laut.de-Kritik
Der Dramaturg unter den deutschen Jungliedermachern.
Review von Simon Langemann"Die Phantasie Wird Siegen" - Max Prosa sollte Recht behalten. Anfang des vergangenen Jahres kam der Berliner mit einem hinreißenden Folkdebüt ums Eck, das den Applaus des Feuilleton aus heutiger Sicht rechtfertigt.
Die Platte dürfte den mittlerweile seltsam lange andauernden Singer/Songwriter-Trend überdauern, gerade bei jüngeren Hörern, die sich erst so der deutschsprachige Musik zuwandten. Nicht gerade eine Steilvorlage für ein ebenso erfolgreiches Zweitwerk.
Was also tun? Versuchen, die Magie des Debüts reproduzieren? Utopisch. Erst mal pausieren? Aus Sicht des erfolgreichen Newcomers kaum eine Option. Für einen unüberlegten Schnellschuss schien der junge Mann jedenfalls zu verkopft. Und so entstand mit "Rangoon" - gezwungenermaßen und glücklicherweise - ein Album, das Vergleichen mit dem Debüt schon allein mit seinem grundlegend renovierten Klangbild aus dem Weg geht.
Der Vorbote "Zauberer" deutete diese Entwicklung bereits an: Zu ansehnlichem Schwarz-Weiß-Clip erklang mitnichten ein neues "Flügel", dafür klanglich gewachsene, wie immer nicht ganz unbeschwerte Frühlingsgefühle. "Sommerzeit / und das Leben ist so leicht / wie's in Kinderbüchern steht. / Sei bereit / dass was Neues kommt und geht."
Mut beweist Max Prosa mit einer deutschen Version von Leonard Cohens "Hallelujah". Ob das sein muss, werden sich viele fragen. Oder vor allem: Darf er das? Rechtlich wie moralisch kann das ohnehin nur der Altmeister persönlich beurteilen. Und der stellte klar: Er darf. Cohens Management habe umgehend zurückgerufen, die Version gelobt und freigegeben, so Max Prosa im Die Welt-Interview. Als erstes derartiges Cover überhaupt.
Die Übersetzung der Cohen-Lyrics stammt vom Berliner Autor, Songwriter und früheren Rio Reiser-Lebensgefährten Misha Schoeneberg. Der 53-Jährige wirkte auf "Rangoon" gleichermaßen als Mentor und Inspriationsquelle. Bei zahlreichen Stücken arbeitete er als Coautor mit, komplett aus seiner Feder stammt gar das herausstechende "Verlorene Söhne". Auf erfrischende Art und Weise verschmelzen hier ein klassischer Folk-Song mit einem ausgefallen schillernden Indie-Arrangement.
Wie schon für den Erstling gilt auch für diesmal: Max Prosas Vortrag berauscht - egal, in welcher Lebenslage, zu welcher Tageszeit und mit welcher Priorität seine Platte läuft. "Ohne eure Phantasie können die Geschichten, die ich singe, nicht aufblühen, es bleiben dann einfach nur Worte", erläuterte er zum Release in seinem Newsletter zwar.
Doch "Rangoon" glänzt selbst in jenen Momenten, in denen man als Hörer einfach nicht die nötige Aufmerksamkeit und Ausdauer mitbringt, um sich den Zeilen zu widmen. Gerade das wütend aufbegehrende "Chaossohn" und "Charlie" mit seinen stetig wiederholten Klavierakkorden zeichnen mit mächtigen Rockgitarren und Blechbläsern gewaltige Spannungskurven.
Gibt man sich den Songs dann wieder vollständig hin, passiert es immer aufs Neue: Sie reißen einen nach kurzer Zeit an sich, wirken manchmal fröstelnd, häufiger erwärmend - und rufen vehement Max Prosas lyrisches Gespür ins Gedächtnis.
In "Café Noir", das im vorletzten Atemzug der Platte noch mal zum klassischen Folk mit warmem Akustikgeschrammel zurückkehrt, zeichnet er das Bild einer wohligen Kneipe. Unter den Gästen Philosophen, ein ewiger Student, Pater Jakob und Bob Dylan. "Wir stellen keine Fragen / wir sind nur einfach da / Und füreinander Zuflucht / hier im alten Café Noir."
Schwerer im Magen liegt zweifelsohne der diffuse Titeltrack, laut Booklet "den toten Mönchen der Safran-Revolution in Myanmar, Sept. '07" gewidmet. Den südostasiatischen Staat um die Hauptstadt "Rangoon" betrachtet der gebürtige Berliner nach eigenen Angaben als Sinnbild der Gegensätzlichkeit. "Einerseits dieses Paradies (…), andererseits die blutige Geschichte des Militärregimes." In den eindringlichen Refrainzeilen schwingt vor allem letztere mit: "Am Ende, wenn sich alles erhellt / Wer war ich dann in dieser Welt?"
Mit seinem beachtlichen Zweitling "Rangoon" unterstreicht Max Prosa seinen Status als Dramaturg unter den deutschen Jungliedermachern. Denn er füllt die kleinen Dinge mit Emotion, inszeniert selbst die simpelsten Geschichten als Drama - ohne dem Hörer die eigene Deutungshoheit abzusprechen. "Jede Reise durch Rangoon wird eine andere sein. Wie gerne wäre ich bei jeder einzelnen mit dabei."
3 Kommentare
Wirklich sehr gutes Album, stimme der Rezension voll und ganz zu. 4/5
für mich ebenfalls 4/5. aus dem grund, dass meiner meinung nach verlorene söhne und Hallelujah der stimmung des albums schlecht tun und für mich titel zum überspringen sind. das erste hat einfach eine zu zuckersüße melodie ala hoppa hoppa reiter. halleluja ist spannend beim ersten anhören, wirkt für mich aber doch verkrampft. auch wenn sinn richtig wiedergegeben ist, so ist der klang der worte in deutsch zu steif und unästhetisch.
der rest des albums ist absolut lobenswert
Sehr schönes Album, ich finde nach wie vor seine Art zu singen noch immer wahnsinnig interessant... dass die Singer/Songwriter-Welle inzwischen so "seltsam lang" andauert, find ich super, wobei auch logisch, da vermutlich Antwort auf diese hirnlose Partymusik.