laut.de-Kritik
Unheimlich traurig, aber auch unheimlich schön.
Review von Martin LeuteLambchop sind keine gewöhnliche Band, sondern ein offenes, bis zu vierzehn Musiker umfassendes Kollektiv, dessen Schaffen 1993 in Nashville begann. Kopf und Energiezentrum ist Kurt Wagner, der trotz der musikalischen Vielseitigkeit dieser Band für eine unglaubliche Beständigkeit und hohen Wiedererkennungswert sorgt.
Nach der opulenten und manchmal souligen Veröffentlichung "Nixon" erschien 2002 das famose Album "Is A Woman", das mit reduzierter Instrumentierung, berauschend schönen Melodien und dem unverwechselbaren, brüchigen Gesang Kurt Wagners besticht. Dem folgte 2004 das cineastische, vorwiegend instrumental gehaltene Doppelalbum "Aw C'mon/No You C'mon". Die nun erschienene Platte "Damaged" knüpft musikalisch wieder an "Is A Woman" an.
Der Titel "Damaged" lässt erahnen, dass es sich um kein heiteres Album handelt, was auch auf eine persönliche Leidenszeit Wagners zurückzuführen ist. "Der Blick", erklärt er, "geht diesmal nach innen". Ein sehr persönliches Werk also. Die melancholische Grundstimmung bildet die Ausgangsbasis, auf der sich die zehn Songs sachte ausbreiten. Jeder Song klingt langsam ein und aus und verbindet sich so mit dem nächsten. So entsteht ein Klangteppich, der als Gesamtkunstwerk gehört werden will.
Sanfte Streicher, ein Klavier, verhaltene Gitarren, ein flüsternder Bass und die Stimme Wagners bestimmen die Szenerie, in der das Zusammenspiel dieser Komponenten zum perfekten Wohlklang führt. Unheimlich traurig, aber auch unheimlich schön. Lambchop demonstrieren musikalisch wieder einmal eindringlich, dass Traurigkeit ohne gleichzeitigen Hoffnungsschimmer gar nicht zu denken ist. Darin liegt das Geheimnis dieser Band.
Der Opener "Paperback Bible" veranschaulicht das Arrangement des kompletten Albums. Eine dissonant wirkende Soundcollage leitet den Song ein, steigert sich und wird dann abgelöst von einem dezent gezupften Gitarrenlauf, zu dem sich schließlich die sonore, zerbrechliche Stimme des Sängers gesellt. Ganz unaufdringlich setzen die Streicher ein und sanft ertönt ein Piano. Alles ergänzt sich und steht gleichberechtigt nebeneinander. Wagner erzählt Geschichten, die ohne wirkliche Refrains – die die monotonen Harmonien der Songstrukturen gefährden könnten – auskommen.
Titel wie "The Rise and Fall of the Letter p" oder "A day without Glasses" offenbaren durch den unverwechselbaren Sound von Slidegitarren die Herkunft der Band und deren Affinität zum Country. In "Beers before the Barbican" und dem letzten Track "The Decline of Country and Western Civilization" werden die Musiker etwas impulsiver, und auch die Stimme Wagners erhebt sich in ungewohnte Höhen. Vielleicht bahnt sich da ein Aufbruch an.
Lambchop haben sich keineswegs neu erfunden, aber sie wirken reifer, besinnlicher und ein wenig melancholischer als auf den Vorgängeralben. Den Fan wird's freuen, weiß er doch, dass diese Platte mit jedem Hören wächst und immer neue Überraschungen zutage fördert. "We can close our eyes and picture better days" heißt es in dem Stück "Short". Genau dafür ist die Platte hervorragend geeignet.
"Damaged" ist ein ruhiges, nachdenkliches und zeitloses Werk, in das man gerne eintaucht und sich von ihm trösten lässt, um der Welt anschließend mit einem Lächeln zu begegnen.
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