laut.de-Kritik

Ein Krönchen für die Dramaqueen.

Review von

Köpfe einziehen! Finster und bedrohlich brummt und summt der Opener. Zugleich aber so melodisch, dass man meint, ganze Mönchschöre aufmarschieren zu hören. Der Bass drückt, die Rübe nickt fast automatisch. "Mein Flug geht los. Ikarus." Na, hoffentlich endet er etwas weniger abrupt als in der klassischen Vorlage. Flieg' nicht zu hoch, mein kleiner Freund. Dieser Einstieg sorgt jedenfalls schon einmal für ordentlich Fallhöhe.

Egal, "M. Bilal is ready to die", stellen die grimmigen Zeilen gleich zu Beginn unmissverständlich fest. Gut so. Die Ernüchterung folgt nämlich auf dem Fuße. Der Effekt auf dem Gesang nervt, zum ersten und leider keineswegs zum letzten Mal, gleich in "Money" gewaltig. Im Fall Manuellsen: doppelt bedauerlich. Warum merzt ein begabter Sänger jedes Alleinstellungsmerkmal aus? Warum kleistert er seine Stimme derart zu, dass auch ein beliebiger, weniger fähiger Hinz oder Kunz den Job hätte erledigen können?

Eigenständigkeit muss irgendwie komplett aus der Mode gekommen sein. Anders lässt sich auch nicht erklären, dass alle Welt allüberall den immer gleichen Drumsound zu Tode reitet. Gefühlt aus jedem zweiten Track ticken diese nervösen Hi-Hats und treiben mich mit jedem Auftreten näher an die Grenze zum Amoklauf. Wie können eigentlich noch immer hörende Wesen da draußen herumlaufen, denen dieser Klang NICHT meterweit zu den Ohren raushängt?

Ihr seid alle Individuen? Am Arsch die Gangster! Manuellsen, ohne jede Frage ein kantiger Rapper mit Biss, der zugleich genug Talent für eine Karriere als Sänger abbekommen hat, nutzt letzteres, um seinen eigenen Nummern die Zähne zu ziehen. Wieder und wieder. "Es fühlt sich an als wär' ich bereit zu sterben", jodelt es zum Beispiel aus "Bereit Zu Sterben". "Hab' lange drauf gewartet." Echt jetzt? So lebensmüde?

"Cavemin", eine Hymne an die Loyalität unter Brüdern und denen, die sich als solche fühlen, bricht in der Hook so dermaßen dramatisch in Gesang aus, dass man meint, sich aus den Straßen von "Gangland", durch die ein rauer Wind pfeift, versehentlich in ein plüschig-muffiges Musicaltheater verirrt zu haben. Das steht vermutlich direkt am "Boulevard Of Broken Dreams", wo Manuellsen mit seinem Gast Vega um das Krönchen für die größte Dramaqueen wetteifert.

Verstehen wir uns richtig: Die Rap-Parts laufen mir überall prächtig rein. An der Einstellung "Bruder über Fame, ihr Ratten", über Geld sowieso, ist ebenfalls nichts auszusetzen, genauso wenig am überall durchsickernden Lokalpatriotismus. Das alles hätte jedoch weit mehr Eindruck hinterlassen, hätte der Chorus nicht gar so dick aufgetragen. Das macht Manuellsen aber fortwährend: Zwischen energische, grimmige Verse quetscht er Refrains, die der Straßenromantik den Tritt verpassen, der sie vollends in Richtung Ghettokitsch befördert.

"Solang' Es Mir Passt" zum Beispiel cruist zu boombappigen Geschepper, Westcoast-Style, um den Block, bis die schlimme Hook dem bouncenden Gefährt alle vier Reifen aufschlitzt. Der diffuse Wu-Tang-Vibe von "Überall Zuhaus'" gibt mir um Welten mehr als Unsinn dieses Kalibers: "Nein, sie bekommen uns nicht lebend, weil für deine Liebe begeh' ich einen Mord. Ich schütz' dich mit Heckler, Magnum und Glock." Wenn das die Verheißung sein soll, mit der sich im "Gangland" die Weiber ködern lassen, bin ich endgültig raus.

Wie plakativ zur Schau getragene stählerne Härte und triefender Schmalz zusammenpassen sollen, hat mir ohnehin noch nie so wirklich eingeleuchtet. Da das aber jeder zweite macht, brauchen die die bösen Jungs offenbar irgendeinen Ausgleich. Da schwingt das Pendel dann wohl gezwungenermaßen weit in die entgegengesetzte Richtung zurück. So treffen grantige Ruhrpott-Representer, zu denen auch einmal Snaga und Pillath vorbeikommen, unmittelbar auf das "Hey Baby"-R'n'B-Gesäusel von "Paff Paff": viereinhalb Minuten Langeweile, die wirken, als habe jemand versucht, den totgenudelten Kadaver von Freundeskreises "Mit Dir" zu reanimieren.

Noch schmerzhafter, weil mit noch kreissägenderer Frauenstimme verziert, gellt "Gewartet" ins Ohr. "Daddy, wo warst duuuuuu?" Auf der Flucht vor dieser von gefühligem Klaviergeklimper unterlegten Quengelei? Niemand könnte das irgendjemandem verübeln. Auch wenn die Geschichte ohne Zweifel persönlich, die Botschaft ehrenhaft und richtig erscheint: Wer zum Teufel hört sich so etwas an? Am Ende noch mit Genuss?

Vermutlich die gleichen, die an "Die Irokesensituation" Spaß haben, einem sechsminütigen Mitschnitt eines Telefonats, in dessen Verlauf sich ein Gesprächspartner echauffiert, während der andere lacht. Yo, das hätte sich mit "Zeitdiebstahl" wesentlich treffender betiteln lassen. Immerhin steht dieser langatmige müde Witz am Ende des Albums, lässt sich also relativ leicht umschiffen. Das Ärgernis, um das im "Gangland" dagegen kein Weg herum führt: Manuellsen bleibt ständig unter seinen Möglichkeiten.

Der Kerl kann rappen, nimmt seinen dringlichen Versen mit schmusigen Hooklines aber jeden Nachdruck. Er kann singen, verunziert seinen Gesang aber mit so vielen Schichten Bearbeitung, bis dieser Umstand kaum noch eine Rolle spielt. Der Eindruck drängt sich nicht nur einmal auf: Manuellsen mit seinen Begabungen, seiner angenehm unverbogenen Haltung und den reflektiert gesetzten Prioritäten hätte es doch eigentlich nicht nötig, auf längst ausgetretenen Pfaden anderen hinterherzuschlurfen. Weder musikalisch noch inhaltlich.

Trackliste

  1. 1. Ikarus
  2. 2. Money
  3. 3. Bereit Zu Sterben
  4. 4. Gedanken Aus Der Isolation
  5. 5. Cavemin
  6. 6. Boulevard Of Broken Dreams feat. Vega
  7. 7. Du Bist Nicht Wie Ich feat. Moe Phoenix
  8. 8. Schieß' Für Sie
  9. 9. Gangland feat. KEZ
  10. 10. Kimme Und Korn
  11. 11. Manta feat. Snaga & Pillath
  12. 12. Paff Paff feat. Zemine
  13. 13. Laufen Auf Wasser
  14. 14. So Lang' Es Mir Passt
  15. 15. Überall Zuhaus'
  16. 16. Was Tot Ist
  17. 17. Gewartet feat. Michelle
  18. 18. Die Irokesensituation

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8 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Ich kann ihn einfach nicht feiern. Er ist technisch sicherlich kein schlechter Rapper und Sänger, aber ein guter Songwriter ist er halt auch nicht. Klingt immer ziemlich seelenlos und unatmosphärisch, der Singsang macht zudem viel kaputt. Ohne seine "legendären" Interviews wäre der halt immer noch kaum beachtet und das sagt halt viel über ihn und seine Skills aus.

  • Vor 7 Jahren

    Reiht sich in die Reihe der höchstens mittelmäßigen Releases dieses Jahr mit Leichtigkeit ein

    Manuellsens Vortrag ist monoton und unspannend, nie kommt ein Gefühl bissigen Willens auf

    Nach Schema F werden langweilige Betonstories zu komplett uninteressanten und übeladenen Beats erzählt, hier und da pathetischer Gesang eingestreut um Atmosphäre zu erzeugen. Geht leider nicht auf und riecht nach müdem Reißbrett um noch die letzten Cents aus dem künstlerisch stark schwächelnden G-Rap zu pressen

    Im Gangland nichts Neues. Gerade solche Alben braucht das Genre am Wenigsten um wieder für Überraschung zu sorgen

  • Vor 7 Jahren

    lch war erneut im verfickten saturn und es war IMMER NOCH NICHT da :mad: :mad: :mad: sinner von aaron lewis übrigens auch nicht. abmahnanwälte (ok die sowieso) und die musikindustrie können sich ficken. ich darf jetzt locker noch zwei wochen warten. ich habe also die wahl zwischen warten... oder einer verschissenen amazonbox, die ich nicht brauche

  • Vor 7 Jahren

    Mal wieder ne überschlechte Review zu nem guten Album...

  • Vor 7 Jahren

    Wieder mal unter Beweis gestellt das laut.de absolut keine Ahnung hat & eigentlich völlig unrelevante Reviews für die Rapszene schreibt ... zsm mit Palmen aus Plastik hat Manu das Album des Jahres geschaffen .. ob ihr Pisser das nun anerkennen wollt oder nicht

  • Vor 6 Jahren

    Ihr da von Laut.de habt ihr eigentlich nur ein bisschen Ahnung von DeutschRap ich glaube nicht weil sonst würde man nicht solche Rezensionen schreiben das Album ist fast genauso gut wie Kill Em All und das was ihr da oben schreibt ist einfach nur Mist und richtig hohl vielleicht solltet ihr lieber nur über Pop Musik oder Schlager schreiben weil zu mehr reicht es aufjeden Fall nicht das ist einfach nur eine Frechheit was ihr da von euch gebt. Manuellen ist ein richtig guter Künstler egal ob in Sachen Rap oder Gesang. Ich glaube das der jenige der sowas wie da oben schreibt null Ahnung von der Materie hat Manuellsen hat schon Musik gemacht da lief der Verfasser bestimmt noch im Kindergarten rum und ohne Manuellsen würde es vielleicht nicht einmal PA Sports oder KC Rebell geben oder zumindestens nicht auf dem Niveau wie es jetzt ist und ich finde wenn man keine Ahnung hat ist es besser garnix zu sagen als wie wenn da nur scheiße bei rum kommt macht ihr es doch alle erstmal besser wenn ihr könnt....hahaha!!!