laut.de-Kritik
God gave Rock'n'Roll to him!
Review von Eberhard DoblerObelix hat Recht. Die spinnen, die Briten! Nicht einmal 1000 Einheiten verkaufte Mick Jagger am Releasetag (Robbie Williams mit seiner Swing-Scheibe dagegen 73.000). Aber Verkaufszahlen sagen über die Qualität eines Albums erstmal nichts aus. Dies gilt auch für alte Recken des Rock-Olymps. Der Rolling Stones-Frontmann hat ein astreines Solo-Album vorgelegt. Daran gibt es nix, aber auch gar nix rumzudeuteln.
Standard-Stücke wie der Opener "Visions Of Paradise" oder "Joy" (feat. Bono und Pete Townshend) fördern diesen Eindruck vielleicht nicht. Bahnbrechend, wie von der Plattenfirma verkündet, ist dieses Album musikalisch auch nicht - allein: es ist einfach geil! Woran liegt das? Es sind vor allem Mick Jaggers Vocals. Die Stimme des 58-jährigen Rolling Stone klingt so frisch und berührt wie eh und je (man höre sich die erste Minute von "Too Far Gone" an). Die Balladen "Don't Call Me Up" und "Brand New Set Of Rules" sind für meine Ohren Weltklasse.
Die großartige Single "God Gave Me Everything" rotzt ohne viel Brimborium auf den Punkt. Bei dem rohen, überwiegend von Lenny Kravitz eingespielten Stück zeigt Jagger, wer hier der Rock'n'Roller ist. Dasselbe gilt für das im Stones-Style gehaltene "Lucky Day" und das fette "Gun". Bei "Everything Getting High" verschmelzt er ohne Reibungsverluste Drum-Loops, Gitarren und Streicher. Beim Songwriting und den Kollaborationen (z. B. Wyclef Jean und Joe Perry) hat Jagger gleichermaßen auf Sicherheit gesetzt. Aber wer wenn nicht er hat das Recht dazu?
Warum manche Stones-Fans mit Jaggers Solo-Platten nichts anfangen können, bleibt ein Rätsel. Sollte es an programmierten Loops oder Samples liegen, ist ihnen auch nicht mehr zu helfen. "Goddess In The Doorway" ist top produziert, dicht, aber nicht überladen, und bietet einen ansprechenden Mix aus ruhigen und roheren Stücken. Mick Jagger hat in seinem Kontext großartige Songs und persönliche Texte abgeliefert. Und allein der rotzige Refrain von "Gun" reicht, um Robbie unter die Brause zu schicken.
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