9. Juli 2013

"Ich bin noch nicht verheizt!"

Interview geführt von

2012 betritt ein stets gut gelaunter Mensch mit Vollbart, Sonnenbrille und Cap die deutsche Musikszene und erobert mit "30 Grad" die schnellebige Welt der Hashtagger. Es folgen "Yolo" und "Whatsapper", so dass man nicht umhin kam, sich zu fragen: Aus welchem Ei ist denn der geschlüpft?Als Trash-Rapper beschimpft und gefeiert, kursiert jetzt MC Fittis Debüt "#Geilon". Und das zunächst an einer Kooperation interessierte Majorlabel Sony Music wird sich vielleicht doch mal in den trägen Hintern beißen ...

Fitti beschreibt uns die Geschichte folgendermaßen: Sony sei ein riesiger Dampfer, er, MC Fitti, aber ein schnelles und wendiges Motorboot - immer bereit für neue Manöver. Da kam Sony einfach nicht mit. Zu schwer. Zu unbeweglich. Daher platzte der geplante Deal und Fittis Debüt erschien independent über Styleheads Music.

"Grüße an die Sony-Ecke!", stichelt Fitti grinsend beim Auftritt in München noch kurz in Richtung der anwesenden Sony-Mitarbeiter, "hätte gut werden können mit uns." Beim Anblick der euphorischen Menschenmenge, die MC Fitti die Arme aus dem Konfettimeer entgegenstreckt, dürfte das bestimmt gesessen haben. Zwischen Soundcheck und Auftritt bekommen wir nachmittags die Möglichkeit, uns mit einem entspannten Fitti zu unterhalten.

So - hier mit MC Fitti! Wie hängt der Bart heute?

Frisch gestriegelt, frisch Bartwixe drinne.

Ich hab ja gehört, es gibt sogar richtige Bart-Clubs, denen man beitreten kann.

Ja, aber ich kenn mich da nicht so aus. Ich bin in keinem Club. Bin auch eigentlich gar nicht so ein Bartnerd.

Würde man ja nicht meinen ...

Das hat sich so ergeben und jetzt mach ich alles auf eigene Faust – ohne Tipps von irgendwelchen Profi-Opas.

Wir sind hier ja auf der Brummer-Tour, deine erste richtige Tour mit Nightliner und allem Drum und Dran. Wie kommst du klar bisher?

Macht voll Spaß! Vorher so die ganzen Minitouren, die ich gemacht habe, waren natürlich immer ein bisschen stressiger, weil man da mit dem normalen Wagen, mit 'nem PKW sag ich mal, hinfährt und dann ist man im Hotel und muss hin und her shutteln. Das ist jetzt natürlich viel einfacher. Du geht nach dem Auftritt in den Nightliner, legst dich in die Falle und wachst am nächsten Tag an der nächsten Location auf. Und man kann alle Kumpels mitnehmen, denn es ist genug Platz. So sind wir halt'n cooles Team.

Ihr seid ja jetzt schon im letzten Drittel der Tour angekommen - wie viele Fitti-Bärte sind dabei gewesen?

Überall rappelvoll und ordentlich Fitti-Bärte dabei! Mädchen und Jungs.

Hast du denn im Leben eines tourenden Künstlers auch schon irgendwelche unbequemen Seiten feststellen können. Nervt schon was?

Nö. Ist noch alles super. Macht Spaß. Bin noch nicht verheizt. Kann ich mir auch gut weiter vorstellen.

Du wirst ja gemeinhin als "Rapper" bezeichnet, obwohl du weder reimst, noch sonstwie eigentlich an einen erinnerst. Siehst du dich denn selber überhaupt als einen?

Nee. Ich seh mich auch selber gar nicht so als Musiker. Ich mach das erst seit letztem Jahr mit der Musik – professionell, sag ich mal. Ich kann auch gar nicht so richtig singen und alles. Reimen – natürlich. Das weiß ich auch, dass sich da so einiges nicht reimt. Solls aber auch nicht unbedingt. Keine Ahnung wie ich in diese Rapecke gerutscht bin. Vielleicht weil die Beats vom Grund her teilweise auf Hip Hop aufgebaut sind. Aber die sind ja gut verwurstet mit anderem Kram. So bin ich halt ein Rapper oder Sänger oder Musiker ... ich seh mich selber nicht so.

Als was siehst du dich denn? Als Kunstfigur oder Entertainer oder was?

Ja. Eher Künstler allgemein. Bei mir spielt ja nicht nur die Musik eine Rolle, sondern eben, wie du sagst, das ganze Entertainment, die Videos, die Aufkleber und dieses ganze Ding.

"Kleben und kleben lassen" ist laut Facebook momentan ja auch dein "Lebensmotto".

(lacht) Genau!

Aber du bist mit der Szene ja schon auch in engem Kontakt. Du hattest letztes Jahr einen Auftritt auf dem Splash! und auch in deinem Video zu "Yolo" sind viele bekannte Gesichter der Deutschrapszene zu sehen.

Ja. Auf jeden Fall.

Im Rap wurde ja schon immer viel Wert auf eine gewisse "Authentizität" gelegt bzw. darauf, wenigstens den Anschein einer solchen zu erwecken. Hast du's denn da manchmal schwer als explizite Kunstfigur in dieser Szene?

Bisher war da noch alles easy. Ich kenne ja viele aus der Richtung und die sind da eigentlich auf meiner Seite. Die finden's halt auch cool, dass ich so locker mache, weißte?! Ich kann nicht einen auf Gangster machen - das bin ich ja nicht. Ich mach halt einen auf locker und mach, was mich so begleitet. Ich will die Szene damit auch nicht verarschen - ich komm ja selber aus dem Hip Hop. Hab da wie gesagt auch meine Freunde. Was ich da mache, ist einfach eine andere Ausdrucksform.

Du bist ja gerade auch mit deinem Backup Vokalmatador auf Tour, einem langjährigen Mitglied der Szene. Wie kamt ihr denn zueinander?

Wir haben uns so vor zwölf, dreizehn Jahren mal über einen Kumpel kennen gelernt, der auch Musik gemacht hat. Durch ihn habe ich Vokalmatador kennen gelernt und den Rest der Bande aus Berlin. Dann bin ich irgendwann zufällig in Berlin gelandet und Vokalmatador hat mich super aufgenommen und mir so die Spots gezeigt, wo man in Berlin so abhängt. Nicht dieses hypi, sondern richtig Berlinerisch, nä? Ja - und jetzt ist er immer noch da und wir hängen zusammen rum.

Und wie kamst du zum Musik machen? Du warst ja früher als Kulissenbauer beim Film - u.a. auch für "Das Leben der Anderen".

Naja, ich hab ja immer so ein zwei Lieder im Jahr gemacht, weil mein Produzent, der Udo Zwackel - auch ein alter Kumpel von mir - immer sehr viel zu tun hat an anderem Produzentenkram. Wir haben aber immer zum Spaß so ein bis zwei Lieder im Jahr gemacht. Mehr war auch gar nicht drinne. Ich hab ja meinen Kulissenbaujob gehabt. Das war auch nur so nebenbei als Hobby. Deshalb mache ich auch eigentlich erst seit letztem Jahr so richtig Musik und hab mal mehr als nur ein oder zwei Tage im Studio rumgehangen.

Und Kulissenbau machst du jetzt gar nichts mehr?

Da hab ich grad gar keine Zeit mehr für.

Nur Musik gerade.

Nur Musik und wie man das andere alles so nennt. (lacht)

"Eigentlich wollte ich 'nen Schnauzer haben!"

Letztes Jahr hast du dich mit "30 Grad" via Internet in die allgemeine Wahrnehmung katapultiert. Deine Musik wird aufgrund der Thematik von Songs wie "Whatsapper", "Yolo" oder "Roflcopter" als "Musik für die Generation Internet" betitelt. Siehst du das auch so?

Ja, wir sind im Jahre 2013 jetzt dann, nä? Und es spielt sich eine Menge übers Internet ab. Jeder ist online mit seinem Smartphone und alles spielt sich dort ab. Die normale Welt gibt's für viele ja gar nicht mehr so dolle. Das siehst du ja selber: in den Straßen oder Parks, in denen die Leute abhängen, hat meistens die Hälfte der Gruppe das Handy davor.

Ist doch schlimm, oder?

Ist schon schlimm, aber heutzutage normal. Man kann da jetzt nicht mehr hinterher trauern, was früher mal war. Das entwickelt sich halt alles und wird mit Sicherheit auch noch schlimmer. Wenn's nicht irgendwann knallt! (lacht) Und es sind ja auch viele andere durchs Internet bekannt geworden. Cro ist ja auch übers Internet gekommen usw. Das ist halt das Medium, das gerade das Ding ist.

Für Promozwecke ja auf jeden Fall super. Aber bist du auch privat so ein Internetjunkie?

Ich glaube, ich bin nicht mehr im Internet als andere, "normale" Leute, nur dass ich halt dann mehr poste. Andere lesen sich alles durch und kucken und surfen durch die Gegend, aber bei mir sieht man halt sofort, dass ich im Internet bin. Bei anderen siehst du das nicht so. Aber ich bin da nicht anders als andere Leute.

Zieht sich das Thema Internet auch durch dein Debütalbum "#Geilon"?

Es sind auch ehrliche Sachen dabei. Greifbares.

Persönliches?

Ja, da sind auf jeden Fall auch persönliche Sachen drauf. Ein Liebeslied ist bei mit Bonnie Strange zusammen. Dann ein paar Autofahrlieder.

VW?

(Kurzes Gelächter)

Ja, VW. Das gibt's ein Lied über VW und Opel - mit Marsimoto zusammen. Dann gibt's ein Clublied mit Moonbootica. Oh, und "Schöne Mädchen" handelt davon, dass man im Frühling, wenn man wieder auftaut nach dem Winter, durch die Straßen geht. Da sieht man dann ja ab und zu mal schöne Mädchen, nä? Wo de denkst: wow und so, nä? Und innerlich wird einem dann ganz warm und dann geht aber trotzdem jeder seinen Weg und du hast die Person nach einer Sekunde wieder vergessen und weißt nicht mehr wie die aussah.

Das ist schon persönlich und da kann sich jeder mit identifizieren, sag ich mal. Ein Lied mit Vokalmatador hab ich gemacht, wo wir auf meiner WG-Party ein bisschen abraven. "It Boys" mit Felix Brummer von Kraftklub. Und mein Produzent Udo Zwackel ist auf dem Album. Das mischt sich halt alles. Da sind auch viele Alltagsgeschichten dabei. Aber da darf Internet natürlich auch nicht fehlen.

Deine ganze Ästhetik ist ja stark inspiriert von den 80ern, "30 Grad" u.a. von der 80er-Kultserie "Miami Vice". Ich persönlich warte ja noch auf eine Hommage an "Eis am Stiel". Machst du das bitte mal?

(lacht) Da bin ich dann der kleine Dicke da! Zachi heißt der, nä?

Boah, das wär schon gut.

(Gelächter)

Warum denn die 80er?

"30 Grad" hatte diesen 80er Touch, weil es so kam. Wir haben uns im Studio getroffen - Udo und ich - und dann kamen - bumms - die Synthies und das Ganze hatte sofort diesen 80s Flow. Aber ist nicht alles 80er auf dem Album, da ist 80er, 90er bis hin zu den 3000ern Zukunftsmusik drauf. Ich bin nicht auf den 80ern hängengeblieben.

Okay. Dann hätte ich mich auch echt gewundert, warum Vollbart und kein Schnauzer im Magnum-Style.

Eigentlich wollte ich 'nen Schnauzer haben! Aber der Bart ist dann halt mitgewachsen, nä?

(Gelächter)

Wie lang haste den denn eigentlich schon? Hast du dir den extra wachsen lassen für dein Image?

Nee, gar nicht! Erst wollte ich mir 'nen Schnäuzer wachsen lassen. So einen richtigen Zwirbler. Wie Ludwig der XIV. und wie die alle heißen. Mit 'ner Pickelhaube auf dem Pferd. Ohne Sonnenbrille. Ganz normal. Dann war aber Winter. Im Winter lasse ich immer meinen Bart wachsen - das habe ich schon immer gemacht. Das hat sich so eingebürgert. Mit Kumpels hatten wir früher immer so Wetten am Laufen. Wer als erster abrasiert.

Sommer vorbei und dann gibt es ja auf einmal den Punkt, an dem es Herbst wird. Ab da hat man den dann wachsen lassen. Und am ersten Frühlingstag wurde er gekürzt. Das waren unsere Wetten. Und deswegen hat sich das so durchgezogen bei mir. Ich hab bisher jeden Winter Vollbart gehabt. So war er da - der Vollbart. In der Zeit sind dann auch Fotos entstanden zu diesem MC Fitti-Ding und - bumms - hat Fitti Sonnenbrille gehabt, Vollbart und Capi. War aber eher Zufall.

"Ich freu mich, den Schritt raus aus dem Internet zu machen!"

Ich hab mich ja in Zusammenhang mit deiner Person auch mal generell so ein bisschen mit Bärten beschäftigt und der Bart galt ja schon immer als Zeichen der männlichen Omnipotenz.

(Fitti lacht kurz dreckig)

Würdest du dich kastriert fühlen, wenn du den jetzt abnehmen müsstest?

Nee!

Nee?

Nee nee. Aber man gewöhnt sich natürlich dran. Man muss ihn ja auch kämmen und dann auch mal zwischendurch waschen. Und legen und fönen usw. Aber ich bin da jetzt nicht so der krasse Bartnerd. Ich glaube, es wäre erstmal ungewohnt. Ich hab den ja jetzt zweieinhalb Jahre oder was da dranne hängen. Aber es wäre glaub ich auch cool, wenn er ab wäre. Keine Ahnung wie lange der noch dran bleibt!

Da hängt ja jetzt dein ganzes Image dran. Was machste denn, wenn du keinen Bock mehr drauf hast oder es dir drunter zu heiß wird?

Dann kommt er ab und ich gründe eine Social Media-Agentur.

(Gelächter)

Dein Ding lebt ja sehr vom Bart und deiner ewigen guten Laune – beides Sachen, von denen ich denke, dass man die vielleicht auch mal ablegen möchte. Glaubst du nicht?

Ehrlich gesagt habe ich mir da noch keine Gedanken gemacht. Ich nutze jetzt die Möglichkeiten, die ich bekommen habe. Ich bin auch eigentlich ein fröhlicher Typ, hab immer Bock auf neuen Kram, auf alles, was Spaß macht und wo man mit seinen Freunden lachen kann. Da gibt's gerade eine Menge Möglichkeiten, wie ich das noch weiter machen kann. Sei es durch Sponsoren, die mich unterstützen wollen oder Freunde und Arbeitskollegen. Erst mal läuft's noch und irgendwann, wenn's dann nicht mehr so in den Medien ist, mach ich trotzdem weiter - halt dann hinter den Kulissen. Wie ich's vorher auch gemacht hab.

Ich bin ja auch nicht erst seit letztem Jahr auf der Welt, mich gab's ja auch davor. Und vieles hab ich vorher auch schon gemacht - mit anderen Leuten und für andere Leute. Auch eigenen Scheiß, den man in den Medien noch gar nicht so kennt. Ich werde meine gute Laune bestimmt nicht verlieren. Natürlich: wenn man morgens aufsteht und mal schlechte Laune hat - das ist ja ganz normal, nä? Die ersten zehn Minuten bis der Kaffee dann da steht. Aber sonst mach ich mir da keine Gedanken drüber. Macht ja auch alles Spaß, nä?!

Wenn ich irgendwann mal jeden Tag das Gleiche machen muss mit guter Laune, dann kann ich mir vorstellen, dass ich nach ein paar Wochen die Lust daran verlieren würde. Ich bin auf jeden Fall gespannt wie mein Album ankommt. Ist auf jeden Fall 'ne Menge Freshness drauf. Es wird noch ein paar schöne Singles geben mit schönen Videos. Es gibt eine Vinyl von ...

Picture Vinyl sogar!

Ja. Boah, da freu ich mich richtig drauf ... Es gibt auch 'ne Sammelbox mit ein paar mehr Liedern. Ich freu mich richtig, dass ich auch mal diesen Schritt raus aus dem Internet machen kann. Wenn der Strom mal ausfällt oder es knallt, ist sonst ja alles weg. So kann man sich die Sammelbox ins Regal stellen oder die Picture Vinyl ins Zimmer hängen oder auf 'm Grammophon hören.

Bist du überrascht, dass alles so schnell ging?

Ich bin einerseits überrascht, andererseits ist es so: wenn man fleißig ist - und wir haben viel Doppelschicht gemacht - muss es sich ja auch irgendwie auszahlen. Irgendwas muss dann ja passieren. Ich find's cool, dass es in eine so positive Richtung gegangen ist und die Leute mich auch verstehen. Verstehen, was ich damit ausdrücken will und dass eigentlich alles locker ist. Das finde ich sehr schön. Und auch, dass alle mitmachen! Von jung bis alt, Agenturarbeiter, Studenten - alle haben Bock da drauf.

Abschließend: Es heißt ja so schön: "Ein Bart macht noch lange keinen Weisen."

(lacht) Da haste vollkommen recht!

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