laut.de-Kritik

Erinnerungen aus Rasierklingen.

Review von

"Memories are made of razorblades / Even if they're good" – die Stücke von Lou Barlow sind wie Einblicke in sein Tagebuch. Das ist auch bei seinem neuestem Streich "Brace The Wave" nicht anders - nur, dass sich der Bassist von den 2005 wiedervereinigten Dinosaur Jr. und Sebadoh-Kopf deutlich wohler zu fühlen scheint als früher. "In den frühen 2000er Jahren ist bei mir alles zusammengekracht und niedergebrannt. Ich war wieder alleine mit meinem 4-Track und rudimentären Recording-Kenntnissen. Ich hatte noch immer eine Ukulele und empfand es am angenehmsten, unangenehme Songs zu schreiben", erzählt Barlow.

Auch wenn zu den alten Narben immer wieder mal neuen hinzukommen: ein gewisser, wenn auch leiser, Optimismus ist auf "Brace The Wave" deutlich spürbar. "It's not a fight, it's my body aging", singt er in "Pulse", einem der neun Stücke des neuen Longplayers, dem ersten Solo-Output seit 2009.

"Understanding is only demanding more" - Barlow, vor kurzem aus Los Angeles weg und zurück nach Massachuetts gezogen, lässt das bisher Geschehene Revue passieren, schafft damit neun in sich gekehrte, zurückgenommene, meist leise Stücke. Die Texte sind autobiographisch und intim, ohne plakativ oder offensichtlich zu sein. "The story of my innocence is brief", singt er in "Redeem" - als wäre das alles eine Beichte, eine Ablegung von einem Lebensgeständnis. Entstanden ist das Album in nur sechs Tagen, gemeinsam mit dem Engineer Justin Pizzoferrato, mit dem Barlow bereits bei Dinosaur Jr. mehrmals zusammenarbeitete.

Die meiste Zeit reichen Barlow neben seiner markanten Stimme eine Bariton-Ukulele, die er für verschiedene Stimmungen benutzt, sowie eine Akustikgitarre. Nur einmal lässt er einen Hauch von Synth über die Gitarrenbewegungen singen ("Boundaries") oder wie bei "Nerve" die Gitarren ein wenig angezerrt klingen, mischt subtile Andeutungen von Percussion ins Ganze.

Auch wenn Barlow als einer der Wegbereiter für die Lo-Fi-Ästhetik im Rock gilt, Lo-Fi ist hier nicht wirklich angesagt. Das sind alles Klangfarben, beigemischte Farben, nichts wirklich Tragendes – das tut schon die Substanz, die Geschichtenlastigkeit der Stücke. In Barlows Introspektion ist jedes der neun Stücke geglückt. Es scheint eine Übergangsphase im Leben zu sein, und längst nicht jede Erinnerung an die Wegzweigungen, die einen hier her geführt haben, ist angenehm - und nichts desto trotz ist es vielleicht Barlows optimistisches Solo-Album geworden. Schnörkellos, ohne Umschweife und wunderbar.

Trackliste

  1. 1. Redeemed
  2. 2. Nerve
  3. 3. Moving
  4. 4. Pulse
  5. 5. Wave
  6. 6. Lazy
  7. 7. Boundaries
  8. 8. C+E
  9. 9. Repeat

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