laut.de-Kritik
Erektions-Rhythmen und Texte mit viel Testosteron.
Review von Martina KellnerEin wenig Überwindung braucht es doch, sich dem neuen Album der Kalifornier zuzuwenden, kennt man den durchaus beeindruckenden Retro-Glamrock-Vorgänger "Best Little Secrets Are Kept". Der sorgte vor allem in Sachen Obszönitäten für Furore.
Die Sonnenkönig-Anbeter besangen allerlei - huch! - Schlüpfrigkeiten, von Drogenverherrlichung ganz zu schweigen. Das verärgerte nicht nur ein paar Presseleute, sondern auch den US-Bundesstaat Alabama, der kurzerhand ein Konzert des Vierers verbot.
Der Parental Advisory-Sticker prangt natürlich auch diesmal auf dem Cover. Dabei kommt "Slick Dogs And Ponies" durchaus zurückhaltend daher. Nackte Haut und Obszönes gibt es zwar immer noch reichlich ("Tina", "Stalker"). Im Gegensatz zu "Best Little Secrets" sind diese aber in züchtigen Pop und braveren Streichern verpackt.
Beispiele hierfür sind die Ballade "Hopesick" und der überladene Titeltrack. Dem Rock der 70er fühlen sich die Herren aus San Diego allerdings noch immer verpflichtet - vor allem dem der Briten a là T.Rex oder Slade. Und angeblich haben die Bandmitglieder während der Arbeit am Neuling fast ausschließlich Electric Light Orchestra gehört, Das hört man hier und da auch heraus, zumindest was den Falsettgesang Brian Karscigs angeht.
Nach wie vor ergänzen sich Jason Hill und Karscig gesanglich sehr passabel. Akustisch hüllen sie ihre Texte diesmal jedoch stärker in üppigen Violinenschmelz und leichte Rockarrangements ein. Zusätzliche Geiger rekrutierte zudem Becks Vater, der Komponist David Campbell, der bereits mit Alanis Morissette oder Eric Clapton fiedelte.
Standen in früheren Songs wie "Finding Out True Love Is Blind" oder "Pledge Of Alliance" raue Gitarren im Vordergrund, untermalt mit viel obszönen Lauten und herausgeputzten Streicher/Piano-Kompositionen, klingt nun alles etwas überkandidelt und poppiger. Und zuweilen irgendwie hat man doch stark das Gefühl, dass da oft das gewisse Etwas fehlt.
Die Testosteron-Texte und Erektions-Rhythmen dürften auch diesmal nicht jedermanns Geschmack treffen. Auch die Videoauskopplungen "Guilt By Association" und "Stalker" zeigen gewohnt viel weibliches Fleisch – da bleiben die Amis ganz ihrer Linie treu.
Was das anbelangt, erschließen sich Hill und Co. mit "Slick Dogs And Ponies" sicher keine neuen Hörerschaften. Das selbsternannte Ziel, sich musikalisch einen großen Schritt weiterzuentwickeln, hört man der Scheibe aber nur eingeschränkt an.
Denn das ach so Revolutionäre am Opener sucht man vergebens: "Mit diesem Song haben wir einen neuen Sound erfunden. Er ist definitiv anders, als all das, was man an momentaner Musik hört", findet Frontmann Hill. Wenn da mal nicht der Hormonüberschuss den Verstand vernebelt ...
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