laut.de-Kritik
Ein Album wie Dynamit!
Review von Ulf KubankeDer Begriff Popmusik hat bei vielen Menschen hierzulande eine eher negative Konnotation. Das mag man dem Publikum angesichts solch nassen Schießpulvers wie Frida Gold oder den betulichen Ich & Ich verzeihen. Die französische Kunst kann über solch kreative Limitierung nur lachen. M alias Matthieu Chedid füllt derweil Stadien und gibt nonchalant den farbenfrohen Weltklasse-Entertainer.
Mit "II" startet der Gallier nun den musikalischen Angriff auf das Reich der Krauts. Ein Album wie Dynamit! M bastelt sich und uns einen bunten Regenbogen aus Rock, Disco, Funk und ungefähr hundert weiteren Gewürzen. Gern auch Schlag auf Schlag in ein und demselben Track. Das Ergebnis klingt weder unentschlossen noch überladen. Monsieur Chedid packt sein Büffet auf ein extrem abgehangenes Fundament aus Rhythmus und Melodie. Alles kann, alles darf, alles muss mit rein. Das Ergebnis klingt als sexy Cocktail aus Eingängigkeit und Komplexität hervorragend.
Der für einen Opener ungewohnt balladeske Einstieg "Elle" verwandelt sich nach knapp zwei Minuten in ein feuriges Wahwah-Monster mit eingebautem Tanzbefehl. Einmal im Groove gefangen, lässt M den wild zappelnden Hörer nicht mehr vom Haken. In dem nicht minder hypnotischen "Le Film" schraubt der Falsettkönig aus der Île-de-France sein Organ locker in Farinelli ähnliche Kastratenhöhen. Die ungewöhnliche - dabei sehr maskuline - Tonlage zieht sich als Markenzeichen in verschiedenen Variationen durch die Scheibe.
Im Verlauf des Albums kann Chedid den Beginn sogar toppen und kredenzt zwei Floor-Schmeichler der Extraklasse. "Océan" ist dermaßen organische Clubmusik, dass man sich unwillkürlich fragt, wo denn hierzulande solche Ideen bleiben. Als absoluter Höhepunkt entpuppt sich "Mojo", der französische Sommerhit 2012: Ein fett treibender Stampfer, so erotique wie Prince und so druckvoll wie ein Orkan.
So überschwänglich umarmend die ausgelassenen Momente, so sensibel geraten ihm die ruhigen Minuten. "Oualé" schleicht als Leisetreter verführerisch und dabei fast schon nordeuropäisch ins Ohr. Eine Ecke weiter fände man sich beinahe bei den frühen Sigur Rós auf dem Schoß. Ebenso "L'île Intense [Part 1]" und das treibsandige "Enhicam". Es lohnt sich durchaus, die Songs chronologisch zu verfolgen. Chedid hat bewusst einen extravaganten Spannungsbogen ganz eigener Art kreiert. Parallel zum nicht minder wundervollen Album von Lescop zeigt M dem deutschen Spätsommer, was eine echte Harke ist.
4 Kommentare
Hm, ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Was ich mir jetzt (nachdem ich die Kritik hier gesehen habe) angehört habe, klang schon cool, so ist's nicht. Aber bei so einer Rezension hatte ich doch irgendwie mehr erwartet.
ja, das kommt nach dem dritten durchlauf...ging mir zuerst auch so...das muss einwirken...
Dann geb' ich dem Ganzen noch anderthalb Durchläufe.
Aber nur, weil du's bist.
ich danke