger, verzweifelnder Schrei, eine Bestandsaufnahme einer kaputten Adoleszenz in einer Welt, die in den Köpfen unterzugehen droht.

"Wildlife" ist ein schwarzes Loch aus Elend und Leid, das einen verschlingt, verkrüppelt und (fast) ohne Katharsis wieder ausspuckt. Dieses Album zieht nicht spurlos an einem vorbei, denn dieses Album traut sich an Orte, die eigentlich tabu sind, über die man einfach keine Musik macht, weil sie so vernichtend und tragisch sind, dass sich daraus eigentlich kein unterhaltsamer Mehrwert ziehen lässt. Das klaustrophobische, in sich implodierende Finale von "King Park", die vor Wehmut triefende Gitarre auf "Safer In The Forest", die simple Ausschrei eines Datums auf "I See Everything": Einzelne Momente sind so unfassbar potent in ihrer emotionalen Durchschlagskraft, dass sie fast schon spürbare seelische Narben hinterlassen.

Also erneut die Frage: Wieso hört man sich sowas freiwillig an? Muss man nicht ein wenig masochistisch veranlagt sein, um solch eine auditive Tortur über sich ergehen zu lassen? Vielleicht. Andererseits ist es eben genau diese Radikalität, die "Wildlife" so einzigartig und effektiv macht. Das Erlebnis, dieses Album zum ersten Mal in Gänze zu hören, ist eines, an das ich mich wohl ewig erinnern werde. Nicht nur weil es eine der wohl heftigsten Reaktionen in mir auslöste, zu der je ein Medium fähig war, auch weil es nachhaltig etwas in mir veränderte.

In einer Zeit, in der meine eigenen Gedanken meine größten Feinde und die Zukunft ein zähnefletschendes Monster war, gierig darauf über mich herzufallen, tat es unfassbar gut, von Jordan Dreyer ungeschönt ins Gesicht gebrüllt zu bekommen, dass ich mit diesem Gefühl verdammt nochmal nicht alleine bin. Inmitten all der Wunden, in die die Band ihre Finger legt, findet sich eine verletzliche und gleichmachende Menschlichkeit, die einen vielleicht nicht aus dem Loch heraus zieht, in dem man sich gerade befindet, die aber Halt und Perspektive gibt, die Hoffnung macht.

Die Geschichten die Sänger Jordan Dreyer erzählt sind zwar alle wahr, aber er selbst ist nicht immer Teil davon. Das Album ist vielmehr eine Art Tagebuch, mittels dessen er menschliches Leiden in all seinen Facetten erforscht, um sein eigenes zu verarbeiten. Er tut dies in vier Kapiteln, die er im öffnenden Song "A Departure" benennt: "First the feeling of abandonment, then trying to cope. Then death and hope and the thing itself waiting for me. It's all in the pages ahead of me."

Abandonment

Das erste Viertel des Album legt den tonalen und inhaltlichen Grundstein. Dreyer steckt den Rahmen dessen ab, was ihn beschäftigt, was für Ängste ihn heimsuchen und welche Geister der Vergangenheit auch heute noch ihre Spuren hinterlassen. "Harder Harmonies" erzählt zum Beispiel von dem Gefühl, sozial von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, unfähig in die Harmonie, die die Welt so fröhlich und einstimmig um einen herum summt, mit einstimmen zu können.

Auf "St. Paul Missionary Baptist Church Blues" vergleicht er seine schwindende mentale Stabilität mit dem Zerfall einer Kirche in seiner Heimatstadt, die früher ein Anker in der Community war, heute aber nur noch langsam und unbeachtet verrottet ("Have I gone the same sad way?"). Jene Heimatstadt ist auch Thema von "Edit Your Hometown". Wie eine Geisel hält sie Dreyer gefangen, der voller Reue darüber reminisziert, sie als einziger seiner Freunde ("Are we still friends at all?") nicht hinter sich gelassen zu haben und nun einer trostlosen Zukunft entgegen sieht. ("I still believe I might get left here.")."Don't make the same mistake as me", schreit Dreyer am Ende mahnend, sichtlich ergriffen.

Schnell wird deutlich, dass die Musik von La Dispute oftmals Spoken-Word Poesie nahe kommt. Es finden sich keine Refrains, keine catchy Melodien, keine mitreißenden Riffs, nur ein unaufhaltsamer Mahlstrom an Emotionen, der einen zu zermalmen droht. Und Dreyers Stimme, die ständig so klingt, als sei er eine schlechte Nachricht davon entfernt in Tränen auszubrechen, ist das perfekte Vehikel dafür. Nicht nur weil er mühelos den perfekten Mittelweg zwischen Aggression und Verständlichkeit findet, auch das was er sagt, ist so wunderschön bildlich und unmissverständlich direkt, dass mit jedem neuen Verse das ohnehin bis obenhin mit emotionalen Zündstoff vollgestopfte Songwriting zu explodieren droht.

Darin, in Kombination mit dem zur Schau gestellten handwerklichen Talent und der instrumentalen Dynamik, liegt die Einzigartigkeit von La Dispute, die sie aus der Fülle des sentimentalen Post-Hardcore Einheitspreis herausstechen lässt. Sie sind die Virtuosen unter den Schwarzmalern. Die, die eben nicht nur einen pechschwarzen Farbtopf auf die Leinwand kleistern, sondern ihrer Seelenlandschaft in allen Facetten der dunklen Seite des Farbspektrums Ausdruck verleihen. Detailverliebt und akribisch pinseln die Jungs aus Michigan Szenerien der Tristesse, die sie nach und nach zu einem kohärenten Gesamtkunstwerk verweben.

Cope

Selbst wenn La Dispute davon singen, wie sie ihre Dämonen konfrontieren, tun sie das vollkommen frei von Optimismus "A Letter" ist so unglaublich persönlich und intim, aber eben auch allgemeingültig, dass wohl tausende Menschen auf der ganzen Welt das Gefühl haben müssen, Dreyer bringe das zum Ausdruck, wofür sie nicht die richtigen Worte finden. Er singt vom Unglücklichsein, von Depressionen, von der damit einhergehenden Isolierung und vom Gefühl, selbst die Schuld an all dem zu tragen. "Looking back I maybe never tried hard enough. Maybe I never tried at all", resümiert er über den Kampf sich von all dem loszusagen.

Im anschließenden "Safer In The Forest/Love Song For Poor Michigan" erfolgt dann zum ersten Mal eine Art Stimmungswechsel. Dreyer lässt die Stadt hinter sich und findet geborgen in den Händen der Natur, abseits des Lärms, tatsächlich so etwas wie Ruhe und, für einen kurzen Moment, inneren Frieden. Das schlägt sich auch in der bittersüßen Instrumentierung wieder, die hin und wieder mehr süß als bitter tönt und einem wirklich das Gefühl gibt, vor Ort zu sein, wenn Dreyer vorbei an Baumreihen schreitet und dem befreienden Chorus der Blätter beiwohnt. "We will rise again from ashes one day!": Abschließend erlaubt er sich sogar ein wenig Lebensmut. Es ist der vielleicht strahlendste Lichtblick den sich La Dispute auf "Wildlife" erlauben.

Dessen gedimmte Strahlen finden vereinzelt auch noch ihren Weg in "The Most Beautiful Bitter Fruit", einer fast schon medizinisch-distanzierten Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Dreyer beschreibt den flüchtigen, erkalteten Kontakt zweier Körper als biologischen Prozess, als animalischen Instinkt, der keinerlei langfristige Befriedigung mit sich bringt ("No love, no life, no history.Just touch, just chemistry"). Dennoch begrüßt er ihn mit offenen Armen, gerade weil da eben doch mehr sein kann, wenn zwischen zwei Körpern nicht nur Funken, sondern ein loderndes Feuer entfacht. "A body that makes sense" müsse man dafür nur finden. "I've felt it!" schreit er voller Schmerz und plötzlich erlischen auch die allerletzten Lichtstrahlen.

Death

Ein Großteil des Rufs, der diesem Album vorauseilt, und der niederschmetternde Superlativ aus der Einleitung beziehen sich auf diesen Teil. "A Poem" legt den Grundstein und zeichnet Dreyer am absoluten Nullpunkt, an dem Moment, in dem er das erste Mal darüber sinniert, dass früher oder später der Tod "worry and wonder" seinem Leben ein Ende setzen wird. Als er die Worte ausspricht, schwingt in ihnen eine leichte Sehnsucht mit.

Die anschließenden drei Geschichten bauen auf dieser Thematik auf, mit dem Unterschied, dass in ihnen der Tod nichts Erlösendes mehr mit sich bringt, sonder in seiner vollen Tragweite und grausamen Finalität in Erscheinung tritt. "But there cannot be a reason, not for death. Not like this, not like this", stellt er resignierend fest.

"King Park" ist vielleicht das Kronjuwel der Diskographie von La Dispute. Diese sechs Minuten sind eine Tour de Force der Gefühle, eine Meisterleistung im Storytelling und gehören womöglich zu den emotional auslaugendsten der Musikgeschichte. Die Grundlage liefert die wahre Geschichte eines misslungen Drive-By-Shootings in Dreyers Heimatstadt bei dem ein unschuldiges Kind ums Leben kam. La Dispute machen daraus eine in jeder Faser des Körpers spürbare Erfahrung. Sie führen die Kamera, nehmen uns mit an den Tatort, ins Haus der verbliebenen Eltern, zurück in die glückliche Vergangenheit, auf die Beerdigung und zuletzt in den Kopf des von Reue zerfressenen Schützen.

Die Instrumentation ist das Spiegelbild der Gefühle, die in Dreyer aufkochen, als er dieses erschütternde Ereignis nacherzählt. Donnernde Riffs, als er zum ersten Mal von der Nachricht hört, melancholisches Gezupfe, wenn die Realität langsam einsickert, und ein filmreifes anschwellendes Crescendo, wenn die Polizei den Schützen in einem Hotelzimmer einkesselt. Unnachgiebig dringt die Band in das Seelenleben aller Beteiligten ein, und wenn sich die Knöchel der geballten Fäuste schon vor Anspannung weiß färben, setzten La Dispute nochmals einen drauf, bohren den Finger noch tiefer in die Wunde. "Felt the world was collapsing", dann Stille und ein Aufschrei das Blut in den Adern gefrieren lässt: "Can I still get into heaven if I kill myself. Can I ever be forgiven cause I killed that kid? It was an accident I swear it wasn't meant for him." schreit der Täter ehe er die Waffe gegen sich selbst richtet. Es ist schwer in Worte zu fassen, was diese wenigen Minuten mit einem machen. Mit der Intensität eines Lastzug durchbrechen sie jegliche seelischen Barrieren der Unschuld und reißen einen hinab in den Höllenschlund der Ungerechtigkeit und der Willkür.

"Edward Benz, 27 Times" und "I See Everything" stehen dieser Intensität jedoch in nichts nach. Erstgenannter Song erzählt die Geschichte eines Mannes, der von seinem schizophrenen Sohn mit einem Messer attackiert und beinahe tot gestochen wurde, letzterer rekapituliert in Tagebuchform die Erlebnisse einer religiösen Familie, die ihren siebenjährigen Sohn an Krebs verliert. Harter Tobak wäre eine Untertreibung für die emotionale Tragweite dieser Erzählungen. Besonders weil Dreyer dahin geht, wo es wirklich weh tut. Seine Worte sind rasiermesserscharfe Klingen, die wieder und wieder mitten ins Herz treffen.

Beeindruckend ist, mit welch feinem Gespür für Stimmung die Band sich diesen Schicksalen widmet. Die organische Instrumentation selbst ist würdevoll, ja beinahe empathisch. Sie atmet die Gefühle, die zwischen den Zeilen lebendig werden. Dreyer selbst, dessen Poesie auch hier wieder glänzt, setzt währenddessen genau die richtigen Akzente, um nicht in eine Voyeur-Rolle zu geraten, der diese Tragödien als Außenstehender begafft.

Sein eigenes Narrativ spinnt er am Ende der Songs weiter, überfordert, unwissend wie er mit all dem umgehen soll. "And I sit in my apartment. I'm getting no answers. I'm finding no peace, no release from the anger. I leave it at arms length. I'm keeping my distance from hotels and Jesus and blood on the carpet. I'm stomaching nothing. I'm reaching for no one. I'm leaving this city and I'm headed out to nowhere"

Hope

Diese Flucht ins Nichts führt ihn am Ende wieder zurück zu sich selbst. "A Broken Jar" ist der letzte der vier Briefe, die die einzelnen Kapitel der LP einleiten. Ein finales Schreiben, begleitet von reduziertem Blues, adressiert an wen auch immer ("Who have I been writing to? I'm not sure anymore"). Das titelgebende kaputte Glas, Dreyes zerbrochene Gefühlswelt lässt sich nicht länger reparieren. Also fasst er einen Entschluss: "Now I am throwing all the shards away". Anstelle weiter nach Antworten zu suchen, oder im Selbstmitleid zu ertrinken, erkennt er, dass er der Wahrheit ins Gesicht sehen muss, um aktiv etwas an seinem Zustand zu verändern.

Die Hoffnung, die darin mitschwingt, manifestiert sich anschließend jedoch nicht wirklich als solche. "All Our Bruised Bodies And The Whole Heart Shrinks" ist die kumulative Reflektion all dessen, was uns La Dispute in der vergangen 40 Minuten um die Ohren hauten. Es ist das Herzstück der gesamten LP. Eine offene Wunde, voller Unsicherheiten, Schmerz und vor allem: Angst. Einer wahnsinnig großen Angst nicht mit dem klar zu kommen, was das Leben für einen bereit hält. "Am I better off just bursting or breaking? Cause I don't see my heart getting strong", fragt sich Dreyer.

All die Geschichten von schizophrenen Söhnen, verstorbenen Kindern und trauernden Familien sollen jedoch Hoffnung geben. Wenn Menschen wie sie, die wahrlich durch die Hölle auf Erden gingen, die Stärke hatten, nicht aufzugeben, dann kann es jeder. Egal ob Religion oder Liebe, etwas überdauert, etwas sorgt dafür, dass man mit diesem Mühlstein, den man um den Hals durchs Leben trägt nicht alleine da steht. Nur glaubt Dreyer, dieses etwas noch nicht gefunden, respektive schon verloren zu haben. "Everyone is out searching for someone or something, I wonder what I'll find", singt er und leitet damit in die finale Bewältigung seiner persönlichen Tragödie über.

"You And I In Unison" ist ein ein Liebeslied. Was sich mehrmals andeutete, wird nun konkret. Dreyers Tragödie, "the thing itself", wie er es im Opener nennt, ist ein gebrochenes Herz. Das mag angesichts der an Tragik nicht mehr zu überbietenden Schicksale, derer er sich zuvor widmete, fast schon lachhaft banal wirken, aber wenn La Dispute mit "Wildlife" eines verdeutlichen, dann ist es, dass Schmerz unglaublich subjektiv ist und sich eine Wertung darüber, wer das pechschwärzere Los gezogen hat, grundsätzlich verbietet.

Wer jetzt allerdings erwartet, dass La Dispute dieses Konzept versöhnlich zu Ende führen, der irrt. Statt einem Glitter-behafteten Gute-Laune-Paukenschlag servieren sie lediglich ein Gewissheit schaffendes, verblassendes Seufzen. Auf "You And I In Unison" reminisziert Dreyer in wunderschönen Worten über eine verflossene Liebe und kommt zwar unweigerlich an dem Punkt an, an dem er erkennt, das loszulassen seine einzige Chance ist, doch er sträubt sich dagegen. "But if I still hear you singing in every city I meet. After I blur it all out, our every memory, if you never fade with the days, your shape still haunting me then, Should I not just sing along?" fragt er sich.

Die Antwort folgt prompt: "I'll sing your name in every line. Just like I did throughout this. Just like I've always done. In every gun, the empty church, and every tortured son. In all those giving up. In all those giving in. Until I die I will sing our names in unison". Was auf den ersten Blick romantisch klingt, ist in Wahrheit nur ein Eingeständnis, weiter mit diesem Schmerz leben zu müssen. Es ist bezeichnend, dass Dreyer fast eine Stunde damit verbringt, aus seinem eigenen Teufelskreis auszubrechen, um am Ende genau da zu stehen, wo er anfing. Reicher an Erfahrungen, die ihm in der Praxis absolut nichts nützen.

"Everbody in the world comes at some point to suffering"

"Wildlife" versucht gar nicht erst, uns etwas vorzumachen. In Form einer auditiven Selbsthilfegruppe legt das Album einem nach und nach die düstersten und tragischsten Ecken und Kanten der menschlichen Existenz offen, reißt die tiefsten Wunden auf, ohne Anleitung, wie man irgendetwas dagegen tun kann, ohne allzu große Hoffnung auf Besserung, ohne Happy End. La Disputes Zweitling ist kein Album, für das man in der richtigen Stimmung sein muss (sofern es die denn überhaupt gibt), denn es hämmert einem diese Stimmung ohnehin mit dem Vorschlaghammer ein. Wenn alle Dämme aber erst einmal gebrochen sind, erkennt man den Wert darin.

Denn wie in einer echten Selbsthilfegruppe findet man nach und nach ein wenig Trost in diesen Geschichten, zieht durch das fast schon mantra-artige Wiederholen persönliche Entschlüsse daraus und fühlt sich geborgen in dem Fakt, dass man, mit was auch immer man auch gerade durchmacht, nicht allein ist und es niemals sein wird.

Everbody in the world comes at some point to suffering", singt Dreyer und hat damit wohl Recht. Das Leben ist nicht immer schön, nein, das Leben ist sogar ziemlich oft unglaublich furchteinflößend, niederschmetternd und verdammt unfair. Aber wie man es auch dreht und wendet, ist es am Ende immer noch dein Leben. Dein einziges. Also lebe es!

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. A Departure
  2. 2. Harder Harmonies
  3. 3. St. Paul Missionary Baptist Church Blues
  4. 4. Edit Your Hometown
  5. 5. A Letter
  6. 6. Safer In The Forest/Love Song For Poor Michigan
  7. 7. The Most Beautiful Bitter Fruit
  8. 8. A Poem
  9. 9. King Park
  10. 10. Edward Benz, 27 Times
  11. 11. I See Everything
  12. 12. A Broken Jar
  13. 13. All Our Bruised Bodies And The Whole Heart Shrinks
  14. 14. You And I In Unison

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT La Dispute

Fünf Freunde, die eher aussehen wie Mitglieder der Katholischen Landjugend als die einer Rockband, ein gitarrengeladener Mix aus Post-Hardcore und ergreifendem …

4 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Eine der besten Plattenbesprechungen, die ich hier, ach was, je gelesen habe! Vielen Dank Mirco Leier, da hatte ich echt das Gefühl, die Besprechung einer Lebensretterplatte für die einsame Insel zu lesen.

    Zum Album:
    Für mich eindeutig der Höhepunkt der ganzen "The Wave" Post-Hardcore-Welle.
    Jeder Song hat mindestens einen herzzerreißenden oder sprachlos machenden Moment, manchmal musikalisch, manchmal textlich, häufig beides gleichzeitig, wie vor allem in "King Park", "Edward Benz" und "You And I In Unison".

    Jordan Dreyer ist einer der großen Geschichtenzähler und Poeten unserer Zeit. Sein inneres Seelenleben und seine Begeisterung für True-Crime kann er imo in lyrische und dabei immer emotional eindringliche Songtexte packen wie kein anderer.
    Wo ich der Rezension aber dezent widersprechen würde, ist dass man dafür in keiner bestimmten Stimmung sein müsse, eine gewisse Grundstimmung muss dafür bei mir schon vorhanden sein. Als ich "King Park" an einem malerischen See live dargeboten erleben durfte, war ich zwar auch baff von der tollen Performance aber es war weniger niederschmetternd als das in einer schäbigen Halle gewesen wäre und irgendwie war das Ambiente fast zu schön für die Musik :)
    Beispielsweise beim unbeschwerten Spaziergang durch die Natur kann das Album, so groß es auch ist, sicher anstrengend und deplatziert wirken, was nicht nur an den schweren Themen sondern vor allem an Dreyers Vortrag liegt. Dieser ist zwar auch die große Stärke des Albums aber der Hang zur Theatralik und zum Drama in der sich überschlagenden Stimme geht auch nicht immer aber immer öfter, Clausthaler.

    Die Rezension beschreibt "King Park" perfekt:
    "Diese sechs Minuten sind eine Tour de Force der Gefühle, eine Meisterleistung im Storytelling und gehören womöglich zu den emotional auslaugendsten der Musikgeschichte."

    Für diesen Song wurde die Umschreibung "Tour de Force" erfunden!
    Auch für mich einer der besten Songs der Welt und das wird inflationär verwendet aber: ein Werk für die Ewigkeit.
    Wie die aufwühlendsten, adrenalin-ausschüttendsten und emotional niederschmetterndsten Momente von Serien wie Breaking Bad und The Wire destilliert in einem Song, dessen Story, Darbietung, Aufbau und Klimax einem die Kehle zuschnüren und fassungslos zurücklassen.

    • Vor 2 Jahren

      100% agree ... das Meisterwerk Wildlife ist sicherlich herausragend aber diese Band hat es auch für mich geschafft bis heute mehr als relevant zu bleiben. Mit jedem Werk ist meine Liebe zu La Dispute weiter gewachsen. Jedes Konzert war bis jetzt auch eine wundervolle intensive Erinnerung...das sind einfach tolle Musiker und Menschen ohne Egotrip.

    • Vor 2 Jahren

      Schön, mal wieder von dir zu hören :)
      Bin da auch bei dir, mit jedem Album wird ihr Gesamtwerk beeindruckender. "Wildlife" ist irgendwie der Monolith in der Diskographie aber die beiden Alben danach höre ich sogar noch häufiger, weil die bei mir von der Stimmung her öfter gehen.
      "Rooms Of The House" ist wunderschön und "Panorama" als gefühlte Verbindung der beiden Vorgänger sogar mein Lieblingsalbum der Band.

  • Vor 2 Jahren

    Ufff, die waren mir immer drei Schippen zuuu theatralisch miti hrer deppen Traurigkeit. Touché Amoré waren in der Ecke deutlich besser.

    • Vor 2 Jahren

      Findeste echt?
      La Dispute sind für mich viel versiertere Musiker mit einer viel größeren Spannbreite an Emotionen und haben in ihren Songs auch ganz andere Spannungsbögen am Start. Touché Amoré ist für mich eher Standard-Post-Hardcore, das machen die jedoch ziemlich solide. Aber wahrscheinlich macht es nicht mal Sinn, die beiden Bands zu vergleichen, weil sie vom musikalischen Ansatz her ziemlich unterschiedlich sind.

    • Vor 2 Jahren

      @Radiohead9 Ist natürlich hart subjektiv. Das musikalische Können will ich La Dispute natürlich nicht absprechen. TA haben das aber immer besser in Songs übersetzen können.

  • Vor 2 Jahren

    Bin mit denen - abgesehen von Rooms Of The House, das fand ich super - nie wirklich warm geworden.
    Irgendwie war dieses "The Wave" Ding retrospektiv auch ne komische Sache. Gibt´s eigentlich Pianos Become The Teeth noch?

    • Vor 2 Jahren

      The Wave wurde immer von außen größer gemacht als sie war, die Bands haben das immer als Insider-Witz bezeichnet und nie vor sich her getragen. Wirklich erfolgreich waren eh nur Touché Amoré, während La Dispute vom Feuilleton etwas mehr gemocht werden. Pianos Become The Teeth und Defeater gibt's noch, dümpeln aber eher vor sich hin. Make Do and Mend haben mit ihrem Hot-Water-Music-Sound da eigentlich nie so ganz reingepasst, die gibt's aber leider auch nicht mehr.

    • Vor 2 Jahren

      Was zählt alles zu The Wave?

    • Vor 2 Jahren

      Obacht, Baby! She got hooked.

      Vornehmlich Jahrtausendwende, Post- und Hardcore aus US-Amerika, fünf gut befreundete Bands. Selber nie so mit warm geworden, wenn eher so Refused oder Boysetsfire, aber hatte 2003-2006 nen Bass-Schüler, der über diese Armchair Martian/Lagwaggon/Millencollin und eben Hot Water Music-Schiene auch irgendwann Stücke aus dem "Wave"-Kontext machen wollte...

      Sach ma kennst Du eigentlich BoyHitsCar? Haben immernhin ein brauchbares Album, wenn du gerade eh im Core-Sumpf am fischen bist...

      Alle fünf der "Wave" zugehörigen Bandnamen sind im Austausch zwischen Kasi und gueldi bereits gefallen.

    • Vor 2 Jahren

      Ach ja, wäre im Kernsumpf fischt, sollte selbstredend die Angellizenz bei downset, LA bereits abgeschlossen haben.

      "Check your people" und "do we speak a dead language?".

    • Vor 2 Jahren

      Check your people ist freilich Klassiker vor dem Herrn

    • Vor 2 Jahren

      Ach ja und hier dingens, HOPESFALL, noch eher als die neulich Meilenstein-geadelten Funeral for a friend und in so ziemlich jeder der so häufig gewechselten Besetzungen brauchbar, wenn es denn bissl Emo zum täglichen Core-Salat sein darf.

      RX Bandits, die mit Lieblings-Antagonist Radiohead9 neulich aufgetischt wurden und deren neueres Album (halt neuer als das "Mandala"-Überding aus 2009) ich immer noch nicht gecheckt habe. Können aber nicht oft genug werden, imho.

      Dann solltest du als gewachsene oder angehende Connaisseuse des gepflegten Epilepti-Core natürlich stets aus "Burn, Piano Island, Burn" der Blood Brothers für die Unwissenden da draußen zitieren können, aber da bin ich jetzt natürlich auch längst wieder in meinem so verhassten Autopreach-Modus und mindestens so offensichtlich unterwegs wie mit Converges' "Jane Doe".

    • Vor 2 Jahren

      Ah, hier und wegen großer Fresse im Suff:

      "Do you remember us? / Do you remember us? / We wrapped your Corvette in cellophane / then set it aflame.

      Do you remember us? / Do you remember us?
      We doused your TV set in propane / and turned up the gain.

      This party's dying so guitar-me! / I raise the glass to the guitarmy! / (until we're dying)"

    • Vor 2 Jahren

      Geil. Mit "Burn, Piano Island, Burn" hab ich meine WG damals in den Wahnsinn getrieben.

    • Vor 2 Jahren

      Und man sollte bei den ganzen The Wave Bands als Einfluss auf jeden Fall auch Modern Life Is War nennen. Vor allem bei den frühen Defeater Sachen hört man das extrem.

    • Vor 2 Jahren

      "Geil. Mit "Burn, Piano Island, Burn" hab ich meine WG damals in den Wahnsinn getrieben."

      Ebenfalls schuldig im Sinne der Anklage. :D
      Sicher nicht nur die eigene WG während des Studiums - Die Auftaktlyrics von "Guitarmy" versuchte ich schon zeitweise sehr bemüht als Anspruchshaltung für's eigene "korrekte Feierpensum" aufzutragen, inklusive regelmäßig schlecht gespielter Empörung gegenüber Veranstalter(innen), ob sie das gerade Erlebte ernsthaft noch guten Gewissens als Feiern verkaufen wollen, wenn's mal nicht ganz so wild wurde...

      Eine Frage, die sich i.Ü. auch Deichkind bereits zur VÖ von "Remmi Demmi" gefallen lassen mussten, wenn Du halt häufiger mit den Gestörten auf der Klavierinsel hängst... :whiz:

      Bis heute eins der Alben, was ich pro Jahr mindestens einmal, statistisch aber eher 5-7 mal von vorne bis hinten durchhören muss. Nette und sehr exquisite geteilte Vorliebe, gueldi, ich glaub so weit waren wir bisher noch nicht. ;)

    • Vor 2 Jahren

      Noch was zur Klavierinsel:

      Ich finde, diese Zeile "This party's dying so guitar-me!" bekommt unmittelbar nach dem ersten Mal durchhören des Albums so ein herrlich ironisches Gewicht, weil die meisten sicher bei so nem Satz und dem ihm oftmals innewohnenden Selbstverständnis erst mal an den phänotypischen langhaarigen, zu der Uhrzeit längst oberkörperfreien Barfuß-Awareness-Öko-Selbstoptimierungs-Hippie denken, der ja die Akustik-Klampfe schon nur zu dem einen Zweck mitbrachte, um sein allwöchentliches Partyrettungsritual mit der nachlässig gegriffenen Wonderwall-Interpretation irgendwann nach 01:30 zu vollziehen...

      ...ich konnte schon nicht mehr nur still in mich hineingrinsen sondern muss wohl die Ohr-zu-Ohr-Variante gezeigt haben, als mir nach dieser Tortur von einem Album zum ersten mal klar wurde, was die Blutsbrüder unter spontaner Partyrettung mit rasch übern Hals geworfener Schrammelgitarre verstehen müssen. :D

    • Vor 2 Jahren

      Sorry wgn. Spam, aber da sich Krypta zuletzt ja vermehrt und in besonderem Maße aufnahmefreudig präsentiert hat: Piano Island natürlich der Standard-Türöffner für die Welt von Rolo Tomasi bei mir...

      Jordan Blilie bei BB in meinem Bekanntenkreis ja oftmals wegen seines hohen Timbres gechasst, was einige an "Heixengekeife" erinnert haben soll, dass dann bei Rolo Tomasi mit Eva Spence eine XX-Trägerin auf den Plan trat, die ihm da MINDESTENS ebenbürtig begegnen konnte, hat meine Lebensqualität echt nachhaltig verbessern können!

      Plus: I have that thing going for Britons who engage themselves with human music. :)

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Ähm, die Briten schreiben sich aber mit Doppel-s und als ich deswegen stutzig wurde, fand ich gerade heraus, dass es eine US-Postcore-Band zu geben scheint, die es trotzdem mit "Rolo Tomasi" versuchen - wie die den Namen inspirierende Filmrolle wohl im Script auch ursprünglich geschrieben wurde...

    • Vor 2 Jahren

      rache für preston exley!!1 :mad:

    • Vor 2 Jahren

      BPIB! Hab ich bestimmt schonmal angefasst, da du es min. 1 mal außerhalb dieses Fadens erwähnt hattest, Souli - werde meine Erinnerung aber nochmal auffrischen. Meine ursprüngliche Frage ergab sich aus der Nennung von Defeater, deren erste LP und EP doch sehr fein sind. Tendiere sonst aber auch eher Richtung Refused und latürnich ATDI wenn es um Dinge geht, dich sich post-hardcore schimpfen.

      Wollte aber eigentlich nur einen Einstieg finden, um meinen persönlichen Lieblingsstern aus diesem kleinen Musik-Kosmos unters Volk zu bringen:

      https://www.youtube.com/watch?v=zHbFpJ1cHC0

      Ach und Shout-out an den Flug-Morph, der sich in einem kleinen (nicht meiner Beteiligung entbehrenden?!) Zwischenspiel (Season 3 zu Season 4?) einen Username mit expliziter Referenz, welcher ich selbstredend erst viel zu spät zu folgen wusste, auf eine im Lautkontext zu tiefstem Unrecht ignorierten, dem hier besprochenen Musik--Mikro-Kosmos zugehörigen Band gegeben hatte.

      ;)

    • Vor 2 Jahren

      Uh, und Boy hits Car erscheinen nach erstem Review-Lesen vielversprechend. So Stichworte wie "Eastern Elements" fixen mich ja seit ewig an - um genau zu sein, seitdem ich mal beim Warten auf meinen Döner (damals weder dem Selbstoptmierungswahn verfallen noch öko-bewusst) so nebenbei eine Melodie hörte, die sich rückblickend (nach Verzehr der Kraut-Zwiebel-Fleisch-Speise) _verdammt_ nach etwas anhörte, was Tool beim Schreiben eines ihrer Songs inspiriert haben könnte (war es Reflection?).

  • Vor 2 Jahren

    große Band, vielleicht dem ein odere anderen zu hart oder zu wirr. Aber sehr gute Texte, origineller Gesang, gute Songs. Verdient.