laut.de-Kritik

Wortbrockenwürfelhusten mit dem Ex-Culcha Candela-Mitglied.

Review von

Mit karibischen Vibes, südafrikanischen Rhythmen, Percussion und Gefühlen, die Ozeane überbrücken, sollte sich Larsito als Spross eines kolumbianischen Musiker-Vaters eigentlich bestens auskennen. Den führte die Kunst ins kalte Deutschland, die Liebe hielt ihn hier. Was einen erblich so günstig vorbelasteten Typen dann allerdings in die Reihen einer Formation wie Culcha Candela getrieben hat ... man möchte es gar nicht genau wissen.

Jetzt besteht allerdings Anlass zur Hoffnung: Die Chica-Hammaa-Monstaaa-Combo hat sich in eine kreative Pause verabschiedet, die meinetwegen gern etwa sieben Dekaden dauern darf (damit sollte ich mich auf der sicheren Seite bewegen, um von denen nie wieder hören zu müssen). Larsito, der längst auch songwriterische Ambitionen hegt, wagt unterdessen den Alleingang.

Musikalisch macht "Etwas Bleibt" vieles richtig. "Bäume" eröffnet mit zauberhaftem reduzierten Percussionbeat, völlig frei von unnötigem Firlefanz. Die Gesänge im Chorus bringen exotische Farben ins Bild - wunderbar. Blöd nur, dass die dumpfe Aneinanderreihung von Schlagworten, die ich noch nicht einmal als "Rap" bezeichnen möchte, den positiven Eindruck trübt. Nur fair, wie sich im weiteren Verlauf des Album herausstellen soll: Der Opener zeichnet ein äußerst treffendes Bild dessen, das den Hörer noch droht.

Aus den hübschen, sommerlichen, luftigen Instrumentals blitzt hier und da ein zarter Hauch Reggae oder chilliger Ambient-Vibe hervor. Gelegentlich durchzieht auch eine leise melancholische Note die Tunes. Pointierte Rhythmen halten bei der Stange. Percussion erweitert und bereichert die Allianz aus Streichern und Klavier, die immer da zum Zuge kommt, wo die schlichte Akustikgitarre nicht mehr ausreicht. Das klingt zwar hin und wieder ein wenig harmlos, insgesamt aber doch wie eine modern aufgehübschte Ansichtskarte aus dem Buena Vista Social Club. Prädikat: höchst hörbar.

"Zu Groß" beginnt ganz fluffig, lockt zu einem kleinen Chachacha, ehe sich die Nummer fast schon zu Stadiongröße aufschwingt. Ein kleines Stadion. Okay, ein Bolzplatz - aber da kann man ja auch Spaß haben. "Etwas Bleibt" hinterließe einen von Grund auf positiven Eindruck, hätte Larsito schlicht und ergreifend den Rand gehalten.

Tut er aber nicht. Sein recht mäßiges Gesangstalent stellt noch nicht einmal das Hauptproblem dar. Viel stärker als sein dünnes Stimmchen fallen die dämlichen Texte und der schmerzhaft beschränkte Fundus an Themen, Metaphern und Vokabeln ins Gewicht.

Wer große Gefühle beschreiben will, kann doch nicht die schon tausendfach durchs Dorf getriebenen Säue ein weiteres Mal auf die Straße jagen. Larsito drischt die ausgelutschtesten aller ausgelutschten Phrasen, befingert ausschließlich die abgegriffensten Bilder und täuscht, was vielleicht am sauersten aufstößt, Tiefgang vor, wo selbst ein Floß auf Grund läuft.

"Es ist immer Sommer, wenn man daran glaubt." "Es gibt Tage, da will man lieber liegenbleiben." "Geh' einfach weiter, dann weißt du, wie es weitergeht." "Unter diesen Wolken bau' ich unser Haus, unter diesen Wolken hab' ich, was ich brauch'." Glückwunsch dazu. Ich möchte es eher mit unserem Zentralgestirn halten: "Die Sonne weint in mein Gesicht." Ja, warum bloß? Vielleicht ob der allgegenwärtigen "Ayooooo-eyoooooos" und des ewigen "Eh-eh-e-e-eh"-Gemeckeres?

"Sie zieht mich an wie ein ..." Na? Kommt ihr drauf? "Magne-e-e-et", richtig. Origineller wirds auch nicht, wenn Larsito wie in "So Sweet" zusätzlich noch den Satzbau über Bord wirft und vollends auf Wortbrockenwürfelhusten setzt: "Besoffen von deiner Liebe - getroffen - Amor - überwältigt - Lawine - so stark - Marmor." Weiter gehts mit "Magie - Chemie - unfassbar - liebestrunken". Alkoholika? Ja, bitte!

"M.W.W." steht für "Männer wie wir". Der Titel lässt das Schlimmste ahnen: Larsito gestattet hier einen Einblick in die Gefühlswelt des starken Geschlechts, der dem Grönemeyerschen "außen hart und innen ganz weich" allerdings nicht die Bohne hinzuzufügen hat. Mehr ist da wohl einfach nicht drin. "Wir haben tausend Fragen, wollen nicht drüber reden / können ohne euch nicht leben." Danke. Wir ohne diese Mars/Venus/Zuhören/Einparken-Klischee-Rotz dagegen sehr gut.

Am besten illustriert der Titeltrack die Misere: "Etwas Bleibt" fängt mit Stimmengewirr, Akustikgitarre und gezupften Saiten Urlaubsgefühl ein, versetzt auf eine Strandpromenade oder in ein Gewirr enger, verwinkelter Gassen. Ein Hauch von Wehmut liegt in der Luft, es winkt bereits der Abschied. All das spricht beredt aus den ersten Takten, ohne dass Larsito den Mund aufgemacht hätte. Dass er dennoch glaubt, all das noch einmal explizit in erschütternd dürre Worte fassen zu müssen, bricht den Zauber nachhaltig. "Etwas Bleibt"? Stimmt: das nagende Gefühl des Bedauerns. Das Potenzial dieser Platte ist unter Plattitüden erstickt. Schade.

Ah, eins noch: Wer, aus welchen Gründen auch immer, davor zurückschreckt, "Fuck!" auszusprechen, soll das Wort doch um Himmels Willen einfach nicht benutzen. Es, wie in "Solo Tu", verschämt mit einem Bläserquietschen zu bemänteln, das tönt dann doch ziemlich krampfig.

Trackliste

  1. 1. Bäume
  2. 2. Solo Tu
  3. 3. Unter Diesen Wolken feat. Toto La Momposina
  4. 4. Magnet
  5. 5. Etwas Bleibt
  6. 6. Krone
  7. 7. Tai Chi In Havanna
  8. 8. Ventilator
  9. 9. M.W.W.
  10. 10. So Sweet
  11. 11. Zu Groß feat. Amadito Valdes
  12. 12. Bald

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