laut.de-Kritik

Den perfekten Sturm entfacht der Florida Man nicht mehr.

Review von

Um einmal zu demonstrieren, wie völlig surreal und verschoben jede lineare Zeitwahrnehmung seit der Seuche ist: Ich schrieb am Wochenende die Review zum neuen Trettmann-Album. Der Release seines Quasi-Debüts "#diy" datierte 2017 nicht mal einen Monat vor Lil Pumps Mixtape-Debüt "Lil Pump". Die Karriere-Arcs beider geschahen zeitgleich. Und während sich der eine nur langsam im deutschen Betrieb assimilierte, ist Lil Pump gefühlt dermaßen aus der Zeit gefallenn, dass allein die Nennung seines Namens wie ein Relikt früherer Zeiten wirkt. Grund genug, mal zu schauen, was bei ihm eigentlich so geht.

Lil Pumps neues Mixtape "Lil Pump 2" ist nicht das erste, das er seit "Harverd Dropout" gemacht hat. Es gab bereits ein Tape, das mit dem Namen "Lil Pump 2" und einem Soulja Boy-Feature einen Comeback-Versuch startete. Dies floppte aber so kolossal und massiv, dass er eine Woche später prompt den Namen des Tapes änderte hat und jetzt so tut, als wäre es nie passiert. Dieses "Lil Pump 2" hier scheint nun deutlich mehr Ambitionen mitzubringen. Das Cover sieht eigentlich ziemlich cool aus, es gibt ein paar namhafte Features und einen gewissen Promo-Push. Leider hilft ihm das kaum, gegen den Mief der Irrelevanz anzukommen.

Das liegt nicht per se daran, dass alles Material auf diesem Tape unbedingt schlecht ist. Neben ein paar althergebrachten Florida Trap-Bangern mit der Produktion von Staples wie BigHead und Ronnie J versucht er sich auch an ein paar trendigen Sounds. Die Ergebnisse sind nicht makellos, aber immerhin nicht beschissen. Das glühende Highlight ist eindeutig sein Versuch am Detroit-Trap "No Hook", bei dem er sich mit der Flinter-Legender (nicht zu verwechseln mit einer FLINTA-Legende) Rio Da Yung OG auf die ignorantest menschenmöglichen Bars über ein brachial schepperndes Instrumental festlegt. Raptechnisch frisst Lil gegen sein Feature natürlich Staub, aber verdammt, sind seine Lines über sich prügelnde junge Mütter und Dirtbikes im Wohnzimmer unterhaltsam. Seine Delivery ist hier auch ein Lichtblick: Er transformiert langsam in die lebende Inkarnation des Florida Mans.

Besagte Delivery bleibt sonst leider ein Problem: Auf den meisten Songs klingt er - wie schon oft auf seinem neueren Material - seltsam erzwungen. Ein bisschen scheint das dieser Trash-Horror-Effekt: Die besten Trash-Filme sind die, die nicht vorhatten, welche zu sein. Lil Pumps Ignoranz 2017 kam von Herzen, seine Ignoranz heute ist so etwas wie "Sharknado 3". Derlei gehört zu jenen Exemplaren, die weniger lustig sind, wenn sie planen, lustig zu sein. Ähnlich uninteressant sind entsprechend die Versuche, sich an andere Rap-Subgenres heranzutasten.

Was bringt er einem Jersey-House-Beat? Was bringt er einem Punk-Instrumental? Kein Flachs, auf "Pump Rock X Heavy Metal" versucht er sich am Pop-Punk-Revival. Seine Mic-Skills reicht dafür hinten und vorne nicht. Am schlimmsten ist jedoch sein Versuch, an einem sentimentalen Pain Rap-Song, wo ihm bereits ein wirklich süßer R'n'B-Sample-Beat und ein brettharter YoungBoy Never Broke Again-Verse gegeben sind. Er stolpert und holpert frontal in den Abgrund.

Insgesamt merkt man, dass Lil Pumps Ansatz aus der Zeit gefallen ist. Rückblickend war dieser ganze Soundcloud-Moment eine sehr natürliche Reaktion der Rapszene auf den damals herrschenden Generationen-Konflikt. Die Kids hatten einen neuen Sound, die älteren Hörerinnen und Hörer waren stinksauer darauf. Lil Pump war der ignorante Gegenangriff, der maximale Affront an den guten Geschmack, die Antwort auf die Frage, mit wie wenig von dem konventionellen Handwerkszeugs man noch geile Musik machen konnte. Er war der erste 'Mumble-Rapper', der mit der Intention angefangen hat, Mumble-Rap zu machen. Und dadurch entstand eine Festigung des Sounds, als wollten die Kids den Oldheads sagen: 'Ja, das ist, was wir geil finden. Man müsste doch echt blöd sein, um das nicht zu raffen, oder?'

Leider - oder zum Glück - ist dieser Konflikt inzwischen mehr oder weniger bereinigt. Leute, die die Migos oder Young Thug als Mumble-Rapper bezeichnen, sind eine zu vernachlässigende Minderheit, und die ersten Trap-Artists nähern sich dem Legenden-Status an. Es braucht diese Provokation nicht mehr. Lil Pump versucht trotzdem, sie weiter und zunehmend künstlich zu reproduzieren. Warum? Wen will er noch provozieren? Wie damals schon "Harverd Dropout" gezeigt hat, ist es doch die musikalische Qualität, die nach dem Diskurs entscheidet, ob die Musik sich durchsetzt.

Sein Debüt-Mixtape demonstrierte damals, dass Ignoranz und harte Bässe das liefern können – die Provokation war dann nur das Vehikel, um sie nach oben zu transportieren. "Lil Pump 2" hat Momente, die zeigen, dass die Magie nicht ganz verloren ist, aber zeigt auch, dass er überhaupt nicht weiß, wie man sie nun kanalisieren sollte. Es ist ein Mixtape mi vereinzelt funktionierenden Blindfliegern. Einen perfekten Sturm wie "Lil Pump" kriegt er wohl kaum mehr zustande.

Trackliste

  1. 1. Tesla (feat. Smokepurpp)
  2. 2. Pull Up
  3. 3. Ain't With That
  4. 4. All The Sudden
  5. 5. I Don't Mind (feat. YoungBoy Never Broke Again)
  6. 6. No Hook (feat. Rio Da Yung OG)
  7. 7. Pump Rock X Heavy Metal
  8. 8. Till I See You (feat. Smokepurpp)
  9. 9. She Know (feat. Ty Dolla $ign)
  10. 10. Don't Like Me
  11. 11. Fendi On Fendi
  12. 12. Mosh Pit
  13. 13. Wok
  14. 14. Splurgin
  15. 15. Swipe (feat. G4 Boyz)

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