laut.de-Kritik
Großartige Symbiose aus Folk, Electronica und Kammerpop.
Review von Martin LeuteDem hochgelobten 99er-Debüt von Conrad Lambert folgte eine sechsjährige Pause, ehe sich der Brite aka Merz 2006 mit "Loveheart" eindrucksvoll zurück meldete. Zwischen Electronica, Folk und Indiepop bewegt sich auch sein drittes Werk "Moi Et Mon Camion", das der reiselustige Singer/Songwriter nach seiner Umzugsfirma benannt hat.
"Ich habe versucht, auf dem Album ein Gleichgewicht von akustischen und elektronischen Klängen herzustellen", kommentiert der Multiinstrumentalist. Die Stimmung der Platte verströmt trotz aller Vielschichtigkeit eine ungeheuren Ruhe. Durchaus melancholisch, aber nie resignierend.
Seine wunderbaren Melodien sind detailliert und behutsam arrangiert. Eigentlich kann man in diesem Fall nicht von Elektrofolk sprechen, angemessener ist Kammerfolk, der elektronische Elemente ganz verhalten in die Songs integriert. Einzig bei dem experimentell anmutenden "Shun" rückt die elektronische Instrumentierung in den Vordergrund.
Die gezupfte Akustische instrumentiert den großartigen Opener "Moi Et Mon Camion", das theatralisch-ruhige, mit Bläsern und Streichern gepolsterte "Malcolm", das und die famosen "No Bells To Left" und die Conrad mit einnehmendem Gesang vorträgt. Mal ganiert mit sphärischem oder skurrilem Backgroundgesang, mal mit Glockenspiel, sanften Synthie-Einlagen oder Vogelgezwitscher.
Das sich steigernde "Call Me" gefällt mit sachter E-Gitarren- und Pianobegleitung und den gospeligen Backing Vocals der Herren von The Earlies. "Presume Too Much" ist wohl der Hit der Platte, der mit einer Melodie aufwartet, die Travis oder Keane zur Ehre gereichen würde; "Lucky Adam" zieht mit E-Gitarren und Tamburin das Tempo an. Hier präsentiert sich Conrad Lambert überraschend extrovertiert und gutlaunig und kontrastiert Textzeilen wie "You know I love you, but I don't know how lucky I am/ feel like a pitiful fool".
Mit "Cover Me" schlägt er dann wieder leise Töne an, um schließlich zu einem kratzbürstigen, psychedelischem Finale auszuholen. Conrad Lambert beschließt das Album mit "The First & The Last Waltz" sentimental, aber hoffnungsvoll mit der reduziert gezupften Akustischen und Violinenspiel.
Mit "Moi Et Mon Camion" stellt Merz seine außerordentlichen Qualitäten als Songschreiber und Arrangeur erneut eindrucksvoll unter Beweis. Tolles Werk, das bei aller Sanftheit durchaus Reibungsflächen bietet, die aber nie den Fluss des Albums stören.
1 Kommentar
ich würde da noch einen schritt weiter gehen. travis und keane haben bislang noch kein album mit solch qualitativ hochwertiger melodiedichte veröffentlicht.
hier gibt es ja wirklich nicht einen einzigen füll oder b-seitensong.
so hätten radiohead nach ok-computer klingen können, wenn sie sich auf ihr melodisches talent besonnen und ne kollabo mit air angeleiert hätten, statt durchzudrehen.
wer schreibt heutzutage songs wie "the first and the last waltz", ohne sie mit überproduktion zu versauen?
tolle scheibe. geht hoffentlich nicht unter!