laut.de-Kritik
Pauken und Trompeten zum Geburtstags-Jubiläum.
Review von Daniel StraubSeit nunmehr beinahe 25 Jahren stapfen Laibach in adretten Trachtenkostümen durch die Musikgeschichte. Fein säuberlich geschnürte Kniebundhosen, blank polierte Haferlschuhe und dunkelbraune Janker mit aufgesetzten Hirschhorn-Knöpfen und Edelweißstickereien sind längst zum Markenzeichen der politisch nicht unumstrittenen Bombastmusiker aus Slowenien geworden. Mit dem wunderschön gestalteten Doppel-Album "Anthems" blicken die vier Musiker zurück auf ein Vierteljahrhundert Laibach.
Begonnen haben Laibach ihre Karriere 1980 im der kleinen Bergarbeiterstadt Trbovlje im damals noch kommunistischen Jugoslaslawien Titos. Jener starb im selben Jahr, in dem Laibach erstmals mit Pauken und Trompeten drauflos lärmten. Ob zwischen beiden Ereignissen ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Auf alle Fälle blieb Tito so die peinliche Bloßstellung seiner staatstragenden Funktionärskaste durch die subversiven Kunstattacken von Laibach verschont.
Offen nahmen sie die totalitaristischen Symbole kommunistischer Macht auf den Arm, indem sie ihre eigene überzeichnete Ästhetik dem Deutungsmonopol des Staates entgegenstellten. Kein Wunder, dass Laibach es schafften, innerhalb kürzester Zeit mit Auftrittsverboten belegt zu werden. Auf "Anthems" dokumentieren lärmige, von Trommelwirbeln durchzogene Klangcollagen wie "Brat Moj" und "Drzava" den Aufbruch des Quartetts in die Laibachkunst.
Mit "Die Liebe" treten 1985 verstärkt elektronische Mittel der Klangerzeugung auf den Plan. Industrial-Tracks, wie sie Laibach noch zwei Jahre zuvor im Rahmen ihrer "The Occupied Europe Tour" erstmals auch außerhalb Jugoslawiens zum Besten gaben, machen fortan bombastischen Arrangements im Stile von "Leben heisst leben" Platz. Damit geben sie gleichzeitig den Startschuss für eine ganze Reihe ironisch überzogener Neuinterpretationen von Songs der Beatles, der Rolling Stones, von Status Quo oder DAF. 2004 führen sie diese eigenwillige Tradition mit einem feinen Cover des Schmachtfetzen "Mama Leone" virtuos fort.
Nebenbei bauen Laibach ihre Band zu einem weitverzweigten Künstlernetzwerk aus, das unter dem provokanten Schlagwort 'Neue Slowenische Kunst' firmiert und sich auf den verschiedensten künstlerischen Feldern von der Philosophie, über Theater, Film und Architektur bis hin zur bildenden Kunst betätigt. 1991 spinnen Laibach ihre totalitären Kunstgedanken noch ein wenig weiter und gründen einen virtuellen Staat, sozusagen als duchampschen Kommentar zu den gewaltätigen Nationalismen ihrer Zeit.
Bis heute sind Laibach einzigartig im Popgeschäft. Niemand vor ihnen und auch keine Band seither hat einen derart umfassenden und umstrittenen ästhetischen Entwurf verfolgt wie die Slowenen. Ihren längst nicht mehr bestrittenen Status feiern sie auf dem ersten Silberling, wie es sich für lebende Legenden gehört, mit 17 wuchtigen Hymnen.
Die zweite CD steht dafür ganz im Zeichen befreundeter Künstler, die sich der Vorlagen aus der Songschmiede von Laibach angenommen haben. Die belgischen Goa-Veteranen von Juno Reactor erweisen Laibach genauso gerne die Ehre wie Minimal-Pionier Richie Hawtinoder der Produzent Mark Stent, dessen Name sich auf Releases von U2 genauso wiederfindet wie auf Platten von KLF oder Depeche Mode.
Wer bisher noch nicht mit Laibach Kunst in Berührung kam und Lust verspürt, diese Lücke zu schließen, der bekommt mit "Anthems" einen Einstieg nach Maß. Die Doppel-CD wartet mit einem oppulent gestalteten knapp 50-seitigen Booklet auf, in dem selbstverständlich einige Kostproben der visuellen Kraft von Laibach zu finden sind. Für Fans gehört die Geschichtsschau von Laibach sowieso zum Pflichtprogramm.
1 Kommentar
Perfekte Werkschau, zum reinhören und verstehen gut geeignet. Manche Alben sind schwer zugänglich, vielleicht auch zu verkopft. Über die Beine geht es sicherlich leichter, deshalb sind es vor allem die technoiden Klassiker, die hier Eingang gefunden haben. Vor allem die Coverversionen gehen gut ins Ohr. Warum die Band diese derart gemacht hat, kann man sich ja immer noch anlesen.