laut.de-Kritik
The future is bright in Maviverse.
Review von Manuel BergerEs läuft bei Mavi Phoenix. Der vergangene Festivalsommer brachte sie ein gutes Stück näher an die von Beginn an angestrebte internationale Karriere – und der Aufwind hält an: Aktuell tourt die junge Österreicherin quer durch Europa, unternimmt bald einen Abstecher nach Los Angeles, im November startet sie hierzulande ihre erste Headline-Tour. Da kommt die Fortsetzung ihrer "Young Prophet EP" gerade recht.
Mit dem zweiten Teil setzt Mavi vor allem auch ihren Trend fort, den Schwerpunkt ihrer Musik von Hip Hop mehr und mehr auf Popmelodien zu verlagern. Schon im Sprung vom Debüt "My Fault" zu "Young Prophet" zeichnete sich diese Tendenz klar ab. Damit erweitert sie die Palette an Einflüssen im Maviverse deutlich.
Auf ihrer dritten EP sammelt die 23-Jährige ein bisschen von allem, das gerade aktuell ist – ein bisschen Trap, ein bisschen Dancehall, ein bisschen Tribal, ein bisschen moderner Radio-Pop, ein bisschen 90s-Nostalgie – und formt daraus etwas, das noch aktueller klingt. "Prime" ist die Hymne dafür: "The new generation is in their prime / We gotta take over quick time". Neben all den genannten Elementen erklingen hier auch noch Ska-Trompeten. Mavi beschwört, wenn schon nicht den Sound, zumindest den Vibe oldschooligen Hip Hops.
In "Prime" kündigt die selbsternannte Prophetin außerdem an, das 's' in 'Hits' zu packen. Wie wahr. Der Track selbst hätte das Zeug dazu. Als Anwärter Nummer 1, an ihren bisherigen Spitzenreiter "Aventura" heranzukommen, kristallisiert sich aber ein anderer heraus: "Bite". Casper-Produzent Markus Ganter ("Hinterland") wirkte daran mit, Hauptverantwortung für den an Kanye West erinnernden Beat trägt aber wohl Mavis Kumpel Alex The Flipper. Gleichzeitig aggressiv und leichtfüßig träumen die beiden Linzer vom Limousinenrücksitz und halten sich mit prägnanter Hook metaphorische Schlangen vom Leib, die den Weg dorthin erschweren.
Relaxter wirds mit "Ibiza" und "Yellow". In den Beats passiert immer noch wahnsinnig viel (bei "Yellow" darf statt Alex einmal Luka Seifert a.k.a. RIP Swirl ran), Mavi konzentriert sich aber auf eine ruhigere, gesangslastigere Performance. Die Gelegenheit nutzt sie für nachdenklichere statt forsch konfrontierende Lyrics.
Unüberhörbar ist dabei, dass sich Mavi etwas zu sehr in Autotune verliebt hat. Als Stilmittel mag die Technik durchaus ihren Reiz haben und passt auch zu einigen Weichzeichner-Sounds auf "Young Prophet II". Nur schaltet Mavi sie quasi gar nicht mehr ab – und das wohl nicht nur aus stilistischen Gründen. Öfter hat man das Gefühl, sie würde sich dahinter verstecken, aus Angst ihre Stimme allein könnte Tracks wie "Ibiza" nicht allein tragen. Gerade hier schluckt Autotune eine Menge Emotion.
Ein pointierterer Einsatz täte Mavi in dieser Hinsicht gut. "Trends" kostet der verbissene Fokus auf Voice-Effekte jegliche Substanz. Der Track verkommt zum pulsierenden Achselzucken. Dabei kann sie zweifellos mit Stimmspielereien umgehen, wie das Beispiel "Yellow" zeigt: Der Song basiert auf einer Chipmunk-Hook, büßt aber nicht an Ernsthaftigkeit ein. Das sollte eigentlich nicht funktionieren – tut es hier aber dennoch.
Der Mut zu solchen Experimenten zeichnet Mavi Phoenix aus. Denn obwohl auf den ersten Blick vieles glatt und poliert wirkt, überrascht und eckt sie trotzdem immer wieder an – auch weil sie über die Jahre einen eigenwilligen, sofort identifizierbaren Vortragsstil entwickelt hat. Das Potenzial der Österreicherin ist riesig und dank ihrer Genre-Ungebundenheit kann sie es bislang frei ausschöpfen. Ein paar im Lernprozess inbegriffene Fehltritte nimmt man dabei gern in Kauf. We know you're an aventura, Mavi, und warten gespannt auf dein nächstes.
1 Kommentar
Ich mein‘, wen juckt‘n das?