laut.de-Kritik

Gedankenspiel: Beethovens 10. Sinfonie als Rap-Platte.

Review von

"Was noch fehlt ist das Wut-gesprochene Wort ...", und so schuf Rapper Marten McFly sein neues Projekt. Das Gedankenexperiment nennt er "Raptus Finalis" und kreiert somit Beethovens 10. Sinfonie.

Seine Reise beginnt in dem Moment, in dem Beethoven 1826 von einer Genesungs-Kur auf dem Land nach Wien zurückkehrt. Eigentlich geht es mit Beethovens Gesundheit zu diesem Zeitpunkt immer weiter bergab. Auf dem Heimweg fängt er sich auch noch eine Lungenentzündung ein, der er drei Monate später erliegt. Aber so weit will es Marten McFly gar nicht kommen lassen.

Seine Weitererzählung schließt an Beethovens neunte Sinfonie an. An deren Ende, bei "Freude schöner Götterfunken", hört man den starken, lauten, impulsiven Gesang, den wir heute aus der Europahymne kennen. Darin sieht der Musiker Beethovens Rap-Potential. Für ihn steht fest: Beethoven war der erste Rapper.

Der Experimentator schlüpft auf "Raptus Finalis" nun selbst in die Rolle von Beethoven, dem Rapper. Alle Lyrics sind aus Original-Zitaten aus Briefen, Tagebucheinträgen oder aus anderen Konversationen zusammengestellt und beruhen auf seiner Biografie. Musikalisch finden sich in allen Songs klassische Instrumente wie ein Klavier oder Violinen, aber auch moderne Hip Hop-Beats.

Das Projekt besteht aus fünf Tracks. Wobei "Gedankenexperiment (Intro)" kein richtiger Song ist, sondern eine spannungsgeladene Einführung in die Thematik, gesprochen von Rapperkollegen Lemur. Dieser Mann sollte ein Hörbuch aufnehmen!

"Raptus X" führt ins Leben von Beethoven ein, berichtet von der Geburt, der Kindheit und Jugend, seiner Musik, seinen Träumen, von Schicksalsschlägen. Von einem eher langsamen Beat mit Geigen-Untermalung zu Beginn des Stücks und einer energischen Stimmlage hin zu schnellen Technobeats mit aggressiv-geladenem Rap. Der den Wahnsinn spürbar macht.

Auch in "Und der Mond" geht es um den Wahn und viele negative Erfahrungen, die Beethoven erlitt. Von Napoleon Bonaparte, dem eigentlich die Sinfonie "Eroica" gewidmet sein sollte, handelt "Wie ein Mensch". Der Musiker schildert darin die Antipathie von Beethoven gegenüber Napoleon, der sich selber gekrönt hat und nur auf Macht aus war: "Hältst Dich für göttlich, doch Du wirst fallen wie ein Mensch".

In "Herbst" rappt er unter anderem über Beethovens Gehörlosigkeit, wie er dagegen angekämpft hat, wie er sich selber Druck gemacht hat und schon mit 32 sein Testament geschrieben hat. In diesem Song wiederholt er: "Ich mag den Herbst, weil alles stirbt". Als letzter Track handelt er vom Tod.

Die Idee zu dieser Platte klang nach einem verkopften Projekt, mit leicht unangenehmen Touch. Doch Hut ab: Es ist beeindruckend, wie gut sich Marten McFly mit Beethoven auseinander gesetzt hat, wie er ihn studiert hat, wie er Beethovens Worte und Gedanken mit neuem Leben gefüllt hat, wie er die Tragik und die Dynamik seiner Worte überbringt. Dadurch gibts beim aufmerksamen Zuhören einiges über Beethoven zu lernen.

Es hieß doch immer, ein anderer Wiener, nämlich Falco sei der erste deutschsprachige Rapper gewesen. Aber auf "Raptus Finalis" zeigt Beethovens Wortgewandtheit, wie sie ins Jahr 2020 gebeamt wurde, dass Beethoven, wenn auch nur in McFlys Gedankenexperiment, die ersten Raplines gedropped hat. Dazu bleibt er seinem Stil treu und die Art des Sprechgesang und der Betonungen wirken angenehm natürlich. Ein Akt wahrer Kunst. Der Künstler hat den Wunderkind-Status von Beethoven verinnerlicht und ein überzeugendes Konzeptalbum erschaffen.

Trackliste

  1. 1. Gedankenexperiment (Intro)
  2. 2. Raptus X
  3. 3. Und der Mond
  4. 4. Wie ein Mensch
  5. 5. Herbst

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Marten McFly

"Mein Kapuzenpulli schützt mich vor Realität!!" So steht es geschrieben, in der Selbstauskunft von Marten McFly. Mit zwei Ausrufezeichen. Dabei hat …

3 Kommentare