laut.de-Kritik
Vom Suchen, Sehnen und Finden.
Review von Artur SchulzIndie-Pop? Deutschrock? Oder sonst was? Egal: Mein Mio haben prächtige Musik drauf. Mehr braucht es schließlich nicht! Und den Beweis führt der Berliner Vierer mit den elf fein ziselierten Songs des Debüts "Irgendwo In Einer Grossen Stadt".
Piano-dominierte Beats, ein Glockenspiel erleuchtet, sanft wärmt der Bass - der Opener "Wenn Wir Wüssten" präsentiert gleich eine Menge dessen, was die Mios ausmacht: überlegtes, doch nie steriles Songwriting, saubere Produktion und trotz poppiger Eingängigkeit immer auffindbare Ecken und Kanten. Eine liebevolle Soundausstattung zeichnet die Stücke ebenfalls aus.
Gleich die Anfangszeilen demonstrieren die vorherrschenden Gedanken: "Du glücklicher Idiot / du wirst es nie kapieren / geboren mit Verstand / um ihn zu ignorieren." Doch kommen Mein Mio nicht mit Weltschmerz behaftet und womöglich altklug um die Ecke, sondern eher nachdenklich und melancholisch, ohne je in perfides Sentimentalitätsgesupp abzutauchen.
"Keine Lust Auf Morgen" handelt vom Spaß am Hier und Jetzt. Scheißegal, wenn ausgerechnet in der Nacht von Sonntag auf Montag das Leben pulsiert, und du zum Job musst. Der Morgen ist weit, und die Hingabe ist heut.
In der Ballade "Frag Mich Nochmal" knarzt gar ziemlich heavy eine E-Gitarre. "Es Gibt Immer" zitiert in Chören und Akkorden die späten Beatles. Als rockigste Nummer der CD fungiert "Vorsicht An den Türen", einer der stärksten Tracks. Nicht zuletzt dank der guten Textumsetzung des Themas: Zaudern, Zögern und die Furcht vor Entscheidungen.
"Freitag" ist ein weiteres Beispiel dafür, dass eine deutschsprachige Liebesballade auch berührend und unkitschig daherkommen kann. Das sehnsüchtige Warten aufs Wiedersehen mit der Geliebten umschreiben Mein Mio nur mit Piano-Akzenten und Akustik-Gitarre poetisch: "Dann zähl' ich stundenlang die Sterne / bis die Augen müde, schwer / sich in ihr Schlafzimmer verkriechen / wenn doch bloß schon Freitag wär." Über die volle Albumlänge arbeitet hier wahrlich kein Lyrics-Holzhammer.
Die Gesangsarbeit von Sebastian Block ist eh hervorzuheben: Er verzichtet auf Genuschel von Kollegen des Schlages Tomte oder Kettcar, und so muss der Hörwillige nicht ständig die Texte im Booklet nachschlagen. Die musikalische und textliche Reife überzeugt auf voller Länge, da die Originalität von Mein Mio handelsübliche Deutschrock-Schablonen oder pseudointellektuelles Indiegetue nicht nötig hat: Diese Lyrik steht mitten auf der echten, authentischen Straße des Lebens.
Noch keine Kommentare