laut.de-Kritik

Triumphale Rückkehr der Punklegende.

Review von

"In Blitze gekleidet und Donner erscheinen wir vor dir!" Das ist wahrlich keine Übertreibung. Fast 35 Jahre nach ihrem Auseinanderbrechen entsteigen die Urpunks MDK als Phönix aus der Asche. Die Legende lebt nicht nur, sie ist putzmunter. Zwischen Postpunk und Freistil liefern sie mit "Manifestation" eines der besten deutschsprachigen Rockalben des laufenden Jahres ab.

Wer als Spätgeborener MDK, das Mekanik Destrüktiw Komandöh, nicht kennt, sollte sich nicht grämen. All zu lange hielt die Band um den schillernden Vordenker Volker Hauptvogel, das einzige konstante Mitglied, Winterschlaf. Zwischen 1978 und 1984 jedoch gehörten sie zu jenem Berliner Mikrokosmos, der Deutschland musikgeschichtlich immens prägte. Auftritte mit Nick Caves Birthday Party, den Einstürzenden Neubauten oder den Dead Kennedys sind ebenso Teil ihres Wirkens wie Edelfans a la Jello Biafra oder Yellos Dieter Meier, der sogar Präsident des offiziellen MDK-Fanclubs war. Mehr Storys hat hierzulande kaum jemand zu erzählen.

Erfreulicherweise nagte der Zahn der Zeit weder an Hauptvogels Texten noch an seiner Stimme. Den leichten Küstenakzent hört man dem gebürtigen Bremerhavener noch immer an. Er bleibt der Käpt'n Blaubär des Punk und zeichnet nach wie vor verantwortlich für die Texte. Letztere reichen, ebenso wie die Musik auf "Maifestation", weit über das Genre Punk heraus. Es gibt Mordballaden, Sozialkritik, Poesie, Politik und jene unkonventionelle Mischung aus "Fuck You!" und Umarmung, die MDK stets eigen war.

Die Klänge geraten dabei ähnlich vielseitig, mal Sandpapier, mal Abrissbirne. Dabei fällt auf, dass MDK der Postpunk mittlerweile anscheinend weit näher steht als klassische Punktracks. Auch entspannte Momente nahe von Barroom-Jazz oder Psychedelik finden zwischen Geschrammel, collagenhafter Untermalung und Noiseattacken ihre Nische. Heimlicher Star der Vorstellung ist Saxofonist Bertam Krumm. Vom smoothen Salonlöwen bis zum Free Jazz- und Noise-Terroristen reicht die breite Palette seiner Einlagen. Wer sich hie und da an Steve Mackay (Stooges) auf "Fun House" erinnert fühlt, liegt goldrichtig.

Darin, dass die zehn Stücke trotz stilistischer Wechselbäder, Hauptvogels prägendem Charismas und nahezu kompletter Neubesetzung wie aus einem Guss klingen, besteht die große Stärke der Platte. Postpunkfans schnappen sich den "Heinrichplatz" oder "Rhythmus Des Lebens", "Es Geht Weiter" stellt sich als souveräner Rocker heraus. "Worte Werden Zu Musik" wandelt auf den Spuren psychedelischer Velvet Underground-Stimmung, und derbe Deutschpunk-Puristen stecken sich einfach "Alles In Den Arsch".

Mein persönlicher Favorit und ein Muss für Gänsehaut-Junkies ist das nur scheinbar relaxte "Moerderlied". Im samtig dahingroovenden Gaslicht eines Berliner Rotlicht-Kiezes spricht die toughe Bordsteinschwalbe einmal zu oft den falschen Freier an. So ersticht Jack The Ripper "die teuflische Fratze und war plötzlich ganz alleine in Berlin".

Trackliste

  1. 1. Es Geht Weiter
  2. 2. Alles In Den Arsch
  3. 3. Nimm Dir Das Leben
  4. 4. Blitze Ueber Kreuzberg
  5. 5. Man Wohnt Nicht Mehr Im Kiez
  6. 6. Moerderlied
  7. 7. Heinrichplatz
  8. 8. Rhythmus Des Lebens
  9. 9. Berlin
  10. 10. Worte Werden Zu Musik

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