laut.de-Kritik

Der Belgier tauscht harten Techno gegen Minimal.

Review von

Belgien wird von uns Deutschen gerne mit den Niederlanden und Luxemburg in einen Topf geworfen. Ganz nach dem Motto aus drei Mal klein machen wir ein Mal groß. Würde man eine Landkarte elektronischer Musik zeichnen, so müsste Belgien jedoch ein gutes Stück größer geraten als es die Geographie vorgibt. Crossover Turntable-Künstler wie 2 Many DJs jetten durch die ganze Welt. Und wer auf harte Techno-Sounds steht, darf sich in Belgien ebenfalls zu Hause fühlen.

Marco Bailey sorgt seit Jahren dafür, dass streng maschinell nach vorne preschende Grooves zu einem Markenzeichen des kleinen Beneluxlandes geworden sind. Releases auf international renommierten Labels wie Primate oder Intec zeugen davon. Ähnlich wie seine Produktionen gehorchten die Sets von Bailey bislang einer kompromisslos anschiebenden Logik. Mit "Positive Disorder" unterstreicht der Belgier nun, dass der Zeitgeist auch an ihm nicht spurlos vorrüber gegangen ist.

Deshalb sind die beiden Mixe der Doppel-CD erstens im Tempo gedrosselt und zweitens inpunkto Soundästhetik deutlich reduzierter als früher. Minimal hat sich längst bis in die Plattenkoffer der gerne mal auf die Wurst hauenden DJ-Elite vorgearbeitet. Das wird schon beim schnellen Blick über die Tracklist klar. Sieg Über Die Sonne, Paul Kalkbrenner, Dominik Eulberg oder Mathew Jonson sind nur einige der Namen, die gleich ins Auge fallen.

Nur ganz vereinzelt landen noch Tracks von Vertretern der harten Schule, wie dem spanischen Turntable-Wizard und Pornographic Recordings-Labelchef Cristian Varela oder dem Amerikaner Tony Rohr, auf den Plattenspielern. Das ist schade. Denn wenn Bailey in früheren Jahren harte Smasher im Akkord hintereinander mixte, war er hörbar in seinem Element. Bei den Minimal-Tracks auf "Positive Disorder" will sich ein solches Gefühl nicht einstellen.

Klar, der Mann kann mixen, daran gibt es keinen Zweifel. Dennoch wirkt ein Großteil der Doppel-CD angestrengt. Der richtige Flow stellt sich nicht so recht ein. Die Trackauswahl ist bestensfalls Standard. Überraschungen, Kauftipps oder Erweckungserlebnisse, wie bei "160 Minutes Of Marco Bailey", fehlen zur Gänze. Auch landen diesmal eine ganze Reihe von Konsensplatten auf den Plattentellern. Das verwässert den Mix und macht ihn langweilig.

Der holländische Youngstar Joris Voorn, der gerade den letzten Release der "Fuse Presents"-Reihe bestreiten durfte, zeigt dem alten Hasen Bailey wies geht. Knackig, pumpend, interessant und technisch virtuos gemixt, greifen hier die Tracks ineinander, verbinden sich Klassiker wie Lil Louis' "French Kiss" mit aktuellen Nummern von André Kraml oder Marc Houle.

Fast ist man versucht zu sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. "Positive Disorder" ist ein Produkt für eingeschworene Fans des Belgiers. Wer eine gute Mix-CD von Bailey in Händen halten möchte, sollte auf oben bereits erwähnte "160 Minutes Of Marco Bailey" zurückgreifen oder bei Joris Voorn ein Ohr riskieren.

Trackliste

CD1

  1. 1. Sieg Über Die Sonne – Cleaning Windows (Ricardo Villalobos rmx)
  2. 2. Chardronnet – Superserious
  3. 3. Wighnomy & Robag Wruhme – Stekkreflekks
  4. 4. Andre Galluzzi and Paul Brtschitsch – Regenschauer (Guido Schneider rmx)
  5. 5. Dominik Eulberg – Die Wildschweinsuhle
  6. 6. Chardronnet vs Afrilounge – Just A Little Peek
  7. 7. The Vegetable Orchestra (Oliver Hacke rmx) – Spinach Point Error Rmx
  8. 8. Ray Soo – Ghettoblaster
  9. 9. 2 Dollar Egg – Gelb
  10. 10. Trentemoller – Polar Shift
  11. 11. Martinez – Shadowboxing
  12. 12. Axel Karakasis – Freno
  13. 13. Mathias Kaden – Syroc
  14. 14. Mathias Schaffhäuser – Coincidance (Trentemoller rmx)
  15. 15. Dinky – Acid In My Fridge
  16. 16. Oliver Koletzki – Der Mückenschwarm
  17. 17. David K – Free Kit (Heidi vocal)
  18. 18. Gabriel Ananda – Glitter
  19. 19. Mathew Jonson – Return Of The Zombie Bikers
  20. 20. Max Cavalerro – The Beautiful Beast

CD 2

  1. 1. Paul Kalkbrenner – Gebrünn Gebrünn
  2. 2. Ellen Allien – Magma
  3. 3. Huntemann – 50.1
  4. 4. Tom Hades – Rock The Box
  5. 5. Slam ft Billie Ray Martin – Bright Lights Fading (Slam Back to Mono rmx)
  6. 6. Marco Bailey – Bollocks
  7. 7. Rykkk’s – Electryk FM (Scan X rmx)
  8. 8. Tony Rohr – Tested Well
  9. 9. Donato Dozzy – Solid
  10. 10. Motor – Sweatbox
  11. 11. Tiefschwarz ft Chikinki – Wait & See (Alter Ego rmx)
  12. 12. Hiroaki Lizuka –Radiant
  13. 13. Cristian Varela – Aggresiva
  14. 14. The 65D Mavericks – Suffering
  15. 15. Redhead – Time For A Change
  16. 16. Secret Cinema – Clubtakes (Joris Voorn rmx)
  17. 17. Guy Gerber – Stoppage Time (original mix)
  18. 18. Video-Bonus

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