11. April 2001

"Die neue Blümchen muss ich unbedingt haben"

Interview geführt von

Mit ihrem vor kurzem veröffentlichten Zweitling "Unleashed Memories" haben sich Lacuna Coil einen Namen in der europäischen Metal-Szene gemacht und sind sogar in die Charts eingestiegen. Nun ernten sie die Früchte des Fleißes. Kurz vor ihrem Auftritt in der Frankfurter Batschkapp saß mir die komplette Band gegenüber und zeigte sich sehr mitteilsam.

Wie war die Tour denn bisher?

Cristina: Klasse, das Publikum war einfach super, wir haben jede Menge Shirts verkauft, geben andauernd Interviews, und auch mit den anderen Bands verstehen wir uns super.

Hein: (Drummer von TOT) Tun wir nicht, wir hassen Lacuna Coil.

Cristina: Obwohl, eigentlich sind es ziemliche
Arschlöcher, vor allem der Drummer.

Cristiano: (Drummer von LC) Was ist mit Drummern?

Cristina: Nee, im Ernst, das Verhältnis unter den Bands ist klasse.

Wie waren die Reaktionen auf euer Album seitens der Presse und der Fans?

Cristina: Wir haben in beinahe allen Magazinen gute Kritiken bekommen, im Hammer sind wir Album des Monats geworden, sind auf einigen Fanzine-Covers aufgetaucht. Es ist wirklich toll, eigentlich haben wir gar nicht mit so viel Erfolg gerechnet. Wir sind ja sogar in den deutschen Albumcharts auf Platz 72. Irgendwie ziemlich schräg so was. Es ist ja nicht so, dass du im Studio stehst und denkst "Hey, lass uns sehen, dass wir auch bestimmt in die Albumcharts einsteigen." Wir haben uns voll auf unsere Songs konzentriert und hofften, dass sie gut sind. Dass sie so gut sind, war nicht vorhersehbar.

Seid ihr aus besonderem Grund wieder zu Waldemar Sorychta in die Woodhouse Studios gegangen?

Cristina: Wir haben mit Waldemar einfach gute Erfahrungen gemacht. Für die EP waren wir in Ventimiglia in Italien, im selben Studio, in dem Anathema "Judgement" aufgenommen haben, aber das war eine finanzielle Entscheidung. Wenn man mit der selben Kohle eine Woche länger im Studio bleiben kann, macht man das natürlich. An den Feinheiten lässt sich ja immer noch was verbessern.

Andrea: Außerdem ist es ja so, dass man beim Producerwechsel immer ein gewisses Risiko eingeht. Wir können von Waldemar immer noch was lernen und er stellt sich sehr gut auf uns ein. Er kennt die Band sehr gut und war definitiv der Richtige.

Cristina: Er ist auch nicht jemand, der dir einen bestimmten Sound oder was auch immer auf's Auge drücken will, er macht Vorschläge und gibt konstruktive Kommentare ab. Wie das Resultat dann aber klingt, liegt einzig und allein bei uns.

Seid ihr mit fertigen Songs ins Studio gegangen oder wurden die teilweise erst da geschrieben?

Cristina: Die Songs waren alle fertig.

Andrea: Wir hatten eine Woche für die Pre-Production, in der sich Waldemar die Demos angehört und sich Gedanken gemacht hat, wie man sie am besten umsetzen könnte. Im Endeffekt wurde für jeden einzelnen Song ein anderer Gitarrensound verwendet, je nach Stimmung des Songs.

Wie läuft bei euch eigentlich der Songwriting-Prozess ab, erst die Musik und dann der Gesang oder umgekehrt?

Cristina: Zuerst ensteht die Musik. Marco, unser Bassist, hat die meisten Songs geschrieben und hat für dieses Album erstmal mit dem Computer gearbeitet. Nachdem die Musik steht, setzen wir uns zusammen und diskutieren über die Arrangements. Das Letzte, was dazu kommt sind die Lyrics. Somit können wir den Gesang auch als Instrument arbeiten lassen. Wir singen zuerst nur Ghost-Lines und achten darauf, wie die Wörter im Zusammenhang mit der Musik klingen.

Mir lag leider kein Textblatt vor, aber ich denke dass es textlich nicht um irgendwelches plattes Liebesgegnüdel ging ...

Andrea: Nein, das Album heißt ja auch "Unleashed Memories" weil es eben die Erfahrungen der letzten Zeit beinhaltet, die auf der Scheibe losgelassen werden. Es sind natürlich sehr persönliche Erfahrungen und die Art wie wir sie verarbeiten. Die Sonne auf dem Cover verdeutlicht das noch mal. Man hat dieses Zentrum von dem alles ausgeht, alle Erfahrungen die du machst.

Andrea, fühlst du dich etwas vernachlässigt, da Cristina doch für einen Großteil der Vocals auf dem neuen Album zuständig ist?

Andrea: Quatsch, warum auch. Wir arbeiten schließlich song-dienlich nicht ego-dienlich. Wenn Cristinas Stimme gerade passt, singt sie, wenn meine Stimme dienlicher ist, singe ich.

Cristina: So ist es, wir sitzen ja nicht im Proberaum und passen auf, dass auch ja keiner zu kurz kommt. In einer Band muss jeder mal Abstriche machen.

Hast du mal daran gedacht, vielleicht die Keys zu übernehmen, wenn du nicht singst?

Andrea: Nö, nicht wirklich. Die Keys kommen bei uns vom Band und Marco ist dafür zuständig. Ein fester Keyboarder rentiert sich auch nicht, wir werden mal sehen.

Cristina: Live wollen wir sowieso eher die harte Schiene fahren. Deswegen haben wir ja auch zwei Gitarren, ein Keyboard sehen wir eher zur Untermalung der Musik an. Wenn es richtig kracht, ist das schon ok, schließlich sind wir 'ne Metal-Band.

Wie bekannt seid ihr eigentlich in Italien?

Cristina: Wir sind ganz gut bekannt, was erstaunlich ist. Eigentlich sind es eher die ganzen klassischen Metal-Bands wie Rhapsody und Labyrinth. Dass man uns trotzdem wahr nimmt, ist etwas, worauf wir sehr stolz sind, da wir uns von dieser Art Musik doch sehr unterscheiden.

Andrea: Natürlich ist unser Bekanntheitsgrad in der Underground Szene am größten. Im italienischen Mainstream gibt es eigentlich keine Rockmusik.

Gibt es eine echte, wachsende Szene im italienischen Underground?

Andrea: Ja, schon. Es tut sich immer was und ein paar Bands sind auch ganz gut, aber es muss sich noch einiges ändern. Im Vergleich zu Deutschland ist sie wesentlich kleiner. Es ist auch viel schwerer, als langhaariger Lederjackenträger von der Öffentlichkeit akzeptiert zu werden. Du wirst immer noch überall schief angeschaut. In Deutschland ist das ganz anders. Du kannst überall hingehen ohne die Blicke auf dich zu ziehen und man kann auch überall Metal hören.

Könnt ihr von eurer Musik eigentlich leben?

Andrea: Nein, leider nicht. Die Musik genießt zwar absolute Priorität, aber wenn wir daheim sind, müssen wir uns trotz allem immer noch Jobs suchen. Es wird zwar besser, aber leben können wir davon nicht. Ist zwar ein bißchen doof, da man ja keinen regulären Job annehmen kann, wegen den Touren und so, aber es klappt doch irgendwie.

Ihr spielt ja demnächst auf dem Metal Odyssey Festival mit Bands wie Dimmu Borgir, In Flames und Nevermore. Was denkt ihr, wie die Reaktionen der Fans auf euch ausfallen werden?

Cristina: Wer weiß, man sollte die Fans nie unterschätzen. Wir selber stehen ja auch auf Bands wie Machine Head oder Strapping Young Lad (yeahhh!!! d. Verf.).

Andrea: Wir werden natürlich auch darauf achten, die härteren Songs zu spielen, aber ich sehe da eigentlich kein Problem. Abwechslung ist doch auch ganz nett.

Wir sind ja von 'nem Online-Magazin. Wie weit seid ihr denn im Internet repräsentiert?

Cristina: Speziell unser Drummer und Marco (git) sind dafür zuständig, es ist aber eher so, dass wir die Sache kontrollieren aber nicht direkt kreieren. Wir sammeln und sichten das Material, was letztendlich im Netz stehen wird, aber für die technischen Prozesse sind andere zuständig.

Wie steht ihr denn zu den Napster-Prozessen, sollen die Leute jetzt für Downloads zahlen?

Andrea: Das ist recht kompliziert. Meine Meinung ist, wenn sich die Leute den Song anhören können, ist das o.k., wenn sie anfangen ihn herunter zu laden, hört für mich der Spaß auf. Das ist der Band gegenüber nicht sonderlich fair.

Ich denke aber, dass sich die wenigsten komplette Alben aus dem Netz ziehen, sondern eher einzelne Songs.

Andrea: Wie gesagt, bei einzelnen Songs bin ich ja einverstanden, und ich glaube so in der Art ist es ja auch ab jetzt geplant.

Dann lasst uns doch mal wissen, was für CDs ihr euch zuletzt geholt habt.

Cristina: Ich kauf mir eigentlich kaum CDs, da ich viele Sachen umsonst bekomme. Die letzte, die mir aber wirklich gut gefallen hat, war die Pain Of Salvation. Die ist echt klasse. Auf die neue Amorphis freu ich mich auch schon sehr.

Andrea: Ich werd mir die neue Rammstein kaufen, sobald die rauskommt. (Herr, schmeiß Hirn!!, d.Verf.)

Marco: Ich hab mir als letztes die "Physicist" von Devin Townsend gekauft.

Cristiono Mo.: Mudvayne und Ultimo

Cristiano Mi.: Project Pitchfork

Marco Bi.: Argora

Cristina: Die neue Blümchen muss ich auch unbedingt haben.

(Alle lachen und der Verfasser verlässt fluchtartig den Raum!)

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Blümchen

Jasmin Wagner, so der bürgerliche Name von Blümchen, legt zwischen 1995 und 2000 einen Aufstieg vom Eurodance-Backfisch zum Popsternchen hin, der in …

LAUT.DE-PORTRÄT Lacuna Coil

Noch unter dem Namen Sleep Of Right kommt der Stein 1994 in Mailand ins Rollen. Nach einer zeitweiligen Umbenennung in Ehtereal steht 1996 schließlich …

Noch keine Kommentare