laut.de-Kritik

Das Piano als Fixstern.

Review von

Wenn Männer hinter Masken kompromisslos und unaufhaltbar ihren eigenen Weg gehen, hat man vor allem drei relevante Exemplare zur Auswahl: Michael Myers, Jason Vorhees und eben Lambert. Doch während erstere die Ruhmeshallen der Filmgeschichte enterten, erobert der hamburgische Wahlberliner mit seinen Pianotracks einen überfälligen Majordeal. Dsc Ergebnis "Sweet Apocalypse" punktet mit Know-How und viel Gefühl gleichermaßen.

Süße Apokalypse? Was mag das sein? Lambert versteht das Konzept zuerst als Zuschnitt auf individuelle Ängste und daraus resultierende Widrigkeiten des Lebens. Die weltpolitische Horrorabteilung meint er dabei eher nicht. So geht es ihm musikalisch auch nicht in erster Linie darum, dem Schrecken ein Gesicht zu geben, sondern durch seine Kompositionen Kraft und Zuverrsicht zu vermitteln.

Ein Musiker, der on stage nur mit Maske auftritt, die aussieht, als habe sich Dali am Batman-Kostüm vergriffen, macht ein Album über Phobien? Das passt ja wie die Faust aufs Auge. Nötig hätte er die Tarnung nicht. Denn obwohl Lambert nicht müde wird, zu betonen, er trage seinen sardischen Stier, damit nichts von seiner Kunst ablenke, ist dieses Versteckspiel in Wahrheit längst der einzige, unpassende Faktor, der genau dies tut.

Die zwölf Instrumentals brauchen derlei nicht. Sie stehen für sich und verzaubern durch ihr individuell perlendes Naturell. Sogar Lamberts Konzept ist binnen weniger Minuten vergessen. Das liegt auch an den angenehm dezent eingebauten Beigaben in Sound und Arrangement.

So erweitertt Lambert auf dem vierten Longplayer das Spektrum von oder "Stay In The Dark" um Streicher oder Bläser, hintergründige Percussion und sogar ferne Echos schattenhafter Vocals. Sein Piano bleibt in diesem Mikrokosmos dennoch stets der Fixstern.

Egal ob er Preludien oder die Romantik der Nocturne andeutet: Alles dient der Suche nach totaler Emotion, totalem Bann, absoluter Hypnose des Publikums. Kein Schelm, der sich des Eindrucks nicht erwehren kann, hier einen passionierten Schüler Einaudis vor zu finden, dessen Klangmalerei nahezu deckungsgleiche Schlüsselreize bedient und diese mit hauchdünnem Duft der Marke Chopin/Liszt würzt.

Trotz erkennbarer Vorbilder gelingt Lambert die Wahrung der eigenen Handschrift. Seine ganz eigene Dramaturgie, in der Verspieltheit ("In The Dust Of Our Days"), Melancholie ("Aftermath"), Lebensfreude ("Descending A Staircase") und Nachdenklichkeit ("Signals") einander abwechseln, vergrößert mit jedem Hördurchgang die Lust an "Sweet Apocalypase".

So wenden sich diese im Nu verfliegenden 37 Minuten an Freunde leidenschaftlicher Atmosphäre. Der Klassik-Polizist mag hier die Nase rümpfen. Soll er! Denn Lamberts großer Verdienst besteht vor allem darin, die Klassik potentiell jedem Metal-, Pop- oder Hip Hop-Freund nahezu bringen, ohne sie dabei zu verraten oder zu nivellieren, wie es etwa der ebenfalls maskierte Kollege Dark Tenor seit längerem abschreckend praktiziert.

Als besonderen Anspieltipp empfehle ich das intensive "Blik". Das kleine Stück dauert gerade mal zwei Minuten. Aber es lässt sein Publikum nicht entrinnen. Aus elegisch rahmender Begleitung erhebt sich das fordernd angeschlagene Piano und reißt alle Aufmerksamkeitauf an sich. Weiterhören mit Einaudis "In A Time Lapse" und "Endless" von Tale Of Us".

Trackliste

  1. 1. Sweet Apocalypse
  2. 2. In The Dust Of Our Days
  3. 3. Parasites To Ourselves
  4. 4. A Thousand Cracks
  5. 5. Signals
  6. 6. Waiting Room
  7. 7. Descending A Staircase
  8. 8. Blik
  9. 9. Licking Dew
  10. 10. Aftermath
  11. 11. Sleeping Dogs
  12. 12. The End

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