laut.de-Kritik

R.I.P. - Rest In Pussy.

Review von

"Pussy, money, weed, codeine." Die Zeile aus "Love Me" fasst im Grunde umfassend zusammen, worum sich "I Am Not A Human Being II" dreht. Lediglich ein paar Knarren hat Lil Wayne dabei unter den Tisch fallen lassen. Der Finger am Abzug: das einzige Körperteil, das von Bedeutung scheint – neben der flinken Zunge und dem präsidialen Pimmel, versteht sich.

"She said my dick feel like morphine." Kolossal ermüdend? Glaube ich sofort. Mich ödet schließlich schon immens an, eine Albumlänge lang Ohrenzeuge des ausdauernden Schwengel-Geschwenkes sein zu müssen.

Ganz schön einsam klingt Lil Wayne in "IANAHB": "Sometimes I need someone to talk to." Eventuell aufkeimendes Mitleid erstickt allerdings bald im Keim. Wer eine höchst krude Auffassung von "Romance" spazieren trägt und die Frauen wissen lässt, das Einzige, das sie zu erwarten haben, bestehe in "get dick, weed and ignored", ja, Mönsch, der steht am Ende halt alleine da und pimpert den Konzertflügel. Hoffentlich tut er sich dabei nicht weh.

Wer von Lil Wayne tatsächlich lyrische oder philosophische Offenbarungen erwartet hat, muss wohl einen der zahlreich gefallenen Schüsse nicht gehört haben. Trotzdem: Die thematische Einöde ermattet ungeheuer. "Good kush and alcohol" und eine großzügige Handvoll Pilze haben wohl ganze Arbeit geleistet: Die Birne ist weich. Einem Hirn, ausgiebig mariniert in "weed, pills and that drink", fällt offensichtlich nicht einmal mehr der Ansatz einer Geschichte ein, die es sich zu erzählen lohnte.

Wahlweise als Nippel oder als Gummibärchen schmäht Lil Wayne seine Geschlechtsgenossen. Die Auswahl seiner Featuregäste legt den leisen Verdacht nahe: Der Mann könnte Recht haben. Boo, 2 Chainz, Gudda Gudda, Detail und Soulja Boy ziehen derart spurlos vorüber, dass sie auch gleich hätten zu Hause bleiben können. Den Sinn eines Lil Wayne-Samples auf einem Drake-Track habe ich ja schon nicht verstanden. Umgekehrt gilt, wie "Love Me" zeigt, das gleiche.

Dass einem Gunplay in "Beat That Shit" beinahe wie der Rap-Messias persönlich erscheint, der der Nummer wenigstens ein bisschen Brachialgewalt und damit Würde zurück gibt, spricht Bände. Der synthetisch quakende Beat weckt, wie er sich so zusammenbraut, die (leider irrige) Hoffnung, es breche jeden Moment das Inferno über einen herein – und dann ist es doch nur Lil Wayne, der mit Autotune-Gesäusel alles verdirbt.

Überhaupt, Autotune: Ich kann wirklich gar nicht mehr in Worte fassen, wie sehr mich dieser ausgeleierte Effekt ankotzt. Alle wollen individuell, ganz besonders, bloß um Himmels Willen nicht wie von dieser Welt klingen – und dann kleistern sie ihre Stimmen so lange zu, bis einer wie der andere tönt. Sogar ein Lil Wayne, der doch eigentlich ein recht eigenes, markantes Organ mitbekommen hat - und nein, ich meine damit nicht seinen mir beständig ins Gesicht gehaltenen Schwanz.

"I would be talking about my dick. But man, that shit be a long story." Lang – und langatmig. Diesen Eindruck habe ich auch. Mit Ausnahme des eröffnenden "IANAHB", dem unheilschwangeren "God Bless Amerika" und "Back To You", das mit seinem Sample aus Jamie Lidells "Compass" zwischen abgehobenen Elektrosounds eine Fülle musikalischer Entwicklungen zu bieten hat, erscheint jede einzelne Nummer viel zu breit ausgewalzt, jedes Element bis zum Erbrechen und darüber hinaus ausgereizt.

"Controlling my thoughts is like taming sharks." Der durchschnittliche Rapper darf sich von Lil Waynes hemmungslos kultiviertem Irrsinn, seiner Rotzigkeit, seinem Flow und seinem Mut, (wie etwa in "Hello") auch Genre-fremde Klänge zu umarmen, meinetwegen gern eine dicke Scheibe abschneiden – sofern er Tunechi im Gegenzug einen kleinen Ausschnitt aus seinem Themenspektrum dalässt. Läuft mir eigentlich schon Sperma aus dem Ohr?

Trackliste

  1. 1. IANAHB
  2. 2. Curtains
  3. 3. Days And Days
  4. 4. Gunwalk
  5. 5. No Worries
  6. 6. Back To You
  7. 7. Trigger Finger
  8. 8. Beat The Shit
  9. 9. Rich As Fuck
  10. 10. Trippy
  11. 11. Love Me
  12. 12. Romance
  13. 13. God Bless Amerika
  14. 14. Wowzerz
  15. 15. Hello
  16. 16. Lay It Down
  17. 17. Hot Revolver
  18. 18. My Homies Still

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12 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    XD Liest sich wie die detaillierte Tatschilderung eines Vergewaltigungsopfers. Ich find die Platte eigentlich ganz geil. Autotune habe ich schon nicht verstanden als es noch jeder toll fand, von daher hab ich da schon 2008 zum Überleben eine Toleranz aufgebaut und finde es eigentlich nur noch schlimm, wenn man ständig drüber reden muss. Den inhaltlichen Belangen stimme ich im Prinzip zu, aber das kümmert mich eigentlich wenig - ich mag die (gleichwohl trashigen) Beats, seine Stimme und den Flow, deshalb geht mir dat Teil gut ab.

  • Vor 11 Jahren

    Weezy hat seinen Zenit bei Carter III gehabt und danach ging es leider stark bergab. Seine Rockausflüge sowie der erste Teil des vorliegen Machwerks sind Zeugen davon. Schlimm wurde es dann noch bei Carter IV der meiner Ansicht nach, der Schandfleck der Carter-Reihe darstellt. "I Am Not A Human Being II" werde ich mir nich geben, da ich jetzt schon weiß dass Wayne mich wieder nur enttäuschen wird. Und irgendwer sollte ihm mal verklickern dass das Thema "Autotune" so langsam durch ist.

  • Vor 11 Jahren

    Autotune war irgendwann mal beliebt? Bei Cher Anfang 2000 oder was?

  • Vor 11 Jahren

    Album ist uebrigens - ich bin selber erschrocken - wirklich gut. Natuerlich sollte man den alten Wayne und den neuen Wayne dafuer auch strikt voneinander trennen. Man haette das alles trotzdem um gut 5 Stuecke kuerzen koennen - gerade 'Hello' ist eines dieser Dinge, die kein alter Wayne-Fan von ihm hoeren will - und ausser Gunplay (mittlerweile sollte man Ross aufrichtig dafuer danken, dass er diesen Kerl hochgebracht hat - legendaer einfach, wie er vor laufender Kamera Koka zieht, ohne Ruecksicht drauf, was das mit seiner Karriere machen koennte) und Juicy J ist eigentlich jeder Featuregast ohne notwendigen Beitrag. Trina bekam auch leider nur 25 Sekunden?! Nikki Minaj die unertraeglichste Trulla aller Zeiten, Drake zum Glueck OHNE richtigen Rapteil.
    Es dreht sich auch nur FAST ausschliesslich um Schwanzwortspiele, come-ons und drug talk - es ist leicht ermuedend, dass seit einer Weile auf jedem 2. Album ploetzlich irgendwer von molly redet, wo es vor A$AP Rocky in der Rapszene nahezu nicht stattfand, denn als die Three 6 Mafia anfing, ueber Pillen zu labern, hat das sonst keine Sau interessiert -, es gibt naemlich 'God Bless Amerika' (und irgendwie ernster ist auch 'Back To You'). :D Wuerde es als seine beste Veroeffentlichung seit 'Tha Carter III' bezeichnen.

  • Vor 11 Jahren

    @Robin90 (« XD Liest sich wie die detaillierte Tatschilderung eines Vergewaltigungsopfers. Ich find die Platte eigentlich ganz geil. Autotune habe ich schon nicht verstanden als es noch jeder toll fand, von daher hab ich da schon 2008 zum Überleben eine Toleranz aufgebaut und finde es eigentlich nur noch schlimm, wenn man ständig drüber reden muss. Den inhaltlichen Belangen stimme ich im Prinzip zu, aber das kümmert mich eigentlich wenig - ich mag die (gleichwohl trashigen) Beats, seine Stimme und den Flow, deshalb geht mir dat Teil gut ab. »):

    unterschreib' ich so das statement. die beats sind einfach beasts ;)

  • Vor 11 Jahren

    'Trippy' definitiv in der Liste der besten Stuecke des Jahres. Gerade wenn es sich gegen Ende hin immer mehr ins Schnecken-/Dranktempo runterschreibt, richtig herb.