laut.de-Kritik
Techno-Pop zum Lesen und Tanzen.
Review von Dominik KrausErschien vor nicht allzu langer Zeit bei der Eingabe des Suchbegriffes "Breastfed" auf Google ausschließlich eine ellenlange Liste mit Seiten über die Muttermilch-gestützte Aufzucht von Kleinkindern, so hat sich das seit der Gründung des gemeinsamen Labels der Herren MacInner, Reid und Kennedy schlagartig gewandelt. "We Are All Breastfed" steht nun ganz obern, hinter dem zugehörigen Link verbirgt sich jedoch, Überraschung, die Seite eines kleinen schottischen Electrolabels.
Warum die drei dieses Label nun unbedingt Breastfed nennen wollten, muss noch investigativ verfolgt werden. Fest steht jedenfalls, dass Breastfed seit Mylos Beinahe-Schon-Megahit "Drop The Pressur" so ziemlich jedem, der sich nur ansatzweise für elektronische Musik interessiert ein Begriff ist. Und dass sich hinter dem Pseudonym Mylo einer der Labelchefs, Myles McInner nämlich, verbirgt, war nun auch nicht so schwer zu erraten.
Die anderen beiden Brustgefütterten, Duncan Reed und Kevin Kennedy, wiederum geben sich auf ihrem eigenen Label seit geraumer Zeit als Linus Loves die Ehre. Eine LP und diverse Maxis sind aus dieser Zusammenarbeit bis dato entstanden. Nun also folgt der nächste Longplayer, vielsagend "Stage Invader" betitelt. Neben neuen Nummern finden sich darauf auch mehrere bereits auf "Night Music" und "The Victoria Principle E.P." enthaltene Stücke.
Ähnlich wie Mylo haben auch seine Labelkollegen von Linus Loves offensichtlichen Spaß an dicken Midtempobeats, die sie variabel mit elektronischen Sounds aus diversen Dekaden und Styles mischen, und die ein wenig nach Mittelmeer-Discothek schnuppern. So folgen beispielsweise "One More Chance" mit seinem moroderesken Sequenzerlauf oder "VH1" oder "Hold Me Closer" in Soundauswahl und Melodieführung dem Italoprinzip, während bei der Produktion von Tracks wie "The Terrace" offensichtlich über den Ärmelkanal in die Frenchhousekiste gespickt wurde.
Weitere Baukästlein, die auf "Stage Invader" aufgemacht werden, sind die gute alte Früh-90er Techno-Acid-Schule sowie zeitgenössische Technosounds aus Köln und Berlin. Das alles stets jedoch mit der auf Breastfedscheiben verbindlichen unverbindlichen Leichtigkeit. Dies bedeutet unter anderem, dass fast alle Stücke mit einer heiter-beschwingten Oberflächen-Melodie versehen sind, die so mancher Thai-Karaoke-Bar oder 80er Science-Fiction-Comicserie zur Ehre gereichen würden.
Dazu gibts dann auch mal einen lustigen Heliumpop ("Waterfall"), was Geshuffletes ("Stage Invader") oder Tricky Disco Gepiepse obenrum ("Hot & Wrong"). Doch bei aller Vielfalt und Zitiererei - "Stage Invader" ist trotz der offensichtlich vielfältigen Einflüsse erstaunlich homogen und kommt auch auf Albumlänge ganz gut. Insofern lässt sich das Album durchaus mit Mylos vielgeliebtem Machwerk "Destroy Rock'n'Roll" vergleichen. Same same but different, sagt da der Rucksacktourist wissend.
Unterm Strich bietet "Stage Invader" knapp 50 Minuten angenehme Electro-Techno-Pop Unterhaltung, bei der man vortrefflich nackt durchs Zimmer tanzen oder sich auch in aller Ruhe ein Buch über Quantenmechanik reinziehen kann. Dick und schlüssig produziert ist das ganze obendrein auch noch. Zwar wirken die Stücke insgesamt allesamt ein wenig beliebig und austauschbar (oft fragt man sich "bei welchem Track bin ich nu eigentlich"?), als nette Durchhör-CD für die noch ausstehenden Sommertage und -Nächte jedoch eignet sich das Album ganz hervorragend.
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