1. März 2016

"Es reicht noch nicht zum Leben"

Interview geführt von

Der Großraum Düsseldorf mausert sich immer mehr zur nationalen Punkrock-Zentrale. Neben den Toten Hosen und den Broilers mucken mittlerweile auch viele andere Bands auf. Mittendrin: Die Jungs von Massendefekt.

Seit über 15 Jahren rocken und rollen die Herren um Frontmann Sebastian "Sebi" Beyer nun schon durch die Republik. Und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums "Zwischen Gleich Und Anders" im Jahr 2013 schnuppern die Rheinländer reichlich Höhenluft.

Plötzlich spielt man in der Heimat nicht mehr im Zakk, sondern im dicken Stahlwerk. Und auch die Charts-Auswerter haben Massendefekt mittlerweile auf dem Zettel. Mit ihrem neuen Album "Echos" will die Band nun den nächsten Schritt nach vorne machen. Wir trafen uns mit Sänger Sebi und plauderten über Bodenständigkeit, Kontinuität und Amerika.

Sebi, morgen ist Aschermittwoch. Hand aufs Herz: Wie viele durchzechte Nächte liegen hinter euch?

Sebi Beyer: (Lacht) Von den anderen Jungs weiß ich das gar nicht so genau. Aber ich habe zwei Tage durchgezogen. Das reicht dann aber auch. Mehr brauche ich nicht.

Der Düsseldorfer Rosenmontagszug wurde ja wetterbedingt abgesagt. Traurig?

Ach, iwo. Man kann ja auch woanders in der Stadt die Sau rauslassen.

Die Toten Hosen sind vor genau zwanzig Jahren mit nem eigenen Wagen mitgefahren. Wäre das auch mal was für euch?

Ich glaube nicht. Ich war ja damals live vor Ort. Die hätten da auch alleine losfahren können. Die anderen Wagen waren eigentlich nur Beiwerk für die Massen. Alle wollten nur die Hosen sehen. Für uns würden sich da eher nicht so viele Leute interessieren.

Da ist sie wieder: die typische Massendefekt-Bescheidenheit. Ich erinnere mich an ein Interview, in dem es von eurer Seite hieß: "Wir wollen von der Musik nur unsere Miete bezahlen können. Das wäre ein Traum". Ist auch noch gar nicht so lange her. Wie ist denn da der Stand der Dinge?

Wir arbeiten immer noch dran. Momentan müssen wir alle noch nebenher malochen. Nicht mehr so viel wie früher. Aber es reicht halt noch nicht ganz.

Menschen, die das Business nur vom Hörensagen kennen werden sich jetzt fragen: Häh? Die letzte Platte landete doch in den Charts. Hat man dann nicht ausgesorgt? Willst du sie kurz aufklären?

Ich weiß gar nicht so genau, wie viele Exemplare wir von unserer letzten Platte verkaufen haben. Aber es waren definitiv nicht genug (lacht). Mit Albumverkäufen kommt man schon lange nicht mehr in die schwarzen Zahlen. Das sollte sich aber auch schon rumgesprochen haben. Geld verdient man als Band heutzutage fast ausschließlich mit Konzerten.

Aber da geht's bei euch ja stetig bergauf. Das AK47 und das Zakk stehen schon lange nicht mehr auf eurer Liste. Mittlerweile füllt ihr in Düsseldorf sogar das Stahlwerk. Und sollte euer neues Album auch nur annähernd so einschlagen wie der Vorgänger, wird sich an diesem Zustand auch mittelfristig nichts ändern. Vielleicht geht's sogar noch ne Stufe höher.

Wir lassen uns einfach überraschen. Wir machen uns da überhaupt keinen Druck. Weißt du, wir machen jetzt schon seit Jahren ein Schritt nach dem anderen. Damit sind wir immer super gefahren. Diese geerdete Grundeinstellung ist uns immens wichtig. Bei uns hebt keiner ab, nur weil die Hallen größer geworden sind. So ticken wir nicht. Immer schön auf dem Teppich bleiben. Das ist unsere Devise. So haut es uns über Nacht auch nicht die Füße weg, sollte mal etwas schiefgehen.

"Findste nicht cool?"

Bodenständige Punkrocker. Beide Daumen hoch.

Alle gut erzogen (lacht).

Lass uns übers neue Album sprechen. Mal abgesehen vom Standard-Statement einer jeden Band, die sich auf Promo-Tour befindet: Was ist für dich persönlich das Besondere an "Echos"?

Zunächst einmal ist es ein Album, das von vorne bis hinten nach Massendefekt klingt. Wir haben erneut einfach unser Ding durchgezogen und uns keine Gedanken über irgendwelche Hypes gemacht. Das alleine macht das Album für mich schon zu etwas Besonderem. Dann kommt noch hinzu, dass es ein sehr persönliches Album geworden ist. Es klingt auch reifer und ausgewogener als die letzten Alben. Einer der entscheidenden Punkte ist aber, dass ich zum allerersten Mal keinen Song habe, der mir nicht so zusagt. Bei allen anderen Alben hatte ich immer ein, zwei Songs, mit denen ich nicht so richtig warm wurde. Diesmal passt irgendwie alles. Das ist, denke ich, der größte Unterschied.

Neben gängigen Punk'n'Roll-Rockern stechen vor allem drei Songs heraus. Da wären zum einen die beiden akustischen Nummern "100$" und "Der Hoffnung Entgegen".

Ja, die beiden Nummern setzen sich schon etwas ab. "100$" habe ich in Las Vegas geschrieben. Da geht's ja um diese ganze Glitter-Welt, die Casinos und das ganze Gehabe. Ich kann mich noch erinnern, wie ich am Pool saß und das Ding in Windeseile runtergeschrieben habe. Das ging mir total leicht von der Hand. Und musikalisch wollte ich unbedingt einen ganz bestimmten Vibe drin haben. Ich wollte nichts Hartes in dem Song. Das hätte nicht zu meinen Textvorstellungen gepasst. Und zu "Der Hoffnung Entgegen": Das ist ja ein alter Song vom "Tangodiesel"-Album. Wir bekommen halt permanent Anfragen, ob wir nicht diesen oder jenen Song mal akustisch aufnehmen können. Da stehen die Leute irgendwie drauf. Also haben wir uns einen rausgepickt und losgelegt. Keine große Sache.

"Köln ist ja auch gleich um die Ecke"

Ich sprach ja vorhin von drei Songs. Eine Ahnung?

Nein. Keinen blassen Schimmer (lacht).

Scherzkeks.

Vielleicht "The Moment"? (lacht)

Bingo! Was hat euch denn da geritten?

Findste nicht cool?

Ähhhhhh ... Nein. Fast schon gruselig.

So schlimm?

Ich fand damals die deutsche Version von "Punk Rock Song" schon völlig überflüssig. Und ein Massendefekt-Song in Englisch? Klingt ein bisschen aufgesetzt.

Habe ich kein Problem mit. Das ist ja auch nur so ein Bonus-Ding für meine Kumpels in Amerika.

Deine Kumpels in Amerika?

Ja. Meinen Urlaub verbringe ich meistens in Amerika. Ich stehe total auf die Landschaften und dieses krass Gegensätzliche, das einem da permanent vor die Linse kommt. Politisch geht's natürlich gar nicht. Aber sonst: Hammer. Naja, und mit den Jahren habe ich halt ein paar Freundschaften geschlossen. Und als sich dann während der Albumbesprechung die Fragen stellten: Was wollen wir machen? Wie viele Songs? Werden wir Bonus-Tracks aufnehmen? Da fiel mir plötzlich ein, dass meine Ami-Freunde sich immer darüber beschwerten, dass sie unsere Songs nicht verstehen. Und ob wir nicht mal einen Track in Englisch machen könnten. Das hab ich dann einfach in die Runde geworfen. Und das haben wir dann auch gemacht.

Und die Ami-Kumpels sind jetzt völlig aus dem Häuschen?

Keine Ahnung. Die haben den Song noch nicht gehört. Aber ich denke schon, dass sie sich freuen werden.

Eine einmalige Sache?

Ja, auf jeden Fall. Die Aufnahme hat zwar echt tierisch Spaß gemacht. Aber das war's dann auch. Wir planen jetzt nicht irgendwann einmal ein komplett englischsprachiges Album aufzunehmen. Da braucht niemand Angst zu haben.

Also: Album ist im Kasten. Demnächst geht's wieder auf Tour. Eure Heimatstadt geht allerdings leer aus. Was ist da los?

Ach, das hat eigentlich gar keinen großen Hintergrund. Wir spielen dafür aber in Köln. Das ist ja auch gleich um die Ecke.

Aber Düsseldorfer und Kölner?

Wir sind da nicht so. Und unsere Fans auch nicht. In Köln haben wir bisher immer eine super Zeit gehabt. Diesmal wird's bestimmt auch der Hammer. Ich meine, das Konzert ist ja auch nicht umsonst vom Underground in die Live Music Hall verlegt worden. Das passt schon.

Das Stahlwerk hebt ihr euch dann für den Herbst auf?

Mal gucken. Gut möglich, dass wir im Herbst noch ne Live-Runde dran hängen. Jetzt freuen wir uns aber erst einmal aufs neue Album und die Tour im Frühling. Alles andere ist Zukunftsmusik.

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